Praxistest

Mercedes CLS gegen Passat CC Duell der Business-Coups

Sie gelten als Insignien des sozialen Aufstiegs: Wer von seinem Chef einen Dienstwagen bekommt, muss zwar einen so genannten "geldwerten Vorteil" versteuern, kann mit dem Fahrzeug dann aber auch private Beförderungsprobleme lösen. Doch wer empor taucht aus der Masse der gewöhnlichen Beschäftigten, sieht sich mitunter neuen Zwängen zur Uniformität ausgesetzt. Die Grenzen der möglichen Marken und Modelle sind eng gesteckt.

Zwei Klassiker unter den Firmenlimousinen sind die E-Klasse von Mercedes und der Passat von Volkswagen - beides Fahrzeuge mit begrenztem Aufreger-Potenzial. Für den Reisenden in Sachen Herren-Untertrikotagen mag ein Viertürer mit Schlaftabletten-Image noch hinnehmbar sein, was aber bleibt dem frisch ernannten Creative-Director einer Lifestyle-Agentur? Den Beruf wechseln?

Dank des Gespürs deutscher Autoproduzenten für derlei Misslichkeiten gibt es Alternativen. Der Stern aus Stuttgart schillerte selten so elegant wie 2004, als mit dem Modell CLS ein hinreißender Viertürer das elektrische Licht der Autosalons erblickte. Fast gleichzeitig mit der optischen Auffrischung des Modells in diesem Jahr erschien der Passat CC auf der Bildfläche. Das Alleinstellungsmerkmal des CLS ist aber schon länger dahin, selbst Ford und Opel haben jetzt Viertürer im Programm, deren abgeflachte Dachform Sportlichkeit suggeriert. Auch Audi will bald mitmischen: der A7 ist für Mitte 2009 avisiert.

Allrad gegen Heckantrieb

Außer mit den üblichen Vierzylinder-Benzin- und Dieselmotoren gibt es den Passat CC noch mit einem 300 PS starken V6-Motor. Das ist ein Angriff auf potenzielle Mercedes-Klientel. Obendrein ist dieser Passat noch mit vier angetriebenen Rädern ausgestattet. Ist es fair, ein Allradfahrzeug mit einem Hecktriebler wie dem CLS zu vergleichen? Ja, das darf man, vor allem, wenn der eine der arrivierte Klassen-Champion und der andere der Herausforderer ist. Wer dringend sechs Zylinder mit Direkteinspritzung fahren will, hat ohnehin keine Wahl - den Passat gibt es nur mit 4-Motion, den Benz nur ohne 4-Matic.

Fast genau so viel Leistung wie der "große" CC hat der vergleichbare CLS. Wer mehr als 292 PS für die Wahrung der Firmenhierarchie braucht, kann bei Mercedes noch Achtzylinder fahren. Stärkstes Argument für den Mercedes ist sein Motor. Der 3,5 Liter große V6 ist ein Vorbild an Laufruhe. Im Stand kaum hörbar ist er auch unter Last stets souverän und kultiviert. Für sein etwas höheres Drehmoment gegenüber dem Passat (365 : 350 Newtonmeter) braucht er auch etwas mehr Drehzahl als der VW.

Passat schluckt mehr

Dass beide im Testbetrieb ihre offiziellen Verbrauchswerte verfehlten, ist nicht weiter überraschend. Autobahnpassagen jenseits 200 km/h sind nach EU-Norm nicht vorgesehen. Mit 11,1 Litern je 100 Kilometer schnitt der Mercedes aber um 1,1 Liter besser ab als der Volkswagen. Angesichts vergleichbarer Streckenprofile in diesem Test dürften die Ursachen im Allradantrieb und dem geringfügig größeren Hubraum des Passat zu suchen sein.

Dank des um rund 180 Kilogramm geringeren Gewichts und seiner allradbedingten Traktionsvorteile sprintet der Passat um eine gute Sekunde schneller von Null auf hundert und hinterlässt bei Zwischenspurts den agileren Eindruck. Weil dem Benz die Antriebs-Entlastung durch die Vorderachse fehlt, ist sein ESP in feuchten Kurven leichter in den Regelbereich zu bringen.

Hohes Tempo wird im Mercedes entspannter erlebt als im VW. Das hat mit der Geräuschkulisse zu tun und auch mit der Fahrwerksabstimmung, die beim Passat selbst in der Stellung "Comfort" spürbar straffer ist. Dafür muss man in Kauf nehmen, dass der Mercedes in schnellen Kurven zu etwas mehr zur Seitenneigung tendiert. Beide Autos werden ausschließlich mit automatischem Getriebe ausgeliefert. Mercedes setzt auf die bewährte 7-G-Tronic, deren Schaltkomfort bereits legendär ist. Die Fahrer des Passat CC müssen sich mit einem sechsstufigen Direktschaltbetriebe begnügen, das zwar fast unterbrechungsfreie Zugkraft garantiert, sich aber nicht ganz so samtig anfühlt.

Mercedes perfekt durchgestylt

Wer einen Platzhirsch aus dem Revier werfen will, kommt dort, wo der andere Schwächen zeigt, am schnellsten ans Ziel. Leichter gedacht als getan, denn die objektiv messbaren Unterschiede in Platz- und Komfortangebot der beiden Kontrahenten sind gering. Bei den fürs Wohlbefinden an Bord verantwortlichen Parametern gibt es nur wenige Zentimeter Differenz. Kopf- und Beinfreiheit hinten zum Beispiel sprechen für den Passat.

Trotz der reichlichen Verwendung von Holz, Metall und Leder im Innenraum - beim Testwagen mit "Nussbaum-Wurzel" und "Alu gebürstet" bezeichnet und mit zusammen 2600 Euro extra berechnet - kann der VW diesen Punktevorsprung nicht halten. Das Design ist edel, lässt aber kein harmonisches Gesamtkonzept erkennen. Die mit rotem Licht unterlegten Bedienelemente wirken eher aufdringlich als luxuriös. Der Benz präsentiert sich seinen Insassen dagegen perfekt durchgestylt. Sanfte Bögen umspannen den Fahrer, das stumpf geschliffene Holz passt perfekt zum basaltgrauen Leder - das allerdings auch mit 3320 Euro extra zu Buche schlägt.


Kostenfaktoren wie Lederausstattung oder Metalliclack (beim Passat 530, beim Benz 880 Euro) können ein Dienstwagenprojekt schnell einbremsen. Vor allem dann, wenn bei den möglichen Alternativen ein erheblicher Unterschied im Grundpreis besteht. Sieht man die 51.600 Euro, die Mercedes für den CLS 350 CGI verlangt, als gerechtfertigt an, dann muss einem der Passat-Preis von 33.048 als aggressive Kampfansage erscheinen. Die Umsatzsteuer, die jeder Firmenbuchhalter naturgemäß gesondert betrachtet, ist in diesen Werten selbstverständlich noch nicht berücksichtigt. So dominiert, angesichts allgemeiner Sparzwänge, die rationale Perspektive über die emotionale. Der Mercedes ist zwar das schickere Auto, der Passat bietet aber mehr fürs Geld.

Quelle: ntv.de

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