Ausfahrt im Audi R8 5.2 FSI Mehr Sport wagen
20.02.2009, 06:00 UhrWer seinen Körper oder Teile davon ertüchtigen will, für den hält die Industrie ein kaum überschaubares Angebot an Gerätschaften bereit. Von der einfachen Hantel, die den Bizeps stählt bis zu komplizierten Apparaturen, mit denen Bauch, Beine, Po, die Oberschenkel oder der Schultergürtel trainiert werden können. Mit Bedacht angewendet, verbessern sie meist Wohlbefinden und Aussehen.
Irgendwann im zweiten Quartal dieses Jahres, genaueres verrät der Hersteller noch nicht, wird Audi der Auswahl an Fitnessmaschinen eine weitere hinzufügen. Mit ihrer Hilfe kann die Nackenmuskulatur trainiert werden und selbst bei gelegentlicher Anwendung trägt sie enorm zu Wohlbefinden und guten Aussehen bei: Der Audi R8 5.2 FSI quattro.
Hinter der holprigen Bezeichnung verbirgt sich ein bekannter Zweisitzer mit neuem V10-Motor. Im Vergleich zu einem Hantelsatz ist allerdings der notwendige finanzielle Aufwand erheblich größer. Wer 142.400 Euro nicht scheut und auch sonst schon alles hat, kann sich die verschärfte Variante des vor zwei Jahren auf den Markt gebrachten R8 in die Garage stellen. Für den Mehrpreis von rund 35.000 Euro gibt es zwei Zylinder und 105 PS mehr (statt acht und 420), 15 km/h mehr Top-Speed (statt 301) und eine geänderte Optik - denn man will ja nicht mit einen gewöhnlichen R8-Fahrer verwechselt werden.
Kampfansage gegen Porsche und Ferrari
Ob 525 PS, knapp 14 Liter Normverbrauch oder 327 Gramm CO2 pro Kilometer nicht vielleicht ein bisschen obszön sind angesichts von Ressourcenschwund und Klimawandel, diese Frage kann sich kein Autoproduzent stellen, so lange es irgendwo Käufer für derartige Fahrzeuge gibt. Rund 10.000 R8 sind laut Audi seit 2007 gebaut worden, 2000 davon hat das Kraftfahrtbundesamt bisher als Neuzulassung in Deutschland registriert. Etwa die gleiche Anzahl ging nach Großbritannien und Nordamerika - die wenigsten davon dürften allerdings der einzige Pkw des jeweiligen Halters sein.
Mit dem R8 V10 will Audi vor allem die Unentschlossenen erreichen, die vor der schwierigen Entscheidung stehen, einen Porsche 911 turbo, einen Ferrari F 430, Mercedes AMG oder Jaguar XKR zu kaufen, sagt Maike Fischbeck. Sie ist bei Audi für das Marketing des neuen Sportwagens zuständig und weiß genau, dass ein Allradauto wie der R8 genau genommen nur mit dem Porsche konkurriert. Und sie weiß die Vorzüge zu preisen, mit denen der schwäbische Konkurrent nicht aufwarten kann: Voll-LED-Beleuchtung zum Beispiel.
Tagfahr-, Abblend- und Fernlicht sind ebenso wie Blinker und Rückleuchten auf Basis von Leuchtdioden konstruiert. Das spart Strom und Gewicht, kostet derzeit noch 3500 Euro extra, wenn man es als Sonderausstattung bestellt, und hält fast ewig. Birnenwechsel gehören also der Vergangenheit an. Wo zu man allerdings Leuchtmittel braucht, die länger halten als das ganze Auto drumherum, ist noch nicht hinreichend geklärt.
Nicht nur die Besitzer von Supersportwagen wissen, dass der R8-V10-Motor eng verwandt ist mit dem Triebwerk, mit dem Lamborghini sein Modell Gallardo befeuert. Das Aggregat wiegt 258 Kilo, genau 31 mehr als der V8, der bisher im Sport-Audi zum Einsatz kam. Die Folge ist, dass sich die Gewichtsverteilung in dem leistungsstärkeren Modell ein wenig in Richtung Heck verlagert.
In der Praxis, vor allem, wenn es ohne Mit- und Gegenverkehr auf die abgesperrte Strecke geht, macht sich dieser Unterschied nicht bemerkbar. Der R8 V10 ist, je nach persönlicher Vorliebe, mit dem sequenziellen Automatikgetriebe R-Tronic oder einer Sechsgang-Handschaltung zu haben. Zwar weiß die Automatik durch minimale Zugkraftunterbrechung, teuflisch kurze Schaltvorgänge und die Möglichkeit, die Gänge auch per Lenkradpaddel manuell zu schalten, zu gefallen. Jedoch entpuppt sich mit jeder Runde mehr auf dem Kurs die Handschaltung für den sportlich orientierten Fahrer als die bessere Wahl.
Kraftvolle Begleitmusik
Das Fahrerlebnis ist unmittelbarer, die Entfaltung des Vortriebs wird als direkte Folge von Arm und Beinbewegung wahrgenommen und die offene Schaltkulisse trägt visuell zum Lustgewinn bei. Da normalerweise 85 Prozent der Antriebskraft auf die Hinterachse geleitet werden, ist die Schubkraft genau da, wo der Fahrer sie spüren will: im Rücken. Ein mechanisches Sperrdifferenzial hilft, etwaige Traktionsprobleme gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Für erhöhte Spannung in den Nackenmuskeln ist die so genannte Launch-Control verantwortlich. Sie sorgt dafür, dass Vollgas aus dem Stand optimal zum Reibwert des Straßenbelags passt und der Kopf ahnungsloser Insassen unversehens an der Nackenstütze anschlägt. Die Durchzugskraft von 530 Newtonmetern lässt den R8 V10 vehement nach vorn schnellen und die Passagiere zurück. Die Elektronik regelt die Kraft auf alle vier Antriebsräder so optimal, dass der Spurt von Null auf 200 in 12 Sekunden absolviert wird. Da ist die nächste Kurve im Nu da und da zahlt es sich aus, dass der 1620 Kilogramm schwere Wagen sich mit äußerst geringem Kraftaufwand präzise ums Eck zirkeln lässt.
Die Leistungsschau wird begleitet von einer kraftvollen Ansaug- und Verbrennungsakustik. Der Bereich vom 3000 Umdrehungen, im 4. oder 5. Gang gefahren, eignet sich besonders gut, das Fanfarenkonzert zu entfesseln. Käufer in Österreich oder der Schweiz werden ihre Tunneldurchfahrten lieben. Eine dringend empfohlene Sonderausstattung fehlt jedoch auf der Liste: Die Kamera, die das Bild des Motors hinter den Sitzen während der Fahrt auf den Monitor des Navi-Systems überträgt. Die herrlich anzuschauende Technikskulptur ist bisher nur im Stand durch die große Glaskuppel zu bewundern.
Ansonsten gibt es an der Ausstattung nichts zu mäkeln. Das darf bei dem Preis auch vorausgesetzt werden. Und mögen die Audi-Werber noch so viel von Alltagstauglichkeit sprechen und 190 Liter Stauraum als Beleg anführen - Tatsache bleibt, dass die artgerechte Haltung solch eines Vollblüters nur auf dem Rundkurs möglich ist. Warum nicht einfach 143.500 Euro für das Auto verlangen und gleich noch eine Jahreskarte für die Nordschleife mit in den Lieferumfang packen?
Quelle: ntv.de