Wo der Fahrtwind zum Orkan wird Porsche 911 Carrera S Cabrio
26.09.2005, 09:05 UhrVon Axel F. Busse
Porsche bleibt sich treu: Abweichend von den in Mode gekommenen faltbaren Metalldächern entschied sich Porsche auch bei dem neuen Cabrio wieder für eine "Stoffmütze". Das pflegt die klassische Cabrio-Optik. Die Regenhaube öffnet und schließt elektrisch im Bedarfsfall auch fernbedient oder während der Fahrt bei bis zu 60 km/h. Die großen Radausschnitte und muskulös geformte hintere Kotflügel prägen die unverwechselbare Form dieses Klassikers.
Die tief liegende Sitzposition verlangt den Insassen beim Aussteigen eine gewisse Beweglichkeit ab. Der Innenraum ist aber für einen Sportwagen von erstaunlicher Geräumigkeit. Für Kinder bis acht Jahre sind die hinteren Notsitze durchaus geeignet, Erwachsene sollten nur Kurzstrecken darauf zurücklegen. Mit 135 Litern (VDA) genügt der Gepäckraum unter der Fronthaube für zwei mittlere Reisentaschen, jedoch ist auch unter der Heckscheibe durch Umklappen der rückwärtigen Lehnen noch Stauraum zu finden.
Neuheit: Kopfairbags in der Tür
Wegen der fehlenden Dachstruktur sind dem Cabrio Versteifungen im Unterbau eingezogen, die ein geringfügig höheres Gewicht als bei Coupé mit sich bringen. Neu ist das so genannte Porsche Active Suspension Management-System (PASM), das die Schleuderbremse ESP, ABS und Traktionskontrolle miteinander vereint. Die Kopfairbags sind nicht im Dachhimmel, sondern am oberen Rand der Türverkleidung angebracht. Natürlich gibt es auch versenkbare Überrollbügel, die im Falle eines Überschlags blitzschnell ausfahren.
Das Fahrwerk bringt die einem Porsche angemessene sportliche Robustheit mit, per Knopfdruck kann der Pilot die Härte der Gasdruckdämpfer regeln. Serienmäßig werden Klimaautomatik und CD-Radio mitgeliefert. Allerdings fehlt für den Beifahrerplatz die Sitzbelegungserkennung, das sollte man den zahlungskräftigen Kunden schon noch gönnen. Hobby-Rennfahrer können ihre Rundenzeiten per optionaler Stoppuhr mit Fahrtenspeicher archivieren. Für einen Porsche sinnvoller als für andere Autos ist die serienmäßige Alarmanlage.
Der fauchende 3,8-Liter-Motor ist schon vom Start weg ein akustisches Erlebnis. Die gegenüber dem Einstiegsmodell um 200 ccm Hubraum und 30 PS gesteigerte "S"-Variante des Carrera zeichnet sich vor allem durch große Elastizität aus. Für ein Beschleunigungsmanöver im 5. Gang von 80 auf 120 km/h benötigte der Testwagen gerade mal 6,4 Sekunden. Dank 295er-Reifen auf 19 Zoll Alu-Rädern gibt es keine Probleme, die verfügbaren 355 PS verlustfrei auf die Straße zu bringen. Mit dem knackigen Sechsgang-Getriebe ist immer ein Drehzahlbereich zu finden, der explosive Kraftentfaltung ermöglicht.
Wadentraining mit der Kupplung
Spontane und direkte Reaktionen auf Gashebel- oder Lenkbewegungen prägen die Fahreigenschaften dieses außergewöhnlichen Kurvenfegers. Dank 400 Nm Drehmoment sind auch jenseits von 200 km/h noch reichlich Leistungsreserven spürbar. Schluss ist erst bei über 290 km/h. Ebenso möglich ist niedertouriges Dahingleiten, das Fahrwerk nimmt weder hektische Einlenkmanöver noch abrupte Lastwechsel übel. Der große Pedalwiderstand der Kupplung trainiert Waden und Knie, passt aber zum Bild des rassigen Sportgeräts. Das Windschott leistet bis in höchste Tempobereiche gute Dienste, darüber wird die Zugluft zum hämmernden Orkan von solcher Lautstärke, dass man wieder vom Gas geht.
Porschefahren war noch nie billig und dabei kein Dach über dem Kopf zu haben, ist richtig teuer: Mit 95.152 Euro für die "S"-Version langt der Hersteller kräftig hin, fast 20.000 Euro mehr als das 911er Basis-Coupé. Der Gegenwert ist ein Fahrvergnügen, wie es seinesgleichen sucht. Trotz etwa 30 Prozent Kurzstreckenanteil konsumierte der 355-PS-Bolide während der rund 2.500 Testkilometer lediglich 11,7 Liter Super je 100 Kilometer. Leistungsminderung durch die Verwendung von Superbenzin statt des empfohlenen Superplus war nicht zu spüren.
Fazit: Üppig motorisierte Sportwagen gibt es viele, aber Porsche schafft es immer wieder, die Einzigartigkeit seines Klassikers mit überragenden Fahreigenschaften zu untermauern. Außer kernigem Auftritt und enormem Fahrspaß bietet er sogar mehr Alltagstauglichkeit als viele seine Mitbewerber. Zahlungskräftige Fans nehmen für diese Exklusivität eher biederes Interieur und hohe Unterhaltskosten in Kauf. Die Wertstabilität eines Porsche-Cabrios wird von kaum einem anderen Pkw erreicht.
Technische Daten
Länge/Breite/Höhe: 4427/1808/1300 mm, Sechszylinder-Alu-Boxermotor aus Aluminium (im Heck eingebaut) Heckantrieb, 3824 ccm Hubraum, Leistung 261 kW (355 PS) bei 6600 U/min, max. Drehmoment 400 Nm bei 4600 U/min, Höchstgeschwindigkeit 293 km/h (Werksangabe), 0-100 km/h 4,9 Sek., Leergewicht 1505 kg, Tankinhalt 64 Liter, Testverbrauch 11,7 Liter /100km
Quelle: ntv.de