Spaß mit sinnfreien Extras Kostspieliger Cabrio-Kult
03.02.2009, 13:44 Uhr"Frieren ist cool". Diese verblüffende Botschaft ließe sich aus der gerade beginnenden Kampagne für das neue Mini Cabrio destillieren. Die Marketingstrategen haben die zweite Generationen des offenen Kleinwagens kurzerhand zum Ganzjahreswagen erklärt, es mit dem Slogan "Always open" ("Immer offen") belegt und – um das Ganze authentisch zu machen – die internationale Pressepräsentation in die verschneiten Ostalpen gelegt.
Seit BMW die englische Marke erwarb und 2001 für eine Neuauflage des handlichen Klassikers sorgte, wurde die Cabrioversion bereits mehr als 164.000 Mal verkauft. Das hat, laut Entwicklungsschef Dr. Friedrich Nitschke, "unsere Erwartungen bei weitem übertroffen". Vor allem die USA sind ein dankbarer Markt für das Auto, denn der Kultfaktor ist aufgrund der fast 50-jährigen Tradition und historische Rallyeerfolge ungewöhnlich hoch.
Gleichwohl erschien eine Auffrischung nötig, zumal die weiter entwickelte Motorentechnik heute günstigere Verbrauchs- und Emissionswerte zulässt als noch vor wenigen Jahren. Nicht ohne Stolz weist Entwicklungschef Nitschke darauf hin, dass bei der 175 PS starken Cooper-S-Version laut EU-Norm eine Verbrauchsreduzierung von 23 Prozent erreicht wurde. Neue Bestmarke ist ein Durchschnitt von 6,4 Litern Super je 100 Kilometer.
Überrollbügel fährt elektrisch aus
Das ist zwar ein respektabler Prüfstandwert, dessen Bedeutung für die Praxis jedoch nur von untergeordneter Bedeutung ist. Wer die "Always-Open"-Empfehlung des Herstellers beherzigt, verschlechtert den Luftwiderstandswert natürlich beträchtlich, wer es im Winter tut, und sich per Heizung wenigstens die Füße wärmen lässt, treibt damit den Verbrauch zusätzlich in die Höhe. So wundert es nicht, dass während der zugegebener Maßen kurzweiligen Mini-Testfahrt auf Kärntner Bundesstraßen die 10-Liter-Marke auch schon mal deutlich überschritten wurde. Daran konnte auch die neue Bremsenergierückgewinnung und die Schaltpunktanzeige wenig ändern.
Nichtsdestoweniger hat das Mini Cabrio durch die behutsame Überarbeitung gewonnen. Vor allem zwei lästige Sichtbehinderungen sind eliminiert. Die Überrollbügel über der Rückenlehne der hinteren Sitze ragen nicht mehr einzeln und starr ins Sichtfeld des Innen-Rückspiegels. Statt dessen sind beide Höcker zu einem Bügel zusammen gefasst und versenkt. Messen die Bordsensoren einen drohenden Überschlag, schnellt das solide Bügelrohr binnen 0,15 Sekunden aus der Verankerung und schützt die Insassen.
Positiver Begleiteffekt ist, dass die bis zu 660 Liter Stauraum (bei umgeklappten Rücksitzen) mittels einer Durchladeeinrichtung auch für sperriges Gepäck genutzt werden können. Die Scharniere der Heckklappe wurden nach innen verlegt und die Seitenscheiben geringfügig vergrößert. Das von BMW entwickelte und bewährte Fahrstabilitätsprogramm DCS ist jetzt als Serienausstattung an Bord und ist für 160 Euro extra noch um die Dynamische Traktionskontrolle DTC erweiterbar. Mit dieser Funktion, so Nitschke, wird "leichter Schlupf zugelassen, zum Beispiel zum besseren Anfahren im Schneee".
Das Mini Cabrio, so der Entwicklungschef, "macht den Kalender überflüssig". Das werden Kunden zuweilen anders sehen, ganz sicher nicht dringend notwendig ist aber ein Instrument, das der Hersteller im Rahmen zweier zwischen 1540 und 3040 Euro teuren Sonderausstattungspakete mitliefert: Der so genannte "Always-Open-Timer". Die Anzeige sitzt auf der Lenksäule neben dem Drehzahlmesser und informiert fortlaufend über die Betriebsminuten und -stunden, in denen das Fahrzeug mit vollständig geöffnetem Verdeck bewegt wurde. Dass es in regenreichen Gebieten zum Nachweis mangelnder Nutzung des kostspieligen Spaßautos dienen könnte, ist den Konstrukteuren vermutlich nicht in den Sinn gekommen.
Geschmeidig um die Kurven
Der Wahrheit die Ehre: Mit winterfester Kleidung und Sitzheizung ausgestattet (+ 290 Euro), kann Cabriofahren auch im Schnee eine Freude sein. Die steile Frontscheibe und der vergleichsweise große Abstand zwischen Fahrerkopf und Scheiben-Rahmen haben einen sehr angenehmen Effekt. Selbst bei verschärfter Gangart halten sich Luftzug und Wirbel in Grenzen, was dem Mini "offen gestanden" klare Vorteile gegenüber so manchem Wettbewerber bringt. Das schon sprichwörtliche "Gokart-Feeling" hat der Mini mit dem Verlust des festen Daches natürlich nicht eingebüßt. Flott und geschmeidig lassen sich kurvige Bergstraßen umrunden, eine aufwändige Vorderachs-Konstruktion vermeidet Antriebseinflüsse in der Lenkung.
Sie ist hydroelektrisch unterstützt und vermittelt direkten Kontakt zur Fahrbahn. Selbst auf rutschigem Untergrund und bei abgeschalteten Fahrhilfen bleibt das handliche Auto gut beherrschbar und ist durch die feinfühlige Lenkung leicht auf Kurs zu halten. Das Fahrverhalten ist robust, aber gutmütig, leichtes Untersteuern nahe am Grenzbereich in jedem Fall unschädlich. Da Cabrios gegenüber ihren geschlossenen Modellvarianten normaler Weise an Verwindungssteifigkeit einbüßen, hat BMW kräftigere Seitenschweller sowie eine verstärkte Bodengruppe montiert.
Mit einem Basispreis von 22.500 Euro ist das Mini Cooper Cabrio alles andere als ein Sonderangebot. Für die 55 PS Leistungsunterschied zum Cooper S müssen noch einmal 4000 Euro extra berappt werden. Diese Summe entspricht zudem in etwa der Differenz des Cabrios zu geschlossenen Variante. Doch die Kundschaft zahlt es gern. Ein erheblicher Teil greift sogar noch tiefer in die Geldbörse, denn sinnfreie Extras wie zum Beispiel ein Verdeck in Jeansblau (+140 Euro) werden nur zu gern geordert.
Quelle: ntv.de