Praxistest

Der neue S 400 Hybrid Luxus grün angestrichen

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(Foto: Textfabrik)

Was hatten sich Dieter Zetsche und seine Vorstandskollegen beim Daimler nicht alles anhören müssen: "Komplett verschlafen" hätten sie die Hybridtechnik, "zehn Jahre Rückstand" gegenüber der Konkurrenz habe die einstige deutsche Pkw-Vorzeigemarke. Kleinlaut sind die Kritiker geworden, seit bekannt ist, dass Mercedes im Juni die erste in Europa entwickelte und gebaute Limousine mit kombiniertem Elektro- und Verbrennungsantrieb auf dem Markt bringt. n-tv.de ist den neuen S 400 Hybrid schon gefahren.

Die neue Limousine von Mercedes kommt im Juni zu den Händlern.

Die neue Limousine von Mercedes kommt im Juni zu den Händlern.

(Foto: Textfabrik)

Die renovierte S-Klasse kann sich außerdem noch mit einem Superlativ schmücken: Weltweit einzigartig ist die Verwendung einer Lithium-Ionen-Batterie, die nicht nur Leistungs-, sondern auch deutliche Gewichtsvorteile bringt. Temperatur- und Sicherheitsprobleme, die andere Hersteller bisher davon abhielten, diese Akkumulatoren zu verwenden, sind aus Sicht von Mercedes gelöst. Zum Beispiel ist der Energiespeicher in den Kühlkreislauf der Bordklimaanlage integriert.

Technologiekompetenz beweisen

Eine herkömmliche Nickel-Metallhydrid-Batterie, wie sie beispielsweise beim Lexus zu finden ist (links), und im Vergleich dazu die Mercedes-Batterie.

Eine herkömmliche Nickel-Metallhydrid-Batterie, wie sie beispielsweise beim Lexus zu finden ist (links), und im Vergleich dazu die Mercedes-Batterie.

Der S 400 Hybrid ist aus mehreren Gründen sehr wichtig für Mercedes. Er soll Technologiekompetenz beweisen und einen neuen Markenwert untermauern. "Green Luxury" hat Dieter Zetsche diesen Wert bei der Präsentation der neuen S-Klasse auf dem Autosalon in Shanghai genannt. Das Sindelfinger Spitzenprodukt in China und nicht auf den wichtigen Automessen in Genf oder Frankfurt vorzustellen, hatte gute Gründe. Das Reich der Mitte ist inzwischen zum weltweit größten Absatzmarkt für die Luxuslimousine geworden.

Aber auch in Deutschland steht die S-Klasse trotz Wirtschaftskrise noch recht gut da. Zwar muss Mercedes quer durch alle Modellreihen einen Absatzrückgang von gut 20 Prozent verkraften, doch mit 1588 neu zugelassenen Exemplaren im ersten Quartal 2009 konnte die Marke mehr als dreimal so viele Komfortkarossen in den Markt drücken als zum Beispiel Mitbewerber Audi mit dem A8.

Neu: Zwei Bilder auf einem Monitor

Die Innenausstattung hat einige kleine Appetithäppchen zu bieten.

Die Innenausstattung hat einige kleine Appetithäppchen zu bieten.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, gibt es mit der Runderneuerung der Modellreihe einen ganzen Sack voller zusätzlicher Sicherheits- und Assistenzsysteme. Alles, was die neue E-Klasse kann, kann die S-Klasse jetzt auch - und noch mehr: Zum Beispiel braucht der Beifahrer sich künftig nicht mehr die öde Kartengrafik anzuschauen, wenn der Fahrer das Navigationssystem nutzt. Dank "Splitview" sind auf einem Monitor zwei unterschiedliche Abbildungen möglich, die je nach Blickwinkel getrennt verfolgt werden können. Während die Person am Steuer den Routenanweisungen folgt, kann sich der Beifahrer, so Vertriebsvorstand Klaus Maier, "alles Mögliche reinziehen, zum Beispiel einen DVD-Spielfilm". Der Ton dazu kommt aus dem mitgelieferten Kopfhörer. Feine Sache, aber auch nicht billig: Mit 2142 Euro steht das System in der Aufpreisliste.

Stolze 85.323 Euro verlangt der Hersteller für das Modell S 400 Hybrid. Die Differenz zum leistungsmäßig vergleichbaren und ebenfalls mit Hybridantrieb ausgestatteten Lexus GS 450 h entspricht dem Gegenwert eines gut ausgestatteten VW Golf. Da erscheint es sinnvoll, den neuen Mercedes mit einigen Appetithäppchen zu garnieren. Eine Innenbeleuchtung mit wählbaren Stimmungen, ein LED-Lichtpaket für Blinker und Positionslampen, Reifendruckkontrolle sowie ein Navigations- und Entertainmentsystem mit Festplattenspeicher und Sprachbedienung kostet für andere S-Modelle zusammen mehr als 4000 Euro - im S 400 Hybrid gehört es zur Serienausstattung.

Da der 27 Kilo schwere Lithium-Ionen-Akku kaum größer ist als eine herkömmliche Autobatterie kann der S 400 gegenüber dem japanischen Mitbewerber einen wichtigen Vorteil für sich verbuchen. Es geht kein Kofferraum verloren und der ist mit 560 Litern glatt doppelt so groß wie der des Lexus. Der Permanentmagnet-Elektromotor übernimmt auch die Anlasserfunktion, so dass eine Start-Stopp-Funktion - zum Beispiel für Ampelstopps - den Verbrauch im Stadtverkehr zusätzlich senkt. Für die weniger als 190 Gramm Kohlendioxid-Ausstoß hat sich Mercedes selbst den Weltmeistertitel in dieser Fahrzeugklasse verliehen.

Sechs Zylinder reichen völlig

Laut Oliver Vollrath, dem Projektleiter für das S-Hybrid-Projekt soll die elektrische Antriebstechnik nach und nach auch auf Vier- und Achtzylindermotoren ausgeweitet werden. Den S 400 treibt ein 3,5 Liter großer Sechszylinder mit 279 PS an, die Elektroeinheit steuert weitere 20 PS bei und stellt zum Anfahren und Beschleunigen ein zusätzliches Drehmoment von 160 Newtonmetern bereit. Die kombinierte Durchzugskraft beträgt 385 Newtonmeter, etwa so viel wie ein solider Turbodiesel in der Mittelklasse.

Die werden durchaus gebraucht, denn das Fahrzeug bringt knappe zwei Tonnen auf die Waage. Bei den Testfahrten wusste der Antrieb durch kultivierten Lauf und beim Beschleunigen durch eine herzhafte Klangkulisse zu gefallen. Die bewährte 7G-Tronic passt ausgezeichnet zu dem Antrieb, mit einer Sporttaste kann das Getriebe dazu veranlasst werden, später zu schalten und die Fahrstufen höher auszudrehen, so dass auch temperamentvolles Fahren möglich ist. Nur 7,9 Liter je 100 Kilometer - nach EU-Norm gemessen - sind dann nicht mehr drin. Auf den Berg- und Talkursen des Schwarzwaldes und mit flotter Gangart waren es bei den Testfahrten rund zehn Liter. So viel verbraucht das Schwestermodell ohne Hybrid, der S 350, bereits nach Norm.

Entspanntes Fahrerlebnis

Die komfortorientierte Fahrwerkabstimmung vermittelt den Insassen ein entspanntes Fahrerlebnis, zeigt in zügigen Kehren aber auch, dass 3500 Euro extra für die so genannte Activ Body Control sinnvoll investiertes Geld sind. Sie gleicht Wankbewegungen aus, die Querbeschleunigungskräfte von der Karosse verlangen und sie kann neuerdings noch mehr: Sie reduziert Seitenwindeinflüsse spürbar, in dem sie die Radlastverteilung automatisch und elektronisch nachregelt.

Bekannter Maßen sind vor allem Amerikaner vom Wort "Hybrid" wie elektrisiert. Zwar müssen sie beim Mercedes auf die Fähigkeit verzichten, zum Beispiel beim Rangieren allein mit der Kraft des Stroms fahren zu können, aber es ist davon auszugehen, dass der lahmende Absatz der S-Klasse in Übersee einen neuen Schub erhält. Die 270.000 Einheiten, die seit dem Modellwechsel 2005 von der S-Klasse weltweit abgesetzt wurden, sollen jedenfalls in der zweiten Hälfte des Lebenszyklus noch übertroffen werden.

Quelle: ntv.de

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