Praxistest

VW setzt auf Emotion Comfort Coupé mit Eleganz

Die Erkenntnis ist so alt wie die Marktforschung selbst: Männer lassen sich von einem Coupé oder Cabriolet in den Autosalon locken, um anschließend den Kaufvertrag für eine Limousine oder einen Kombi zu unterschreiben. Eine überzeugende Kombination aus Cabrio und Kombi ist den Designern bisher nicht gelungen, dafür ist der Boom von Coupé-Limousinen nicht mehr zu ignorieren. Mit dem Passat CC hat Volkswagen dem langweiligen Vertreter-Dienstwagen jetzt eine enorme Attraktivitätsspritze verpasst.

Den Schuss Emotionalität, der dem Passat bisher fehlte, verkörpert das Comfort Coupé ("CC") ohne Abstriche, er eröffnet dem biederen Mittelklässler gleichsam die Welt der Gefühle.

Als 2004 eine Schar von Autotestern mit dem Mercedes CLS an den römischen Filmstudios Cinecitta vorfuhr, war schon zu ahnen, dass der Hauptdarsteller das Zeug zum Star hat. Dem Stuttgarter Hersteller war ein Überraschungscoup gelungen, als sie das Konzept eines viertürigen Coupés mit verwegenem Design als Serienfahrzeug anzubieten begannen.

Spitzenmodell mit 300 PS

Den Passat CC mit dem Begründer des Trends zu vergleichen ist durchaus nicht unangebracht, denn 4,80 Meter Länge bei knapp 1,42 Metern Höhe geben eine imposante Erscheinung ab. Und dass eine Spitzenmotorisierung mit 300 PS angeboten wird, spricht auch nicht dafür, dass man sich hinter der Sternenmarke aus Stuttgart verstecken will. Verglichen mit dem 292 PS starken CLS 350 ist der Passat sogar ein richtiges Schnäppchen, denn der Benz kostet fast 21.000 Euro mehr als der mit 40.800 Euro in der Preisliste geführte Passat CC V6 4Motion.

In drei Motorisierungen ist das viertürige Coupé aus Wolfsburg verfügbar. Weitaus häufiger als der V6 werden auf deutschen Straßen der 1,8 Liter große TSI (160 PS) oder der Zweiliter-Turbodiesel mit 140 PS anzutreffen sein. Volkswagen macht kein Hehl daraus, dass der Passat CC haarscharf auf den amerikanischen Markt zielt. Rund 60 Prozent der Gesamtproduktion, so die Kalkulation von heute, sollen in Übersee abgesetzt werden.

Ohne dem 300-PS-Boliden zu nahe zu treten, lässt sich feststellen, dass der CC mit den kleineren Aggregaten absolut ausreichend motorisiert ist. Das liegt vor allem an dem gesunden Verhältnis von Leistung und Gewicht. Selbst der Diesel ist mit 1466 Kilogramm Leergewicht erstaunlich leicht. Der Benziner wiegt noch einmal 36 Kilogramm weniger. Das daraus resultierende Leistungsgewicht ermöglicht ein angenehm temperamentvolles Fahrgefühl. Das satte Drehmoment von 320 Newtonmetern des Diesels nivelliert den 20-PS-Unterschied zum Benziner.

Diesel arbeitet jetzt ruhiger

Wer mit dem 6-Gang-Schaltgetriebe unterwegs ist, wird sich über die präzise und leichtgängige Schaltung freuen. Das Lenkrad vermittelt guten Kontakt zur Straße und Antriebseinflüsse an der Lenkung sind praktisch nicht spürbar. Da Volkswagen sich bekanntlich vom Pumpe-Düse-Motor verabschiedet, fällt der Selbstzünder auch nicht mehr durch eine knurrige Gangart auf. Das Common-Rail-Aggregat geht vergleichsweise ruhig zu Werke. Während die beiden Vierzylinder bei ersten Probefahrten boten, was im Rahmen ihrer Möglichkeiten liegt, fehlte es dem V6 etwas an Überzeugungskraft.

Weder wurde der krasse Leistungsunterschied mit energischer Spurtstärke untermauert, noch wurde die einsetzende Schubkraft von einer souveränen Motormelodie begleitet. Das angestrengte Schnarren des Direkteinspritzers im höheren Drehzahlbereich kann wohl kaum der Weisheit letzter Schluss bei einem Fahrzeug sein, das in der oberen Mittelklasse für Unruhe sorgen will. Positiv hervorzuheben ist am Spitzenmodell, dass es serienmäßig mit Allradantrieb (das mag man in Amerika), mit dem sauber arbeitenden Sechsgang-Direktschaltgetriebe und einer adaptiven Fahrwerksregelung daherkommt.

Die beiden Vierzylinder sollen auf der Normstrecke im Schnitt mit 5,8 Liter Diesel bzw. 7,6 Liter Super auskommen, der V6 wird mit 10,1 Litern je 100 Kilometer angegeben.

Schon mit dem Öffnen der Türen wird eine Eleganzbotschaft vermittelt, denn die rahmenlosen Scheiben fahren elektrisch eine Idee herunter, um sich nach dem Schließen wieder hörbar unter die Dichtungslippe zu strecken. Elegant, fast mondän auch die Einfassung der Mittelkonsole, die in gebrüstetem Alu zu haben ist, und das wohnliche Ambiente schmückt. Schick, aber nicht immer ganz praktisch ist die breite Chromumrandung des Schalthebels. Bei Sonneneinstrahlung von vorn oder von der Seite kann sie zu störenden Reflexen im Auge des Fahrers führen.

Genügend Kopffreiheit im Fond

Die Sitze sind dank ihrer ausgeprägten Seitenwülste sehr bequem und auch stabil genug, um sich an die dynamischen Qualitäten des CC heran zu tasten. Obwohl sich das Dach in flachem Bogen über die Passagiere streckt, ist sowohl vorn als auch im Fond genügend Platz über den Scheitel. Erstaunlich, wie viel Ausstattung Volkswagen seinen Kunden schon in Serie gönnen will: Im Einstiegspreis von 30.800 Euro sind außer Alurädern und Klimaanlage auch ESP und automatische Fahrlichtschaltung enthalten.

Ansonsten wird aber nicht von der üblichen Praxis abgewichen, eine umfangreiche Liste an Sonderausstattungen zu präsentieren, in der auch die technische Neuheit eines Spurassistenten enthalten ist. Mit 515 Euro ist die Fähigkeit des Autos zur selbstständigen Richtungskorrektur zu vergüten, die sehr originell unter dem VW-Logo verborgene Rückfahrkamera kostet 365 Euro extra. Erwerben kann sie aber nur, wer vorher schon mindestens 935 Euro für das Radiosystem RCD 510 ausgegeben hat.

Wer sich von der eleganten Karosserieform in den Autosalon hat locken lassen, wird womöglich auch die Zusatzkosten bereitwillig schlucken, scheint doch so ein CC auf verblüffende Weise familiäre Erfordernisse zu erfüllen: Papis Sehnsucht nach einem schicken Coupé ebenso wie Muttis Bedürfnis nach Transportmöglichkeiten für die beiden Kinder.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen