Maserati GranTurismo MC Stradale Vollblüter am straffen Zügel
30.05.2011, 11:54 UhrErstmals knackt ein Serien-Maserati die 300-km/h-Grenze. Das karg moblierte Coupé Gran Turismo MC Stradale soll Rundstrecken-Fans auch im Alltag mobil halten. Gewisse Erfahrungen mit PS-starken Boldiden sind durchaus hilfreich, wie die erste Ausfahrt zeigte.

Zusätzliche Lufteinlässe machen den 300-km/h-Boliden optisch noch aggressiver.
Schön und schnell waren sie eigentlich immer. Doch was Maserati seinen Kunden bisher nicht bieten konnte, war die unmaskierte Biestigkeit eines Rennwagens, der auch für öffentliche Straßen zugelassen ist. Der Gran Turismo MC Stradale könnte diesen häufig geäußerten Kundenwunsch erfüllen, wenngleich sich die solventen Käufer durch den Namen nicht irritieren lassen sollten. Trotz der Bezeichnung "Gran Turismo" ist gehobener Reise-Komfort augenscheinlich nicht die Hauptaufgabe des MC Stradale. Dafür hat er zu wenige Sitzplätze.
Stattdessen ist das 450 PS starke Coupé um so mehr auf Krawall frisiert. Die rauhe Röhre faucht einen schon beim ersten Dreh des Zündschlüssels energisch an und wirkliche Ruhe kehrt erst wieder mit entgegen gesetzter Handbewegung ein. Obwohl gegenüber dem Schwestermodell Gran Turismo S nur zwei statt vier Endrohre zu sehen sind, ist der Weckruf des ersten Gasstoßes ungleich intensiver. Obendrein kann der Fahrer die Akustik selbst beeinflussen, denn je nach Fahrmodus öffnen sich die Drosselklappen der Abgasanlage und lassen mehr oder weniger kehliges V8-Gebrüll ins Freie.
Auf gleicher Wellenlänge wie die durchdringende Akustik liegt die optische Präsenz des Fahrzeugs. Der ohnehin schon Ehrfurcht gebietende Kühlerschlund wird jetzt flankiert von zusätzlichen Lufteinlässen, seitliche Schweller und eine zusätzliche Spoilerlippe auf dem Kofferraumdeckel verbessern Aerodynamik und Anpressdruck bei hohem Tempo. Auf der Hinterachse lassen sich so 50 Prozent mehr Abtrieb erzeugen. Die wulstigen Radhäuser werden ausgefüllt von 20-Zoll-Felgen, deren dünne Speichen den Blick auf eine Karbon-Keramik-Bremsanlage von Brembo freigeben. Sie bei flotter Fahrt perfekt zu dosieren, verlangt etwas Gewöhnung an die Wirkung der bissfesten Tempovernichter.
Viel Karbon und Alcantara

Das Aerodynamik-Paket des "Stradale" erzeugt an der Hinterachse 50 Prozent mehr Anpressdruck.
(Foto: n-tv.de/Busse)
Karbon dominiert auch den Innenraum, wo an den Verkleidungen der Konsole nicht mit dem teuren High-Tech-Material gespart wurde. Auch die Schalen der Rennsitze sind aus dem extrem robusten Faser-Werkstoff. Maserati spricht ihnen eine große Langstreckentauglichkeit zu. Ein Schwachpunkt ist allerdings, dass die Höhe unter Zuhilfenahme von Werkzeug auf einen Fahrer fix eingestellt werden muss.
Den nachhaltigsten Eindruck, dass es sich hier um einen Rennwagen für die Straße handelt, vermittelt der Verzicht auf Rücksitze. Stattdessen wölbt sich ein armdicker Überrollbügel durch den Innenraum, an dem auch die optionalen Hosenträgergurte befestigt werden können. Großzügig sind Alcantara und Leder verlegt, nur die Bedieneinheit unter dem Navi-Monitor will nicht so recht zum exklusiven Charme des Interieurs passen. Allzu sehr erinnert das Panel an die in Großserie und Kleinwagen verwendeten Bauteile. Die zentralen Instrumente sind groß und gut platziert, jedoch fehlt es der Beschriftung an Kontrast, so dass sie ohne Beleuchtung schlecht abzulesen sind.
Die Leistungsunterschiede zum Gran Turismo S sind nicht so groß, wie die auf Rennstrecken-Tauglichkeit getrimmte Optik es vermuten lässt. Der 4,7 Liter große Achtzylinder, der hinter der Vorderachse montiert ist, bringt es auf zehn PS mehr als beim Schwestermodell, so dass nunmehr 450 PS zu Verfügung stehen. 20 Newtonmeter mehr Drehmoment bedeuten eine Kennziffer von 510 Nm. Durch verbessertes Motormanagement und die erhebliche Verringerung des Fahrzeuggewichts konnte der Durchschnittsverbrauch um 13 Prozent auf 14,4 Liter (EU-Norm) gesenkt werden. Allein 42 Kilo Mindergewicht brachte die Änderung der Sitzkonfiguration, Verzicht auf Dämmmaterial weitere 25 Kilo. Die Bremsen sind zusammen 18 Kilo leichter als vergleichbare Stahlbremsen. Insgesamt rechnet Maserati 110 abgespeckte Kilos vor, so dass am Ende 1670 Kg übrig bleiben. Das Wettkampfgewicht des Sportlers dürfte somit bei etwa 1800 Kilo liegen, denn ohne Fahrer und Betriebsflüssigkeiten geht es nun mal nicht.
Zum Kampf entschlossener Athlet
Große Sorgfalt legten die Maserati-Ingenieure an die Modifikation des Schaltgetriebes. Die automatisierte Gang-Box kann im "Race"-Modus binnen 60 Millisekunden die Fahrstufen wechseln, was bei dynamischer Gangart enorme Freude macht. Der Ruck, der beim Schalten durch Mensch und Maschine geht, ist durchaus gewollt. Für die Mitgliedschaft im ehrenwerten "Club 300" hat der Hersteller auch gesorgt und gibt die Höchstgeschwindigkeit mit 301 km/h an. Wie ein zum Kampf entschlossener Athlet tritt dieser Maserati gegen die Konkurrenz an und zeigt, dass italienischer Straßen-Sport auch ohne das Ferrari-Pferd oder den Lamborghini-Stier möglich ist. Und wie bei den edelsten Vollblütern muss man auch bei ihm die Zügel fest im Griff haben. Feinfühlig, fast nervös reagiert das Coupé bei zügiger Kurvenfahrt, spürbar stets bereit, mit einem kleinen Schlenker des Hecks daran zu erinnern, dass die Physik auch für Hochleistungs-Fahrzeuge gilt. Manche Wettbewerber mögen ein satteres Gefühl auf der Straße vermitteln, aber nur wenige klingen dabei genauso volltönend.
Das achtstimmige Kolben-Orchester zu hören, wird freilich nur wenigen vergönnt sein. Das neue Modell wird weltweit auf etwa 500 verkäufliche Exemplare taxiert. Maseratis Deutschland-Chef Thomas Hajek schätzt, dass die zurzeit 19 Händler hierzulande 30 bis 40 "Stradale" an den Mann oder die Frau bringen können. 152.320 Euro kostet der schnelle Spaß, dennoch werden in den neuen Garagen nicht selten bereits Fahrzeug mit dem charakteristischen Dreizack am Kühlergrill stehen.
Quelle: ntv.de