Sinfonie für 32 Ventile Supersportwagen Audi R8
27.02.2007, 13:31 UhrVon Axel F. Busse
So ist das nun mal beim Auto: Zwischen Front und Heck liegt die Mitte und wer in Deutschland eine Alternative zu etablierten Front- oder Heckmotor-Sportwagen anbieten will, packt die Antriebsquelle am besten genau da hin. So wie Audi beim R8.
Die Ingolstädter sind da angekommen, wo die Marke schon lange hin wollte – ganz oben. Dort, wo die Einstiegspreise sechsstellig und die Autos 300 km/h und schneller sind. Aber da ist die Luft dünn und die Erwartungshaltung groß. Wie groß, zeigen rund 3.500 Kunden, die den R 8 geordert haben, ohne je einen Meter dem Auto zurückgelegt zu haben. Gleichzeitig bedeutet diese Vorbestellungszahl, dass das Auto für 2007 ausverkauft ist – ein gutes Jahr Lieferzeit sollte einkalkulieren, wer jetzt einen Kaufvertrag unterschreibt.
Der R8, ein Überauto? Nein, sicher nicht. Aber ein sehr gelungenes für eine Firma, die sich lange gegen das Vorurteil wehren musste, aus Auto Union und NSU sei verdoppelte Biederkeit geworden. Welch atemberaubende Entwicklung stattgefunden hat, ist am besten mit einem Blick durch die Heckscheibe zu erfassen. Früher war dort nicht selten das Häkelmützchen für die Klorolle zu sehen, heute eine High-Tech-Skulptur namens V-8-Motor, die auf Wunsch in bläulichem LED-Glanz schimmert. Auf einen "Audi"-Schriftzug am Heck kann man da getrost verzichten.
Dass die selbstbewussten Audi-Werker sich früher oder später ins Segment der straßentauglichen Renner wagen würden, war abzusehen, seit sich die Firma mit der Übernahme von Lamborghini im Jahr 1998 den direkten Zugriff auf reinrassiges Sportwagen-Know-How sicherte. Wer sich das Hinterteil des R8 genau anschaut, wird eine gewisse Verwandtschaft mit dem Lamborghini Gallardo nicht verleugnen. Die könnte sogar noch größer werden, wenn Audi dessen Zehnzylinder-Motor zu einem FSI-Aggregat umbaut und im R8 anbietet. Die Einbauversuche laufen bereits.
Spaß am kontrollierten Drift
Vorerst gibt es einen V-8-FSI-Motor, der seine Renntauglichkeit beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans ausreichend unter Beweis gestellt hat. 420 PS werden mittels Sechsgang-Handschaltung oder der neuen R-Tronic an die vier Antriebsräder weiter geleitet. Eine Visco-Kupplung lässt aber nur maximal 35 Prozent der Antriebskraft an die Vorderachse, so dass der heckbetonte Sportwagencharakter nicht leidet und kontrollierte Driftfahrten möglich bleiben.
Erstmals schert Audi aus der stillen Übereinkunft der deutschen Hersteller aus, die Autos auf 250 km/h Toptempo zu begrenzen. Vor allem aus Imagegründen, als Passierschein für die nächste Liga, wurde ein Wert mit einer "3" vorn anvisiert. Wo die physikalisch mögliche Höchstgeschwindigkeit der R8 liegt und der Fahrwiderstand dominant wird, darüber darf spekuliert werden. Bei aller energischen Kraftentfaltung, die sich in 4,6 Sekunden Spurttempo auf 100 km/h niederschlägt, bleibt der R8 im Handling ein Sanfter. Er ist nicht schwieriger zu fahren als ein Audi 80 von 1979. Nur viel angenehmer. Sei es, dass man die Gänge über die offene, polierte Schaltkulisse (schönen Gruß an Ferrari!) manuell einlegt oder die minimalen Gangwechselzeiten mittels Schaltwippe am Lenkrad aktiviert – stets bleibt der Fahrer entspannt und hat Zeit, dem Motorsound zu lauschen.
Statement per Auspuffanlage
Der bringt nämlich ein besonderes sinfonisches Erlebnis zu Gehör. Beim entspannten Cruisen auf der Autobahn, wenn die Langstreckentauglichkeit gefragt ist, bleibt die Soundkulisse hübsch bescheiden und dezent. Aber wehe, wenn der Gasfuß das Bodenblech sucht und die Drehzahl über 4.000 Touren katapultiert: Dann trompetet die klappengesteuerte Auspuffanlage in die Runde der deutschen und italienischen Konkurrenz: "Unterschätzt mich ja nicht!"
Ein mildes Lächeln umspielte denn auch die Mundwinkel vieler Autotester, die bei der Fahrvorstellung in Nevada aus dem Cockpit stiegen und sogleich in die angestrengte Suche nach irgendetwas Kritikwürdigem verfielen. Gut, die Tatsache, dass die Aufpreisliste lang und die Preise hoch sind, ist bei Audi immer ein Thema. Und auch das Design des Schaltknaufes lässt nicht die Klasse erkennen, die das Auto zwischen LED-Tagfahrlicht und Heckdiffusor sonst ausstrahlt. Oder, dass die hinteren Seitenscheiben sich nicht versenken lassen? Nein, im Ernst: Kann das eine Fahrmaschine abwerten, die eine nahezu vollkommene Synthese zwischen Komfort und Kraft darstellt?
Audi wird nicht nachlassen bei dem Versuch, die Synthese noch zu perfektionieren. Die Firma hat mit dem FSI-Motor Le Mans gewonnen, und auch mit dem TDI-Motor. Das könnte die nächste Herausforderung sein. Unter dem gläsernen Motordeckel ist gewiss Platz für den V-12-Dieselmotor, den Audi zunächst im Q7 einführt. Weltweit der erste Hersteller zu sein, der einen Selbstzünder in einem Alltags-Sportwagen anbietet, ist eine Herausforderung, über die man in Ingolstadt bestimmt sehr intensiv nachdenkt.
Technische Daten
V8-Motor mit Benzin-Direkteinspritzung
Hubraum: 4.163 ccm
Leistung: 420 PS bei 7.800 U/min
Max. Drehmoment: 430 Nm bei 45000 – 6000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h: 4,6 Sek.
Höchstgeschwindigkeit: 301 km/h
Länge/Breite/Höhe: 4431 / 1904 / 1252 mm
Leergewicht: 1.565 Kilogramm
Tankinhalt: 75 Liter
Preis: 104.400 Euro
Quelle: ntv.de