Der Jaguar XF Diesel S im Praxistest Luxus-Katze mit mehr Biss
06.08.2009, 08:39 UhrJaguar schlägt BMW im Vergleichstest. Der Ausgang des Duells zweier Hochleistungs-Limousinen, penibel protokolliert von einer Fachzeitschrift, überraschte. Doch das Brot-und-Butter-Auto der XF-Baureihe ist der neue Dreiliter-Diesel. Was er im Alltagsbetrieb für eine Figur macht, klärte dieser Praxistest.

Sportlicher und zugleich sparsam: der Jaguar XF Diesel S.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Mag sein, dass sich Jeffrey L. Scott in den vergangenen Monaten gewünscht hat, einen Kleinwagen im Angebot zu haben. Doch der Chef von Jaguar Deutschland verkauft "schöne, schnelle Autos", getreu dem Motto, das die Katzenmarke unter der Regie von Tata Motors wieder entdeckt wird. Das funktionierte 2008 noch besser als im Jahr davor, doch 2009 gehört Jaguar zu den Marken, die in Deutschland Federn lassen mussten.
Die Entwicklung des 3-Liter-Doppelturbomotors funktionierte nach einem einfachen Prinzip: "Die anderen haben es, deshalb brauchen wir es auch". Vor allem in Deutschland, aber auch auf den wichtigen amerikanischen Markt sieht sich Jaguar als Herausforderer der Premiummarken. Der gemeinsam mit Citroen/Peugeot entwickelte 2,7-Liter-Diesel war zwar ein kultiviertes und wirtschaftliches Aggregat, doch mit 207 PS nicht mehr so recht konkurrenzfähig. Außerdem brauchte die Marke im Hinblick auf den absehbaren Generationswechsel in der Baureihe XJ einen Motor, der auch zum größeren Modell leistungsmäßig passt.
Doppelturbo in zwei Leistungsstufen
Für den Test stand ein XF Diesel S der Ausstattungslinie Premium Luxury zur Verfügung, der aus dem um 300 Kubikzentimeter vergrößerten Hubraum 275 PS holt. Während der 2,7-Liter-Ausgangsmotor zwei gleich große Lader hatte, bedienten sich die Jaguar-Ingenieure bei der Kraftkur eines Tricks: Entgegen der bei Biturbos üblichen Bauweise, zunächst einen kleinen und dahinter einen großen Lader in den Abgasstrom zu stellen, wurde es diesmal genau umgekehrt gemacht.
Die mit veränderbarem Anstellwinkel ausgestatteten Schaufeln des ersten Laders sorgen für den ersten Anschub, wird Spitzenleistung gefordert, tritt die zweite Turbine in Aktion. Sie wird auf die Drehzahl des ersten Laders beschleunigt und bei maximaler Rotation drücken beide Propeller gemeinsam die zusätzliche Verbrennungsluft in das System. Ohne das "S" ist der XF Diesel auch zu haben, und zwar mit 240 PS. Einem knapp mehr als 1800 Kilogramm schweren Viertürer sollte damit ein ganz temperamentvoller Auftritt gelingen.
Die enorme Schubkraft von 600 Newtonmeter liegt schon bei 2000 Umdrehungen an und verleiht Souveränität für notwendige Zwischenspurts. 6,4 Sekunden von Null auf hundert und abgeregelte 250 km/h sprechen ebenfalls eine sportliche Sprache. Es zu können ist die Botschaft, nicht es zu müssen. Wer den XF Diesel S so zupackend fährt wie es die Werte nahe legen, wird nicht nur die versprochenen 6,8 Liter Durchschnittsverbrauch deutlich verfehlen, sondern auch merken, dass Fahrwerk und Gestühl eher auf komfortablen Langstrecken-Transport denn auf sportliche Rundenzeiten ausgelegt sind. Den Polstern fehlt es an Seitenführung, und auch im elektronisch abrufbaren sportlichen Fahrwerksmodus hat die Bequemlichkeit immer noch die Oberhand.
Geräuschvolle Überraschungen
An der mit 4,96 Metern Länge stattlichen Karosserie fiel zweierlei auf: Das für 820 Euro extra lieferbare so genannte Parkpaket, bestehend aus Parksensoren vorne und einer Rückfahrkamera, ist eine äußerst sinnvolle Einrichtung. Die coupéhafte Form der Limousine macht das Fahrzeug nach hinten heraus doch recht unübersichtlich, was mit technischer Hilfe behoben wird.

Zwei trapezförmige Auspuffendrohre unterstreichen den sportlichen Anspruch.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Zweitens: Sowohl die vier Türen als auch die Motorhaube, fallen mit dem volltönenden Klacken ins Schloss, wie es sich für ein Auto mit Oberklasse-Ambitionen gehört. Die Kofferraumklappe klingt dagegen nach Leichtbau, deren blechernes Schließgeräusch nicht zum Fahrzeug passt. Ein weiteres unerwartetes akustisches Phänomen ging bei dem Testfahrzeug vom Glasschiebedach aus. Die Fahrt auf Kopf- und Kleinsteinpflaster quittierte der Rahmen der manuellen Jalousie mit fortgesetztes Klappern, das auf Verbesserungspotenzial in der Fertigungsqualität schließen ließ.
Als eher angenehme Begleiterscheinung des sehr kultivierten Fahrbetriebs bleibt der feine Gesang der Turbolader in Erinnerung. Den extrem geräuscharmen Motorlauf begleitet die zart gesummte Melodie immer dann, wenn der Gasfuß den beiden Solisten durch sanften Druck das Signal zu Einsatz gibt.
Mit dem Innendesign des XF hat Jaguar Maßstäbe gesetzt und Grenzen überschritten, die den Insassen neue sinnliche Erfahrungen versprechen. Vor allem der Verzicht auf den traditionellen Ganghebel und dessen Ersatz durch einen versenkbaren Drehknopf bedienen Kundenwünsche nach Individualität aufs Vorzüglichste. Beim Abschalten des Motors wechselt die Stellung des Wählrades automatisch in Parkposition, was zusätzlichen Komfortgewinn bedeutet.
Hohes Ausstattungsniveau
Erst der ausgedehnte Testbetrieb konnte einen Schwachpunkt der in edlen Metalloberflächen gearbeiteten Bedienelemente offenbaren: Ist das Fahrzeug mehrere Stunden intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt, kann sich die Oberfläche des Drehknopfes leicht in Richtung 50 Grad Celsius erhitzen, was die den ersten Gang suchende Hand erst einmal zurückzucken lässt.
Nicht alles, was schön aussieht, erweist sich auch als schön praktisch, wie zum Beispiel der Blick auf die Rundinstrumente der Armaturentafel bestätigte. Was am Abend schick und edel aussieht, stellt sich tagsüber als hinderlich heraus. Wer zum Beispiel wegen eines Regenschauers das Abblendlicht aktiviert, muss festellen, dass der Kontrast zwischen den hellblau innenbeleuchteten Ziffern und der Skalenscheibe fast völlig verloren geht - nicht gerade hilfreich für eine korrekte Beurteilung des Fahrzeugtempos.
Petitessen wie diese können natürlich den positiven Gesamteindruck eines Fahrzeugs nicht schmälern, dessen souveräner Auftritt die Verkürzung des Abstands zu den "großen Drei" aus deutscher Produktion klar belegt. Ein wichtiges Argument bleibt für viele der Preis und da kann Jaguar für sich verbuchen, ab Werk ein Ausstattungsniveau zu bieten, das man sich bei anderen Herstellern mühsam und teurer aus der Extraliste zusammenkaufen muss.
Für 59.600 Euro ist die geräumige und komfortable Reiselimousine zum Beispiel mit Alufelgen und Lederbezügen, Tempomat, Licht- und Regensensor, Multimediasystem mit Touchscreen und Bluetooth-Schnittstelle, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, elektrischen Außenspiegeln sowie elektrisch verstellbarer Lenksäule ausgestattet. Letztere fährt zum bequemen Ein- und Ausstieg automatisch an den Instrumententräger heran. 179 Gramm CO2-Ausstoß sind nicht nur gut für die Umwelt, sondern schonen nach der neuen Steuer-Gesetzgebung auch den Geldbeutel.
Quelle: ntv.de