Praxistest

Jaguar E-Type "Penis mit vier Rädern"

Einen James Bond hat er nie gebraucht, um zum Mythos zu werden: Während der Geheimagent ihrer Majestät bekanntlich Aston Martin bevorzugte, schaffte es der Jaguar E auch so, nicht nur für Autofreaks zum Inbegriff des Sportwagens schlechthin zu werden. Es ist genau 40 Jahre her, dass der "E-Type" das elektrische Licht der Autosalons erblickte und die Fachwelt in Entzücken versetzte.

Fachmagazine ebenso wie die Tagespresse überschlugen sich damals vor Begeisterung und belegten den Star der Frankfurter IAA mit Attributen wie "atemberaubend" oder "aufregend". Der Kabarettist Wolfgang Neuss freilich sah in ihm einen "Penis mit vier Rädern" und der angelsächsische Sprachraum hat für Erscheinungen wie diese die Wendung "the real McCoy" parat was soviel bedeutet wie "der wahre Jakob". Vor allem der amerikanische Markt schien nach Autos wie dem E-Type geradezu zu lechzen.

Charakter auf Speichenrädern

Vier Jahrzehnte nach seinem Erscheinen auf der Bildfläche mögen manchem die verchromten Stoßstangenhörner oder die Speichenfelgen mit Zentralverschluss etwas antiquiert vorkommen, aber der E-Type hat etwas, was vielen Autos heute fehlt: Charakter. Damit ist nicht etwa der dreifache Wischer an der steilgestellten Frontscheibe gemeint, sondern schon eher das Gefühl, das einen befällt, wenn man zum erstenmal das schmale hölzerne Lenkrad in die Hand nimmt. Dass die Zeitreise nach rückwärts geht, wird spätestens jetzt klar, denn statt des Airbag-Polsters glänzen die gelochten Alu-Speichen.

Auch der Testfahrer von heute, im speziellen Fall eines 68er-Modells, lernt zu allererst: Vor den Griff zum Volant haben die Konstrukteure des E-Type die Demutsgeste gesetzt. Der Fahrer knickt voller Höflichkeit tief in der Hüfte ein, um sich mit einem kühnen Schwung um die gefährliche Ecke zu hieven, mit der die Frontscheibe in den Türausschnitt ragt.

Man(n) fällt in eine mager gepolsterte Mulde, die nach heutigen Maßstäben vor allem durch Verzicht auf ergonomische Ausformung und eine Kopfstütze auffällt. Solcherlei Firlefanz für verweichlichte Ortsschildbremser hat ein E-Type natürlich nicht nötig. Sicherheitsgurte? Na ja, könnte man ja notfalls nachrüsten lassen.

So, nun endlich den Schlüssel umgedreht und die Pferdchen wiehern lassen. Das sonore Brabbeln des Sechszylinders klingt Vertrauen erweckend. Das fast senkrecht vom Bodenblech abstehende Gaspedal ruhig mal antippen? Viel kann ja nicht passieren. Denkste! Zwar signalisiert das Fußgelenk nur Bewegung im Millimeterbereich, doch schon faucht die Katze auf, als sei sie im Sprung auf die Beute.

Dramatischer Vortrieb

Der Umgang mit dem Gaszug, der nach mehr als drei Jahrzehnten auch nicht mehr so geschmeidig läuft ist eine Sache, der mit der Kupplung eine andere. Hart und ohne Vorwarnung ist sie da, schließlich geht's ums Fahren und nicht um Denkpausen.

Röhrend wird der zweite Gang, wenn es sein muss, bis unter die 100-km/h-Marke ausgereizt. Trotz dramatischen Vortriebs sind die legendären 150 Meilen, damals wichtigstes Werbeargument, heutzutage kein erstrebenswertes Ziel mehr. Bei 150 km/h erlebt sich die Spannung des E-Type-Ritts ebenso gut.

Von sehr viel angenehmerem Aroma war seinerzeit der Preis des exklusiven E-Type-Vergnügens. In naiver Vergangenheitsverklärung scheinen die 1.954 Pfund Sterling, mit denen das Coupé in der Preisliste stand, kaum der Rede wert. Nach damaligem Wechselkurs wären das kaum mehr als 22.000 DM oder 11.250 Euro gewesen. Der Roadster war gar für 1.830 Pfund zu haben. Heute sind Cabrios teurer als die Coupés. Das war etwa halb soviel, wie vergleichbare Sportwagen deutscher oder italienischer Herkunft damals kosteten.

Quelle: ntv.de

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