Lancias neuer Delta Italienische Momente
18.12.2008, 09:22 Uhr
Markante Front: Mit LED-Tagfahrlicht und auffälligem Kühlergrill macht der Lancia Delta optisch was her.
Nicht weniger als eine neue Klasse soll er schaffen, der neue Lancia Delta. Zwischen BMWs Dreier und dem VW Golf will Lancia-Vorstand Oliver Francois den Newcomer positioniert sehen. Er soll "den Unterschied machen", die neue "Markenidentität" bilden. Kein geringer Anspruch, wo doch die Märkte rückläufig sind, und der Delta auf einem deutschen Markt antritt, wo Lancia in der jüngeren Vergangenheit nicht gerade vom Erfolg verwöhnt wurde. Dementsprechend wortreich pries Francois den neuen Delta bereits im Sommer an. In einem einstündigen Vortrag beschrieb er alle Raffinessen des Autos, vom Spurhalteassistenten mit Lenkeingriff über das Tagfahrlicht bis zur Windows-Mobile-fähigen Multimedia-Anlage namens "Blue&Me". Reichlich Gründe also, den italienischen Neuling mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Einen Lancia zu fahren stand schon immer für das etwas andere Lebensgefühl, italienisch eben. War Alfa Romeo die High Society, dann war Lancia was für Insider, für Kenner. Doch in den vergangenen Jahren war es verdächtig ruhig um die Marke aus Turin geworden. Mit dem Thesis und dem Musa stehen zwei schrecklich vernünftige Autos in den Annalen seit 2000. Der Ypsilon verkauft sich zwar noch am besten, aber aufregend ist auch was anderes. Zeit für etwas Neues, etwas Gewagtes also. Zumal die Premiere des Minivans Musa jetzt auch schon vier Jahre zurückliegt. Letzterer ist allerdings mit 1.370 verkauften Exemplaren von Januar bis November immer noch der meistveräußerte Lancia. Doch der Delta ist im vergangenen Monat alleine 241 Mal an die Frau oder den Mann gegangen und bläst mit 762 Einheiten im bisherigen Jahr schwer zum Angriff.
Delta steht für Emotion und Sport
Also scheint er schon beim Kunden anzukommen. Kein Wunder, denn er bringt einen guten Namen mit sich. Delta, das klingt nach Rallye-Erfolg, spritzendem Schotter, nach Ecken und Kanten. Der Urahn, Delta HF integrale, war ein astreiner Klon aus dem Rallyesport. Als er 1979 auf der IAA sich erstmals der Öffentlichkeit präsentierte, brachte er mit Camuffo-Achse, Einzelradaufhängung und einer üppigen Ausstattung bereits einige technische Delikatessen mit. Richtig groß wurde der Name Delta jedoch durch den Rallyesport. Dort holte er von 1986 bis 1992 etliche Titel. Alleine vier Marken-Weltmeisterschaften wurden von 1987 bis 1991 eingefahren. Als Version S4 wurde das Auto als "Gruppe-B-Monster" berühmt. Mit 650 PS bei rund 800 Kilo Gewicht war das Auto kaum zu bändigen.
Doch der Delta von 2008 hat mit dem Ur-Vater aus den achtziger Jahren nur noch das Namensschild gemeinsam. Die Ecken sind weichen Konturen und schwungvollen Linien gewichen. Keine Spur vom Retro-Design. Das heißt allerdings nicht, dass der Neue nicht mit seinem Äußeren zu betören weiß. Wie könnte es auch anders sein bei einem Auto mit ur-italienischem Charakter? Die Linienführung ist schwungvoll und extravagant. "Flying Bridge" nennt sich das Dach. In natura sorgt der Delta für interessierte Blicke an der Ampel. Das mag auch an der Bi-Color-Lackierung unseres Testwagens liegen, die sich äußerst schmuck macht.

Der downgesizte 1,6-Liter-Diesel ist durchaus genügsam.
Ordentlich Durchzug
Die LED-Lampen vorne verleihen der Fahrzeugfront einen aggressiven Blick. Daran scheiden sich allerdings die Geister, denn bei einigen weiblichen Redaktionsmitgliedern wurde der "böse Blick" als "zu aggressiv" bezeichnet. Unter der männlichen Belegschaft kam die Untermalung der Scheinwerfer mit LED-Leuchtdioden besser an. Verleiht sie doch der Front mit dem weit nach unten gezogenen Kühlergrill eine sehr dynamische Apartheit. Eine gewisse Ähnlichkeit mit einem aufgerissenen Maul ist nicht von der Hand zu weisen und ist eben Geschmackssache. Mehrheitlich fand er jedoch Gefallen.

Das Mulitmedia-System macht Freude.
Die Motorenpalette reicht vom 1,6-Liter bis zum doppelt aufgeladenen 1,9-Liter-Diesel mit 190 PS. Dazwischen gibt es noch einen Zweiliter-Selbstzünder mit 165 PS. Die Benziner beschränken sich derzeit noch auf 1,4-Liter-Motoren mit 120 oder 150 PS. Der 1,6-Liter-Multijet-Diesel aus dem Fiat-Regal, der in unserem Testwagen werkelte, ist für das Auto eine sehr gute Motorisierung. Trotz eines spürbaren Turbolochs lässt sich der Delta damit agil durch den Stadtverkehr zirkeln und kann auch auf Landstraße und Autobahn souverän seine Bahnen ziehen. Er bietet 120 PS (88 kW) und ein Drehmoment von 300 Newtonmeter, das schon bei 1500 Umdrehungen pro Minute anliegt.
Viel Platz im Innern

Im Innenraum zeigt sich der Delta großzügig.
194 Kilometer pro Stunde sind damit maximal drin und 130 Gramm CO2 entlässt der Selbstzünder in die Umwelt. Euro-Norm 5 und serienmäßiger Rußpartikelfilter verschaffen ein ruhiges Gewissen. Durch den leichten Motor ist er allerdings auch schnell dabei, mal die Reifen durchdrehen zu lassen. Dabei bleibt er im Verbrauch genügsam. Im Stadtverkehr genehmigte er sich im Test moderate 8,8 Liter und im Test-Durchschnitt genügten 7,2 Liter. Das sind zwar nicht ganz die versprochenen 4,9 Liter auf 100 Kilometer, aber dennoch ein ordentlicher Wert für ein Auto dieser Größe.
Womit wir bei den Abmessungen wären. Da zeigt sich der Delta nur zwei Zentimeter kürzer als der 3er von BMW. Mit einer Länge von 4,52 Meter ist er allerdings deutlich länger als die direkten Konkurrenten Audi A3 und der BMW Einser-Reihe. Das macht sich im Innenraum bemerkbar, wo vorne und hinten reichlich Beinfreiheit herrscht. Das ermöglicht auch ein Radstand von 2,70 Meter. Lediglich im Fond müssen großgewachsene Menschen etwas den Kopf einziehen. Die Dachkonstruktion namens "Flying Bridge" drückt dort etwas aufs Haupt. Dank seiner Größe kann der Lancia Delta auch kräftig zuladen. 452 Kilogramm dürfen in den 1190 Liter großen Kofferraum. Leider ist die Ladekante einen Tick zu hoch, was dem sonst sehr familienfreundlichen Auto als kleiner Makel anhaftet. Design geht eben vor.

Alles in allem weiß der Lancia Delta durchaus zu überzeugen.
Gelungenes Cockpit, aber zu wenig Seitenführung
Im Innenraum lässt sich der Delta wenig zuschulden kommen. Wertigkeit bestimmt den Eindruck. Die Sitze in Leder und Alcantara machen Spaß sind sehr bequem. Allerdings haben sie für eine flottere Gangart zu wenig Seitenführung und die Auflagefläche ist ein Stück zu kurz. Im Cockpit findet man sich schnell zurecht. Die beiden Rundinstrumente sind übersichtlich und der in der Mitte platzierte, informative Bordcomputer ist über einen Hebel gut zu bedienen. Die Verarbeitung ist gut und bietet so gut wie keinen Anlass zur Kritik.
Spaß macht auch das Multimedia-System "Blue&Me", das sich über eine breite Konsole in der Mitte und Multifunktionstasten am Lenkrad bedienen lässt, bietet in Kombination mit den sechs Boxen und vier mal 30 Watt Leistung ein vernünftiges Klangerlebnis. Allerdings ist die Bedienung über sechs verschiedene Tasten etwas kompliziert und man wünscht sich doch etwas Komfortableres. Zumal der Knopf in der Mitte an multifunktionelle Produkte der Konkurrenz erinnert und unweigerlich zum drehen animiert. Erfreulich ist hingegen, dass der USB-Anschluss in der Mitte nahezu jeden USB-Stick akzeptiert.
Einstieg bei knapp 20.000 Euro
Kommen schließlich die Kosten. Mit 24.700 Euro Grundpreis steht der Delta in der Ausstattungsvariante Oro und dem 1,6-Liter Dieselmotor zu Buche. Möglich ist der Einstieg in die Delta-Welt schon bei 19.900 Euro, dann aber mit dem 1,4-Liter Benziner. Bei unserem Testwagen kamen als Sonderausstattungen noch das Multimedia-System (350 Euro), die Zweizonen-Klima-Automatik (500 Euro), Parksensoren hinten (370,- Euro), Leder-Alcantara-Sitze (300 Euro) und die Bi-Color-Lackierung (1.150 Euro). Zusammen mit ein paar weiteren Kleinigkeiten lag der Delta bei 28.700 Euro. Das ist nicht billig, aber ebenfalls durchaus angemessen, vergleicht man ihn mit Konkurrenten aus Ingolstadt oder München.
Fazit: Der neue Delta ist ein ordentliches Stück Auto geworden. Er leistet sich nur wenige, nicht ausschlaggebende Schwächen und zeigt sich ganz stylisch und extravagant im Auftritt. Durch sein fesches Äußeres ist er eben was anderes als die "Normalo"-Autos auf unseren Straßen. Vom Preis her braucht er sich nicht zu verstecken, auch wenn er deutlich teurer ist als der Fiat Bravo, mit dem er sich die Plattform teilt. Ein durchaus ansprechendes Angebot also, mit dem gewissen italienischen Extra, das das Leben eben manchmal versüßen kann.
Quelle: ntv.de