Praxistest

Kleiner Italiener ganz groß Fiat 500 L mit Terror-Motörchen

Der Fiat 500 L hat viele Eigenschaften des 500 übernommen, ist aber  im Außen- und Innendesign ein eigenständiges Fahrzeug geworden.

Der Fiat 500 L hat viele Eigenschaften des 500 übernommen, ist aber im Außen- und Innendesign ein eigenständiges Fahrzeug geworden.

(Foto: Holger Preiss)

Der Fiat 500 ist ein Bestseller. In seinem Retrokleidchen hat er die Herzen erobert. Die Italiener wollen daraus nun Kapital schlagen und erweitern die Familie Schritt für Schritt. Eine der Spielarten ist der gestreckte 500 L. Der Minivan überrascht mit viel Platz und Farbe und mit einem fragwürdigen Motörchen.

Trotz neuer Größe ist der 500 L auch von hinten ein knuffiges Kerlchen.

Trotz neuer Größe ist der 500 L auch von hinten ein knuffiges Kerlchen.

(Foto: Holger Preiss)

Als die Italiener sich 2007 mit dem Fiat 500 auf die Retrowelle schwangen, hatte keiner damit gerechnet, dass die kleine Knutschkugel zu einem solchen Volltreffer wird. Seit Jahren ist der Kleine in den Hitlisten der Käufer ganz vorn. Im vergangenen Jahr verkaufte Fiat 20.018 Retrozwerge in Deutschland und musste sich somit nur dem Renault Twingo und dem Mini in seinem Segment geschlagen geben. Aber ähnlich wie der Bayer, der unter englischer Fahne fährt, hat Fiat seine 500er-Familie konsequent aufgestockt. Wer also mehr Raum bei gleichem knuddeligem Design sucht, muss sich nicht weiter bei anderen Herstellern umsehen, sondern greift einfach eine Regaleinheit höher zu und schnappt sich den Fiat 500 L.

Praktisch und cool

Poppig bunt geht es im Innenraum zu. Vor allem junge Käufer wollen die Italiener ansprechen.

Poppig bunt geht es im Innenraum zu. Vor allem junge Käufer wollen die Italiener ansprechen.

(Foto: Holger Preiss)

Wie sein kleiner Bruder verbindet der gestreckte 500 das Praktische mit dem Coolen. Das heißt nichts weiter, als dass der große Italiener viele Eigenschaften der Kultkugel übernommen hat. Absolut vorzeigbare Optik, die nicht minder knuffig wirkt als die des 500 und eine ganze Latte von Individualisierungsmöglichkeiten. Allein bei den Farben kann aus 333 Kombinationen gewählt werden. Der Testwagen glänzt in "Gelato", einer Kombination aus Weiß und Schwarz und gibt der rollenden Eistüte tatsächlich einen coolen Touch, kostet allerdings auch 900 Euro extra. Im Innenraum überzeugt der 500 L mit pfiffigen Farbkombinationen in Rot, Grau und Schwarz. Die schwarze Armatur wird von einer roten Stoffkombination gerahmt, und selbst das Lederlenkrad mit Multifunktionstasten ist in Rot-Schwarz geteilt. Die Sitze und die Türinnenverkleidungen erhellen den Innenraum durch eine Kombi in Grau-Rot.

Der Stoff, mit dem das Mobiliar bezogen ist, nennt sich Technosilk. Sieht schick aus und gibt dem Italiener mit Familienattitüde etwas Jugendlich-Freches. Hat aber auch so seine Tücken. Zum einen ist er sehr glatt, was im Zusammenspiel mit den etwas zu kurzen und an den Seitenwangen deutlich zu weichen Sitzen dafür sorgt, dass man in sehr flott gefahrenen Kurven droht, vom Gestühl zu rutschen. Zum anderen ist das helle Grau sehr schmutzempfindlich. Ähnliches steht beim Stoffbezug auf der Armatur zu befürchten. Da diese Individualisierung aber nur eine von 1500 Möglichkeiten ist, kann sich der 500-L-Interessent natürlich auch ein anderes Interieur zusammenbasteln.

Raum für alles

343 Liter fasst der Kofferraum. Ist die Rückbank umgelegt, wächst das Gepäckabteil auf 1310 Liter.

343 Liter fasst der Kofferraum. Ist die Rückbank umgelegt, wächst das Gepäckabteil auf 1310 Liter.

(Foto: Holger Preiss)

Dafür wartet der Minivan im Innenraum mit 22 Ablagemöglichkeiten auf, die so gut wie jeden Kleinkram verschwinden lassen. Da gibt es oberhalb des Handschuhfachs eine Ablage und ein weiteres verschließbares Fach. Zwei Becherhalter vor dem Ganghebel nehmen auch größere Flaschen auf und an den Rückseiten der Vordersitze sind Plastikverkleidungen angebracht, an deren oberen Ende ebenfalls ein kleines Fach ist und die zudem verhindern, dass die beinebaumelnden Rückbankbesetzer ihre schmutzigen Schuhe in die Polster bohren. Schön auch, dass sich der Beifahrersitz nach vorn umlegen lässt, so dass sich in Kombination mit der im Verhältnis 40/60 umlegbaren Rückbank eine fast plane Fläche entsteht, die auch ein Billy-Regal im Italiener verschwinden lässt. Mit 343 Litern ist das Gepäckabteil nicht wirklich üppig, aber wer die Wege nach vorn freimacht, vor dem erstreckt sich immerhin ein Raum, der 1310 Liter fasst.

Apropos Raum: Die Rückbank kann im italienischen Kompaktvan nicht nur umgelegt, sondern auch komplett nach vorn gerollt werden. So ist es möglich, auch höhere Transportstücke einfach hinter den Vordersitzen zu verstauen. Allerdings muss bei aller Pfiffigkeit und Multifunktion der Sitzeinheiten bemängelt werden, dass die Bank doch sehr schmal geschnitten ist. Etwas mehr Oberschenkelauflage wäre der allgemeinen Bequemlichkeit sehr zuträglich.

Die Rückbank kann auch in Gänze nach vorn geklappt werden.

Die Rückbank kann auch in Gänze nach vorn geklappt werden.

(Foto: Holger Preiss)

Deutlich verbessert hat sich im Fiat 500 L die Verarbeitung. Das straff abgestimmte Fahrwerk macht den Italiener nicht zum Kurvenjäger, dafür taucht er in schnell gefahrene Kehren zu tief ab. Er rollt aber sauber über Unebenheiten, lässt die Beschaffenheit der Straße draußen und selbst auf holprigem Kopfsteinpflaster klappert nichts. Auch die diversen Tasten und die Druckdrehsteller der Zweizonenklimaautomatik wackeln und zappeln nicht. Der breite Griff der Handbremse ist ebenso Gewöhnungssache wie der dicke Kopf der Gangschaltung. Für Frauen und Männer, die gerne richtig was in der Hand haben, würde man es griffig nennen, andere könnten klagen, dass es zu klobig sei. Das bleibt aber Geschmackssache und ist an dieser Stelle kein wirklicher Kritikpunkt. Anders ist es mit dem Triebwerk.

Fiat zeigt die Grenze des Downsizings

Im Downsizing-"Wahn" haben die Italiener ein Motörchen erschaffen, das dem Ton nach eine Rennmaschine ist, sich nach einigen hundert Kilometern aber als etwas schwachbrüstig und noch dazu extrem durstig darstellt. Dabei sprechen die technischen Daten des Zweizylinders mit Hochleistungsturbo eine ganz andere Sprache. Aus den lediglich 875 Kubikzentimetern Hubraum kitzeln die Italiener 105 PS. Von null auf 100 km/h beschleunigt die Kampfmaschine in 12,3 Sekunden und 80 Prozent des maximalen Drehmoments von 145 Newtonmetern sollen bereits bei 1700 Umdrehungen anliegen. Zu lesen steht auch, dass dieses kleine Monster lediglich 4,7 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen soll. Das kann so leider nicht bestätigt werden.

Der 0,9-Liter-Zweizylinder-Turbobenziner leistet 105 PS. Die zu kitzeln hat aber auch seinen Preis.

Der 0,9-Liter-Zweizylinder-Turbobenziner leistet 105 PS. Die zu kitzeln hat aber auch seinen Preis.

(Foto: Holger Preiss)

Wer den vor allem für die Stadt als dynamisch und spritzig positionierten L genauso vorantreiben will, darf mit dem Druck aufs Gaspedal nicht geizen und muss die sauber arbeitende Sechsgangschaltung fleißig rühren. Dann spritzt der Italiener tatsächlich flott voran, macht aber aus seiner Arbeit keinen Hehl. Ein Freund meinte frech: "Dein Bolide hört sich an wie eine kranke Spülmaschine." Das ist natürlich gemein und ungerecht, aber tatsächlich knurrt das Triebwerkchen so laut, dass man Angst hat, Passanten und andere Autofahrer zu erschrecken. Hinzu kommt, dass die Geräuschkulisse die Insassen mit der Zeit nervt.

Versucht man die Geräuschkulisse zu minimieren, kommt der Wagen nicht mehr aus den Puschen. Überholmanöver werden zum Vabanquespiel und letztlich entscheidet man sich dann doch für die rechte Spur, fließt unauffällig im Verkehr mit und versucht durch die Schaltvorgaben den Verbrauch zu minimieren. Leider gelingt auch das nicht. Trotz vorsichtigster Fahrweise mit gedrückter Eco-Taste zog der Minimotor auf 100 Kilometern, vorrangig im Stadtverkehr, fast 8 Liter aus dem Tank. Erschwerend kam hinzu, dass die Start-Stopp-Automatik ihre Arbeit nur nach Lust und Laune verrichtete. War sie auf der Fahrt in die Redaktion voll bei der Sache, verweigerte sie auf dem Rückweg aus unerfindlichen Gründen ihre Dienste. Aber gehen wir mal davon aus, dass es sich hierbei um ein technisches Problem handelt, das ein Besuch in der Werkstatt schnell beheben kann.

Viel fürs Geld

Insgesamt bietet der Fiat 500 L nämlich für einen Preis von knapp 21.500 Euro einiges. Da sind 16-Zoll-Alufelgen mit 225er Reifen ebenso enthalten wie ein 5-Zoll-Touchscreen-Radio mit Bluetooth-Freisprechanlage, elektrische Fensterheber vorn, eine elektrische Servolenkung mit City-Funktion, eine Berganfahrhilfe sowie ESP und ASR und sechs Airbags. Es gibt auch: elektrisch beheizbare und einstellbare Außenspiegel (150 Euro), ein automatisch abblendender Innenspiegel (150 Euro), Regensensor inklusive automatischer Fahrlichtschaltung (220 Euro), Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer (250 Euro) – wobei der Knopf dafür unglücklich an der Außenseite der Sitze angebracht ist – und für 390 Euro gibt es auch noch eine elektrisch einstellbare Lendenwirbelstützte für die vorderen Plätze.

Fazit: Der Umstand, dass sich der Fiat 500 L seit seiner Markteinführung bereits 38.000 Mal verkauft hat und der Wagen in seiner Heimat 2013 sogar das meistverkaufte Auto in seinem Segment ist, hat seinen Grund. Wer sich aber durch den stylischen Italiener zum Kauf animiert sieht, der sollte auf das Mini-Downsizing-Monster verzichten und eher die beiden Diesel mit 85 PS oder 105 PS ins Auge fassen. Zum einen lassen diese Triebwerke auch längere Strecken zu, zum anderen dürfte der Verbrauch wesentlich kommoder ausfallen. In Fragen Platz und Ausstattung bleiben, bei entsprechender Zuzahlung, dann kaum Wünsche offen.

DATENBLATTFiat 500 L 0.9 TwinAir 8V
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,15/ 1,78/ 1,66 m
Radstand2,61 m
Leergewicht (DIN)1320 kg
Sitzplätze5
Kofferraumvolumen343 / 1310 Liter
MotorZweizylinder-Turbobenziner, mit 875 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang Handschaltung
Leistung105 PS (77 kW)
KraftstoffartBenzin
AntriebFrontantrieb
Höchstgeschwindigkeit180 km/h
max. Drehmoment145 Nm bei 1700 - 5500 U/min
Tankinhalt50 l
 Beschleunigung 0-100 km/h12,3 s
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert)4,3  l / 5,7 l / 4,8 l
Testverbrauch7,9 l
CO2-Emissionen
(Normverbrauch)
112 g/km
Grundpreis19.100 Euro
Preis des Testwagens20.980 Euro

 

Quelle: ntv.de

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