"Bist du groß geworden!" Tante Käthe besucht den VW Polo
07.10.2014, 11:37 Uhr
Der neue Polo macht sich in der Farbe "Cornflower Blue" nicht nur auf dem Feld gut.
(Foto: Holger Preiss)
Seit fast 40 Jahren gibt es den VW Polo schon. In seiner letzten Variante fährt er seit 2009 und hat in diesem Jahr ein Facelift bekommen. Vergleichen kann man die beiden Autos heute kaum noch. Das muss auch Tante Käthe zugegeben, die den neuen Polo getestet hat.
Wenn die Tante Käthe kommt und den kleinen Polo sieht, dann frohlockt sie. "Mein Gott, bist du groß geworden!" Ja, wenn sie den Kleinwagen heute mit Bildern von 1975 vergleicht, dann hat das Kerlchen sich schon ganz schön verändert. Seinerzeit war er die Sparvariante des Audi 50, dessen Produktion 1978 eingestellt wurde. Heute, intern als Typ 6C bezeichnet, ist der Polo alles andere als eine "Sparvariante". Wie ein Großer kommt der Wolfsburger inzwischen daher und präsentiert in seinem Inneren Dinge, die der geneigte Kraftfahrer eher im hochpreisigen Segment, denn in einem Kleinwagen vermutet. Und tatsächlich ist der Polo inzwischen so groß, wie 1983 der Golf II.
Jetzt mit Kanten und Ecken

Das Heck des Polo ist kantiger geworden und gibt dem Kleinwagen mehr Charakter.
(Foto: Holger Preiss)
Doch fangen wir mal ganz am Anfang an. Wenn Tante Käthe den neuen Polo betrachtet, fällt ihr auf, dass ihr nichts auffällt. Optisch muss man die Unterschiede zum Vorgänger fast mit der Lupe suchen. Sind sie aber gefunden, dann wird deutlich, dass sie das Äußere beleben. So gibt es jetzt eine Chrome-Spange im vorderen Stoßfänger, wobei dort die Wabenoptik der Lufteinlässe schlanken Lamellen gewichen ist. Die erscheinen auch im Kühlergrill und die flankierenden scharf geschnittenen Scheinwerfer strahlen mit einer ganz eigenen Grafik. Jedenfalls spätestens dann, wenn für 970 Euro extra die LED-Scheinwerfer geordert werden.
Richtig deutlich werden die Gegensätze zum direkten Vorgänger am Heck. Kantiger und sehr scharf gezeichnet entwickelt der kleine Wolfsburger fast etwas Charismatisches, was vor allem an dem weit in die Heckstoßstange gewanderten Nummernschild liegt und an den in scharfe Falze eingelassenen Reflektoren. Darunter prangt ein nicht zu protziges, aber doch optisch wirkungsvolles Endrohr. Das ist aber nicht dazu da, um auf den Schlamm zu hauen, oder die Geräuschkulisse zu optimieren, sondern dient lediglich zum Abführen der Abgase. Die liegen im Übrigen bei lediglich 107 g/km im getesteten 1,2 TSI, der damit auch die EU6-Norm erfüllt.
Käthe liebt die Sportlichkeit
Aber nicht nur mit seiner Normerfüllung erfreut der Polo die Tante Käthe. Aus dem Vierzylinder mit 1197 Kubikzentimeter Hubraum generiert der kleine Wolfsburger 90 PS. Und das reicht für ein Drehmoment von 160 Newtonmeter, die auf die Vorderachse geworfen den nur 1139 Kilogramm leichten Polo in 10,8 Sekunden auf Tempo 100 sprinten lassen. Wer das Gaspedal so richtig ins Blech stempelt, der wird feststellen, dass der sonst extrem leise Polo auch richtig Laut geben kann. Ob das werkseitig so gewollt ist, sei dahingestellt, aber Fahrern mit sportlicher Attitüde sollte der kernige Sound gefallen. Da es aber auch ein "Sport Select"-Fahrwerk für 385 Euro Aufpreis gibt, dass den Polo auf Knopfdruck 1,5 Zentimeter Richtung Asphalt bewegt und ihn einen Tick straffer macht, könnte der knuffige Ton schon gewünscht sein.
Auch die 184 km/h in der Spitze sind ordentlich. Wobei hier einschränkend gesagt werden muss, dass der Vorschub bis Tempo 160 flott vonstattengeht, dann aber bis an die hier angeführte magische Marke etwas betulicher wird. Letztlich reicht das Triebwerk aber aus, um im Stadtverkehr ausgelassen mitschwimmen zu können und auf der Autobahn nicht der Bummelletzte in der rechten Spur zu sein. Dabei gibt sich der Polo angenehm genügsam. Tante Käthe jedenfalls verbrauchte im Testzeitraum über knapp 1000 gefahrene Kilometer im Schnitt lediglich 6,8 Liter Super. Als Tantchen natürlich das Datenblatt las und dort die Zahl 4,7 Liter las, war sie etwas verstört. Als ihr aber die Geschichte mit dem Rollenprüfstand und der nicht eingeschalteten Klimaautomatik, die in ihrem kornblumenblauen Polo für 325 Euro verbaut ist, erklärt wurde, da verstand sie: Der Verbrauch geht absolut in Ordnung.
Wie die Großen, nur nicht so lang

Wer im Polo hinten sitzt, muss bei großen Menschen in der ersten Reihe auf Rücksicht hoffen.
(Foto: Holger Preiss)
Während also der Motor und der Durst die Tante nicht zum Rasen bringen, offeriert VW Features in dem Kleinwagen, die Käthe sonst nur aus den ganz großen Kisten kennt. Da wäre zum Beispiel die automatische Distanzregelung ACC inklusive Front Assistent und City-Notbremsfunktion. Das Ganze kostet 505 Euro und ermöglicht es der Tante, wenn sie denn am lederummantelten Drei-Speichen-Multifunktionslenkrad mit dem linken Daumen die richtigen Tastenkombinationen gefunden hat, ohne den Fuß auf Gas oder Bremse zu stellen auf der Autobahn oder im stockenden Verkehr ganz entspannt unterwegs zu sein. Auch Schalten muss Käthe nicht, denn der Polo ist mit einem automatischen Siebengang-Getriebe ausgestattet, dass ohne zu ruckeln durch die Gassen flutscht. Manchmal allerdings wird das Tantchen jäh aus ihren Träumen gerissen, wenn der Polo laut piept und so den eigenverantwortlichen Bremseingriff fordert. Die Arbeit wird Käthe aber auch dadurch leichter, dass der Testwagen eine Rückfahrkamera besitzt. Für 275 Euro extra gibt es nämlich auch die.
Und auch sonst ist im Polo Wohlfühlatmosphäre angesagt. Die Sitze sind straff und mit schönen und robusten Stoffen bespannt. Die Seitenwangen sind leicht erhöht, so dass die Tante auch im Sportmodus ordentlich ums Eck fegen kann und selbst wenn sie über die Buckelpiste braust, findet sie Halt. Ganz wichtig aber: Auf langen Strecken tut ihr der Rücken nicht weh. Vielmehr greift sie, wenn sie so dahingleitet, nach der 1,5 Liter großen Wasserflasche, die in der Seitentür verstaut ist, und nimmt einen ordentlichen Schluck. Schade nur, dass diese Option nur für die vorderen Türen vorgesehen ist. Für die in der zweiten Reihe nicht ganz so komfortabel Gebetteten gibt es lediglich einen Klapphalter am Ende des Mitteltunnels. Dort kann aber auch nur eine 0,5-Liter-Flasche abgestellt werden, die dazu neigt, aus der Halterung zu kippen.
Begeisterung über Verarbeitung
Was der Tante aber am besten gefällt, ist die Verarbeitung des Wolfsburgers. Käthe geht in ihrem Jubel sogar so weit, dass sie sagt, dass sich so mancher Premiumhersteller hier eine Scheibe abschneiden könnte. Denn es klappert oder ruschelt auch auf Kopfsteinpflaster nicht im Polo. Und wenn es das doch macht, dann nur, weil die unter den Vordersitzen befindlichen Staufächer mit Tantchens Klapperkram gefüllt sind. Und noch etwas begeistert die Dame: Ihr Smartphone lässt sich nämlich problemlos mit der Multimediaeinheit über Bluetooth koppeln, was sie nicht nur in die Lage versetzt die neuesten Hip-Hop-Songs des Neffen über sechs Lautsprecher poltern zu lassen, sondern es gibt ihr auch die Möglichkeit auf langen Autofahrten mit allen Verwandten zu telefonieren, ohne die Hände vom Lenkrad nehmen zu müssen.
Und lange Fahrten sind wie gesagt mit dem Polo kein Problem. Schließlich bietet er neben dem Fahrkomfort auch noch einen für seine Größe ordentlichen Kofferraum. Bei aufgestellter Rückenlehne sind es 280 Liter, die durch einen doppelten Ladeboden aufgeteilt werden. Allerdings versucht Tantchen die schweren Sachen immer oben zu lassen, denn wenn der Ladeboden gehoben wird, geht es über eine steile Ladekante tief in das Heck des Polos hinab. Wenn die Tante aber in dieses große skandinavische Möbelhaus fährt, dann legt sie die Rückenlehne einfach um und hat so eine plane Fläche, auf der immerhin 952 Liter verschwinden.
Also alles in allem gibt es nichts, das der ehemals als Billigvariante aufgelegte Polo zu einem Preis von 22.171 Euro in der Ausstattungslinie Highline nicht hätte. Denn neben den schon erwähnten zusätzlich zu bezahlenden Annehmlichkeiten gibt es hier in Serie eine Mittelarmlehne mit Ablagebox, eine asymmetrisch geteilte Rücksitzbank, Textilfußmatten vorn und hinten, eine Multikollisionsbremse, Warnblinkautomatik bei Vollbremsung, Berganfahrassistenten, elektrische Fensterheber, höhen- und längenverstellbare Lenksäule, beleuchtete Make-up-Spiegel, beheizte Wischwaschdüsen vorn und eine Scheinwerferreinigungsanlage - um nur einiges zu nennen.
Fazit: Der neue Polo ist nicht nur gewachsen, sondern auch technisch so aufzurüsten, dass er sich hinter den Großen der Straße nicht mehr verstecken muss. Hinzu kommt, dass er mit ausgezeichneter Verarbeitung glänzt und hier weiterhin Maßstäbe setzt. Insofern ist der Einstiegspreis von 18.325 Euro in der Klasse der Kleinwagen sicher kein Schnäppchen, aber gemessen am Gesamtpaket durchaus fair. Zumal hier eben schon ein 90 PS-Motor und ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe enthalten sind. Insofern ist der Polo nicht nur ein Auto für Tante Käthe. Zumal sich auch der Wertverlust nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Bähr & Fess Forecasts für den Polo in Grenzen hält. Lediglich 8748 Euro müssen in vier Jahren abgeschrieben werden. Oder anders gesprochen: Es bleibt nach dieser Zeit ein Restwert von 9577 Euro.
DATENBLATT | Volkswagen Polo 1.2 TSI Highline |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 3,97 / 1,68 / 1,45 m |
Leergewicht (DIN) | 1139 kg |
Sitzplätze | 5 |
Ladevolumen | 280 - 952 Liter |
Motor | Reihen-Vierzylinder mit Turboaufladung, 1197 ccm Hubraum |
Getriebe | 7-Gang-Automatikgetriebe |
Systemleistung | 66 kW/ 90 PS |
Kraftstoffart | Benzin |
Antrieb | Frontantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 184 km/h |
max. Drehmoment | 160 Nm bei 1400 - 3500 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 10,8 s |
Normverbrauch kombiniert (Stadt, Land, kombiniert) je 100 km | 5,8 / 4,1 / 4,7 l |
Testverbrauch | 6,8 l |
Tankinhalt | 45 l |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 107 g/km |
Emissionsklasse | EU 6 |
Grundpreis | 18.325 Euro |
Preis des Testwagens | 22.171 Euro |
Quelle: ntv.de