Katze faucht mit Kompressor-Kraft XJ legt noch eine Schippe drauf
24.04.2011, 10:11 Uhr
Äußerlich ein Exemplar britische Zurückhaltung: der neue Jaguar XJ Supersport.
(Foto: Guy Spangenberg)
Schwer zu glauben, dass ein Auto mit 385 PS noch eine Leistungsspritze braucht. Doch weitere 125 Pferdchen zerren künftig an der Hinterachse des Jaguar Topmodells XJ Supersport. Der Mindestpreis von 136.750 Euro sorgt für die nötige Abgrenzung zur gewöhnlichen Luxuslimousinen.
Wer im automobilen Oberhaus keinen Wagen mit 500 PS oder mehr anzubieten hat, gilt fast schon als nicht gesellschaftsfähig. Das weiß man auch bei Jaguar und wartete deshalb nicht zu lange, das bisher aus einem Sechzylinder-Diesel und einem V8-Sauger bestehende Motorenangebot für den XJ aufzustocken. Traditionell bedient sich die Katzenmarke dazu eines Kompressors. Statt wie bisher 385 PS können die Insassen nun auf die Kraft von 510 PS zurückgreifen, was die Spurtfähigkeit unter fünf Sekunden drückt.
Obwohl die zusätzliche Schippe Leistung fraglos für deutlich mehr als 250 km/h ausreichen würde, ist das Spitzentempo elektronisch begrenzt. Die 300 km/h zu erreichen, bleibt bis auf Weiteres dem jüngst vorgestellten Modell XKR-S vorbehalten, der damit der schnellste je gebaute Serien-Jaguar ist. Beim XJ-Spitzenmodell geht es weniger um Top-Tempo als um eine Offerte an leistungshungrige Kunden, denen erlesener Komfort wichtiger ist als herausgeholte Zehntel auf der Rennstrecke.
Nicht ohne Bauschmerzen hatten die Jaguar-Verantwortlichen vor gut einem Jahr die neue große Baureihe der Presse vorgestellt. Der von Chefzeichner Ian Callum mit coupéhafter Dachlinie und bumerangförmigen Heckleuchten gestylte Viertürer dokumentierte die vollständige Abkehr vom gewohnten 3-Box-Design, das jahrzehntelang den Auftritt der Groß-Katzen bestimmt hatte. Doch der Mut wurde belohnt, nur wenige alte Kunden wandten sich ab, viele neue wurden gewonnen, so dass der XJ in Deutschland das Jahr mit mehr als 540 neu zugelassenen Exemplaren abschloss – mehr als ein Viertel dessen, was das kleinere Modell XF schaffte.
Zwei Radstände im Angebot
Der aufgeladene Achtzylinder des XJ Supersports bewegt einen Luxusschlitten, der wahlweise mit 3,03 oder 3,16 Metern Radstand zu haben ist. Die Langversion einer Limousine im Portfolio zu haben, ist für Mitspieler im Luxussegment fast ebenso wichtig wie ein 500-PS-Motor. Für Performance-orientierte Kundschaft dürfte allerdings die etwas handlichere „Kurz“-Version die bessere Wahl sein. 12,5 Zentimeter mehr Außenlänge werden zu 0,4 Meter mehr Wendekreis. Britische Zurückhaltung regiert bei der Optik: Außer serienmäßigen 20-Zoll-Leichtmetallfelgen und dem Schriftzug „Supercharged“ in der seitlichen Spange am vorderen Kotflügel deutet nichts auf den Zuwachs von 125 Pferdestärken hin.
Die enorme Schubkraft ist allerdings kaum zu kaschieren, weshalb subtiler Umgang mit dem Gaspedal angeraten ist. Anders als bei manchen per Turbolader befeuerten Motoren, denen die kleine Denkpause zum Aufbau des Abgasstroms nie ganz abgewöhnt werden konnte, drückt der Jaguar seine maximal 625 Newtonmeter Drehmoment kaum einen Wimpernschlag nach Senkung des rechten Fußes auf die hinteren Räder. Kein Wunder, dass zuweilen die Traktionskontrolle spürbar in Aktion tritt, denn nicht jeder Gummi und nicht jeder Straßenbelag können dies ohne Haftungsverlust verkraften.

Im Inneren bietet die Limousine hochklassige Wohnlichkeit mit Echtholz, Hochglanzlack und Leder.
(Foto: Guy Spangenberg)
Die sechsgängige ZF-Automatik ist allerdings mühelos in der Lage, das zunehmende Tempo geschmeidig in abnehmende Drehzahlen umzusetzen. Schaltpaddel lassen dem Schumi-Fan die Option, die Gangwahl persönlich zu gestalten und es gibt keinen Grund, die achtgängige Automatik herbeizusehnen, die ZF derzeit schon verschiedenen deutschen Herstellern liefert. Bei den Federungs- und Dämpfungseigenschaften freilich ist noch am ehesten der Konflikt sportlicher Leistungsbereitschaft mit dem Ziel des sänftenartigen Dahingleitens zu erkennen.
Querrillen senden akustische Erinnerung
Querrillen mag der Supersport nicht und die polternden Schläge von der Straßenoberfläche sind die akustische Erinnerung, dass 20-Zoll-Felgen zwar unverschämt gut aussehen, aber in Sachen Fahrkomfort wohl kaum als Ultima Ratio taugen. Mehr PS vertragen sich immer gut mit leistungsfähigeren Bremsen, weshalb der XJ-Athlet vorn 25 Millimeter und hinten 50 Millimeter größere Bremsscheiben bekommen hat. Gute Dosierbarkeit zeichnet die Bremsanlage ebenso aus wie energische Verzögerung.
Viel Echtholz, Hochglanzlack und handschuhweiches Leder sind dem XJ auch im Topmodell erhalten geblieben. Die bekannte hochklassige Wohnlichkeit des Innenraums hat Jaguar mit einer fondorientierten Aufwertung verfeinert. Nunmehr sind auch die hinteren Lehnen in der Neigung verstellbar und verfügen über eine Massagefunktion. Der Beifahrersitz kann bei Nichtbelegung nach vorn weggeklappt werden, und auch nicht immer Sichtbares wird edel umsäumt: Das Handschuhfach ist mit Seide ausgeschlagen. Trotz allen Komforts sind Ingenieurs-Aufgaben für die Zukunft identifizieren: Bedienungsfreundlichkeit und Grafikqualität des Navigationssystems, das mittels Touchscreen bedient wird, lassen Verbesserungspotenzial erkennen.
12 oder 16 Liter Verbrauch?
Wer schon mehr als 130.000 Euro für ein exklusives Fahrvergnügen ausgibt, soll wenigstens an der Tankstelle nicht mehr als nötig zur Ader gelassen werden. Die im EU-Normtest ermittelten 12,1 Liter Verbrauch je 100 Kilometer Fahrstrecke, erscheinen leistungs- und gewichtsangemessen (1892 Kg/kurzer Radstand). Da jedoch der wohltönende V8-Sound als Spurt-Untermalung zu häufigerer Wiederholung verleitet, sind 14 bis 16 Liter eine der Realität angemessenere Größe.
Quelle: ntv.de