550 PS, 300 km/h, 170.000 Euro Ford reanimiert eine Legende
02.09.2004, 09:55 UhrVon Axel F. Busse
Mit dem Super-Sportwagen Ford GT ist dem amerikanischen Konzern nicht nur der Anschluss an die eigene Rennsport-Tradition, sondern auch der Vorstoß in die exklusive Welt der 300 km/h-Straßenautos gelungen. Ein Fahrbericht aus einer anderen Autowelt.
Das Auto hat alles, was einen Supersportwagen ausmacht – und davon reichlich: 550 PS, Drehmoment ohne Ende und schon im Stand sieht es gefährlich schnell aus. Aber es hat noch etwas, was andere nicht haben: Geschichte. Es ist die Geschichte von Henry Ford II, seinem gescheiterten Versuch, Ferrari zu übernehmen und seiner Rache an den roten Rennern, in dem sein Auto in Le Mans alles in Grund und Boden fuhr.
Der Ford GT 40 wurde zur Legende, weil er 1966 aus dem Stand heraus die Vorherrschaft der Ferraris beim 24-Stunden-Rennen brach. Der neue GT, den wenige betuchte Deutsche ab Februar 2005 ihr eigen nennen dürfen, ist sein legitimer Nachfahre. Optisch bis ins Detail dem historischen Vorbild nachempfunden, ist er ein als Mythos verkleidetes hochmodernes Sportgerät. Der amerikanischste aller Motoren, ein 5,4-Liter großes V8-Triebwerk, peitscht den Boliden in weniger als vier Sekunden von Null auf hundert und begnügt sich dabei – im Gegensatz zu den oktansüchtigen Kraftquellen der Konkurrenz - mit Normalbenzin.
Zwar hat der neue GT gegenüber seinem Urahn ein bisschen an Körperfülle zugelegt, aber die Proportionen stimmen haargenau. Die weit ins Dach hinein gezogenen Türausschnitte weiß der Fahrer von heute ebenso zu schätzen wie der Pilot im Renneinsatz vor fast 40 Jahren, denn das Auto ist nur geringfügig höher als die 40 Zoll (1,01 Meter) des historischen Vorbilds. In einer tiefen, mit Leder ausgeschlagenen Mulde aus Kohlefaser fühlt sich der Fahrer geborgen und den Herausforderungen der Straße gewachsen, vor sich eine Klaviatur aus 60er-Jahre-Kippschaltern und neben sich ein mächtiger Mitteltunnel, aus dem der fast Tennisballgroße Schaltknauf ragt.
Mit beinahe 680 Nm schon bei 3.250 Umdrehungen drückt es den Fahrer in die Schale und den GT aus dem Stand. Solch ein Drehmoment würde manchem Lastwagen zur Ehre gereichen. Brachial stürmt der GT vorwärts. Einen Gang und eine Kurve später zeigt der fast mittig im Cockpit sitzende Tacho die Zahl 70. Kein Grund zur Unruhe also. Nach wenigen Sekunden bebt die Legende bei 160 schon dem sechsten Gang entgegen. Halt mal, das sind gar keine Stundenkilometer. „MPH“ steht auf dem Tacho, Meilen also. Aber auch die knapp 260 km/h vermitteln nicht den Eindruck, als ob an der nächsten Kehre der Grenzbereich lauert. Satt und sicher klebt der GT auf der Straße.
Erstaunlich leicht beherrschbar erweist sich der Prototyp, der jetzt erstmals auf deutscher Piste bewegt werden konnte. Dank ausgewogener Gewichtsverteilung und 315er-Walzen hinten bleibt er auch ohne Traktionshilfe und ESP sauber in der Spur. Beherzte Lenkmanöver quittiert der nur 1.580 kg schwere Kraftsportler mit präzisem Spurwechsel. Sogar die Geräuschentwicklung bleibt erträglich, obwohl die von einem Kompressor zwangsbeatmeten Zylinder kaum einen halben Meter hinter dem Nacken des Fahrers ihr furioses PS-Feuerwerk abbrennen.
Bis er auf öffentlichem Asphalt bewegt werden kann, sind noch Modifizierungen an der Technik nötig. GT-Puristen sehen das nicht ohne Sorge: Wird die vorgeschriebene Leuchtweitenregulierung das „Gesicht“ des Fahrzeugs verändern? Werden klappbare Seitenspiegel die klassische Linienführung stören? Und wenn das Vorhandensein eines Kofferraums Kriterium für die TÜV-Abnahme wäre, könnte der GT überhaupt nicht zugelassen werden.
In seiner Leistungsklasse ist der Schwerathlet mit einem Preis von 170.000 Euro sogar ein Schnäppchen. Für die Wettbewerber von Porsche, Ferrari oder Lamborghini muss man deutlich mehr anlegen. Wer das Geld flüssig hat, kann das Scheckbuch trotzdem stecken lassen: Die 14 für Deutschland vorgesehenen Exemplare sind schon verkauft. Der rollende Mythos eignet sich auch als Geldanlage. Der ehemalige Microsoft-Manager John Shirley war bereit, bei einer Auktion 557.500 Dollar für einen GT hinzulegen – noch bevor das erste Auto überhaupt gebaut war.
Quelle: ntv.de