Bestseller-Kombi von 1974 Volkswagen Passat - Familienkutschen-Klassiker für jedermann


Das Museumsstück aus dem Hause Volkswagen befindet sich im Topzustand. Der cremefarbene Lack steht dem Wolfsburger ausgezeichnet.
(Foto: Patrick Broich)
Bereits über 50 Jahre steht der Volkswagen Passat für bürgerliche Mittelklasse-Mobilität und ist damit irgendwie ein Stück Deutschland. Nachdem ntv.de kürzlich das neue Modell gefahren hat, kommt jetzt die erste Generation an die Reihe.
Wie war das noch mit dem Jubiläum? Den Passat gibt es natürlich 51 und nicht 50 Jahre. Wer aufgepasst hat, dem fällt es auf. Aber hier und jetzt hatte ntv.de die Gelegenheit, den damals schon geschätzten Variant zu fahren. Und als Kombi gibt es den Passat dieses Jahr exakt 50 Jahre. Also doch ein Jubiläum. Und was haben fünf Jahrzehnte mit den automobilen Menschen gemacht? Sie sind mit ihren Autos gewachsen, das ist Fakt. Googeln Sie mal "Körpergröße". Die Menschen werden immer größer. Doch das ist hier nicht Thema.

Kaum zu glauben, dass 4,22 Meter vor fünf Jahrzehnten für Mittelklasse reichten.
(Foto: Patrick Broich)
Und dennoch erscheint der Kombi aus heutiger Sicht ziemlich mickrig für eine Mittelklasse. Das ist nicht etwa Einbildung. Das Datenblatt bestätigt diesen Eindruck - der Wolfsburger misst gerade mal 4,22 in der Länge und 1,60 Meter in der Breite. Mancher Kleinwagen ist heute größer. In den Siebzigerjahren hat der Passat den Volkswagen-Konzern gemeinsam mit dem ebenfalls gerade herausgekommenen Golf ein gewaltiges Stück moderner gemacht.
Luftgekühlte Heckmotoren, die den Passagieren winters vor allem zitternden Gliedmaßen bescherten, weil die Heizleistung mager ausfiel, waren von nun an passé. Und ebenfalls die Zeiten, als ein beherzter Tritt auf das Gaspedal das Heck trotz Leistungsmangels insbesondere bei leicht rutschiger Fahrbahn in Richtung Graben hätte katapultieren können. Da ist der hochmoderne Mittelklässler mit Frontmotor und Vorderradantrieb ungleich sicherer.
Kühle Witterung mag der alte Vergaser nicht

Dieses Exemplar stammt aus Schweden, wo Kombis ebenfalls sehr gefragt waren. Die frühen Variant-Ausgaben sind heute fast ausgestorben.
(Foto: Patrick Broich)
Dass Modernität relativ ist, merke ich schnell im Umgang mit dem frühen Passat-Exemplar aus dem Jahr 1974. Er hat zugegebenermaßen eine Nacht gestanden, in der die Außentemperatur auf deutlich unter zehn Grad Celsius fiel. Sie schmunzeln? Wenn man morgens zügig loswill, hält sich das Vergnügen in engen Grenzen. Nun haben wir es hier mit einem schwedischen Exemplar des frühen Volkswagens zu tun - keine Spur von einem Choke.
Verfügt der Fronttriebler etwa über eine Startautomatik? Doch ganz egal, der Effekt wäre ohnehin gleich. Den 1,3 Liter großen Vierzylinder im Kaltzustand zum Erwachen zu bringen, gleicht einer Plackerei. Orgeln und Gasgeben - es scheint kein Ende zu nehmen. Irgendwann ist der Dreizehnhunderter dann da, aber er läuft noch nicht rund. Das dauert locker zehn Minuten. Klar, warmlaufen lassen ist auf keinen Fall angebracht. Man fährt behutsam los, allerdings müssen Sie nicht glauben, dass der Vergaser im kalten Zustand gut Gas annehmen würde. Und falls Sie selbst kurz am Heck standen im Bereich des dürren Auspuffendröhrchens - die mit Abgas geräucherte Kleidung ist definitiv ein Fall für die Waschmaschine.

Ein bisschen Holzimitat und das analoge Radio waren vor 50 Jahren Garant für ein bisschen automobiles Glück.
(Foto: Patrick Broich)
Das klingt jetzt fast wie ein Plädoyer gegen den Klassiker, nicht wahr? Aber nein! Damit sollte bloß verdeutlicht werden, wie viel simpler das Auto heute generell zu bedienen ist, falls mal wieder jemand sagen sollte, dass früher alles besser gewesen sei. Der olle Passat ist super. Mit ihm zu fahren macht Spaß. Denn wenn seine Maschine einmal warm ist, läuft sie ganz ordentlich.
Und es ist auch irgendwie schön, zu erfahren, dass man ohne PS-Völlerei glücklich werden kann. Der gerade mal 920 Kilogramm schwere B1/Typ 32 (so heißt die Baureihe intern) kommt mit 55 PS aus. Und dabei wirkt er nicht einmal phlegmatisch, beschleunigt gefühlt sogar beflissen. Das muss allerdings täuschen. Der Wolfsburger ist im Vergleich mit einem Neuwagen laut und rappelig, was ihn stürmischer wirken lässt. Um Landstraßentempo zu erreichen, vergehen laut Werk gemächliche 16,5 Sekunden. Die 100 km/h muss man sich eben erarbeiten.

Der Passat "L" galt damals als luxuriös. In diesem Fall gab es Dinge wie Uhr, Tageskilometerzähler und Zigarettenanzünder. Kostenpunkt: etwa 500 D-Mark.
(Foto: Patrick Broich)
Auch der Übersetzungswechsel will gekonnt sein, denn so richtig definiert gleitet der Schaltknüppel des Vierganggetriebes kaum durch die Gasse. Man stochert anfangs eher etwas herum, nach ein paar Kilometern Eingewöhnung gleitet der Hebel aber schon ganz fluffig. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wer den Passat bewegen will, muss kein virtuoser Fahrer sein. Einsteigen, losfahren und ein bisschen eingewöhnen - passt.
Der erste Passat ist längst zum Klassiker gereift
Ein Volkswagen Passat der ersten Generation eignet sich wunderbar als Alltagsklassiker, zumal in den einschlägigen Autobörsen gute Exemplare schon für unter 10.000 Euro angeboten werden. Klar ist der Passat von damals kein Kandidat für richtig lange Strecken mit hohem Drehzahlniveau und mager gepolsterten Stühlchen.

Auch vor 50 Jahren schätzten die Deutschen Platz im Kofferraum. Zum Beladen ist dieser neuwertige Klassiker aber fast zu schade.
(Foto: Patrick Broich)
Der Kombi ist allerdings cool, weil mehr Ladegut hineinpasst. Das Kofferraumvolumen wirklich ausnutzen möchte man allerdings nicht, zu schade. Na ja, so ganz vorsichtig mit weicher Fracht kann man ihn ja ruhig bestücken. Beim neuwertigen Museumsauto aus Wolfsburg würde man davor eher zurückschrecken. Ach ja, wer unsicher ist, worauf er beim Kauf achten soll - es gibt viele Freunde dieses Modells, die man auch im Internet findet. Wer beispielsweise die Passat-Kartei-Deutschland besucht, erfährt, dass vom 30. Mai bis zum 2. Juni sogar ein großes Treffen in den Niederlanden stattfindet.
Bevor ich diesen raren Kombi wieder abgebe, schaue ich mich noch einmal um. Ich bleibe beim klassischen Instrumentarium hängen und komme ins Grübeln. Sah dieses beim ersten Audi 80 (der übrigens ebenfalls B1 heißt intern) nicht genauso aus? Richtig, der Passat teilt sich die Basis mit dem frühen Ingolstädter; im Grunde handelt es sich sogar um das gleiche Auto, allerdings differenzierten die Marken bei der Karosserieform. Der Audi 80 rollte ausschließlich in Stufenheck-Gestalt vom Händlerhof.
Wer mit 55 PS übrigens partout nicht auskommt, kann ja Ausschau nach einer der Versionen mit 1,5-Liter-Motor halten. Diese gibt es wahlweise mit 75 oder 85 PS. Wobei die starke TS-Ausgabe selten anzutreffen sein dürfte. Die Reaktionen auf den frühen Passat sind allerdings immer gleich: Es gibt einen nach oben zeigenden Daumen mit freundlich lächelnden Gesichtern. Was will man mehr?
Quelle: ntv.de