Raubkatze auf Samtpfoten Jaguar XJ mit starkem Diesel
11.01.2006, 09:36 UhrEin Jaguar mit einem Dieselmotor? Bis vor wenigen Jahren erschien diese Vorstellung noch genauso absurd wie der versuch, Las Vegas per Fahrraddynamo mit Strom versorgen zu wollen. Doch wer auf dem europäischen, vor allem dem deutschen Markt mit Audi, BMW oder Mercedes konkurrieren will, muss einen Selbstzünder im Angebot haben.
Seit die britische Nobelmarke auch ihr Flaggschiff, die Limousinen der Baureihe XJ mit einem Dieselmotor ausstattet, hat in Stuttgart, München oder Ingolstadt das Grübeln begonnen. Der gemeinsam mit PSA entwickelte V6-Doppelturbo-Motor hat die Benchmark für geräuscharmen und kultivierten Lauf eines Dieselmotors neu definiert.
Klassische Stufenheckform
Das hochmoderne Triebwerk kommt in einer erkennbar betagten Schale daher. Der XJ hat eine Form, für die das Wort "klassisch" erfunden werden könnte, wenn es das nicht schon gäbe. Prinzipien zukunftsorientierten Autodesigns scheinen wirkungslos an der Stufenheck-Karosserie vorbeigegangen zu sein, ein in Fahrtrichtung geneigter Kühlergrill wirkt im Vergleich mit anderen Oberklasse-Kaleschen ebenso obsolet wie der flache und lang gestreckte Kofferraumdeckel. Doch für eine ebenso konservative wie auf Individualität bedachte Kundschaft sind diese Elemente unverzichtbar wie die springende Raubkatze über dem Kühlergrill. Obwohl inzwischen ein Opfer neuer Richtlinien für Fußgängerschutz, kann das Markensymbol auf Wunsch nachgerüstet werden.
Mehr als 12 Jahre nachdem der Diesel bei Mercedes mit dem Modell 300 SD in der Oberklasse Einzug hielt, schickt sich Jaguar nun an, den etablierten Marken Paroli zu bieten. Der Herausforderer tut dies mit Bravour und das nicht nur durch die objektiven Leistungsdaten. Zwar klingen 207 PS nicht nach Übermotorisierung, doch für das kaum mehr als 1.700 Kilogramm schwere Auto ist das mehr als ausreichend. Sagenhafte 435 Newtonmeter schon bei 1.900 Umdrehungen schieben gewaltiger an als der 4,2 Liter V-8-Beziner aus dem gleichen Stall (411 Nm). Und die Leistungsentfaltung geht dabei so souverän und kultiviert von statten, dass es eine wahre Pracht ist.
Zu den messbaren Qualitäten gehört natürlich vor allem die Schallentwicklung, und da kann die Katze mit Stolz den Hals recken: Mit einem Standgeräusch von 72 Dezibel (TÜV-Messungen) distanziert der Jaguar deutlich die Verfolger, wovon der VW Phaeton mit 76 dB (A) und der Audi 8 (78 dB, jeweils mit 3.0-TDI-Motor) noch die ruhigsten sind. Mercedes und BMW folgen mit deutlichem Abstand. Auch während der Fahrt sieht es nicht anders aus. Auch dort ist die britische Raubkatze wie auf Samtpfoten unterwegs und setzt mit 68 dB(A) die Bestmarke im Diesel-Premiumsegment. Volkswagen (69), BMW (70), Audi und Mercedes-Benz (je 73) können da im Wortsinne nur aufhorchen.
Konkurrenzlose Laufruhe
Für diese konkurrenzlose Laufruhe des Jaguar ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Geräusch- und Vibrationsdämmung verantwortlich. Wichtigster Bestandteil ist das elektronisch gesteuerte, aktive Motorlager, das laut Hersteller bis zu 90 Prozent der Leerlaufvibrationen absorbieren soll. Schallsschluckelemente wurden darüber hinaus an Instrumententräger, Motorraum, Antriebstunnel, Motorhaube und am Unterboden installiert. Der Innengeräuschpegel wird außerdem durch das neue Schallschutz-Verbundglas gesenkt, dessen Sandwich-Konstruktion rundum Verwendung fand.
Unnötig zu erwähnen, dass die Qualität der Fortbewegung im Jaguar XJ, zumal in der getesteten "Executive"-Ausstattung, höchsten Anforderungen genügt. Das opulente Raumgefühl lässt sich durch die Bestellung der um zwölf Zentimeter längeren Sovereign-Variante noch vergrößern. Beim (fast) lautlosen Dahingleiten, butterweich geschaltet von einer geschmeidigen Sechsgang-Automatik und beschallt aus einer CD-Audio-Anlage mit acht Lautsprechern, könnte man glatt vergessen, auch mal auf die Tankanzeige zu schauen. Das kann man tatsächlich, denn außer der beschriebenen samtigen Laufruhe ist der Motor auch noch äußerst genügsam. Auf den rund 2.000-Testkilometern (mit etwa zwei Drittel Autobahnanteil) konsumierte der Sechszylinder nicht mehr als 7,6 Liter Diesel auf 100 Kilometer.
Die Eintrittskarte in die stille Welt des XJD-Fahrens kostet mindestens 61.100 Euro, als "Executive" 1.350 Euro mehr. Das ist nicht eben wenig. Doch der Preis relativiert sich angesichts des hohen Ausstattungsniveaus und Fahrkomforts, des bescheidenen Verbrauchs und nicht zuletzt angesichts der Preise der Wettbewerber.
Axel F. Busse
Technische Daten:
Länge/Breite/Höhe: 5090/2108/1448 mm
V6-Zylinder-Diselmotormit 2 Turboladern
Leistung/Drehzahl: 152 kW/207 PS bei 4000 U/min
Max. Drehmoment: 435 Nm bei 1900 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h: 8,2 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 225 km/h
Leegewicht: 1727 Kg
Zuladung: 556 kg
Tankinhalt: 85 Liter
Serienausstattung "Executive": Alufelgen 8x18, Tempomat, Park-, Licht- und Regensensor, Reifendruckkontrolle, 2-Zonen-Klimaautomatik, Lederpolster mit Sitzheizung u. Memoryfunktion, elektrisch einstellbare. Pedale, CD-Audiosystem, Diebstahlwarnanlage, Bordcomputer u.v.m.
Quelle: ntv.de