Renault macht's mutig und stimmig Twingo startet mit einem smarten Lächeln
06.01.2015, 14:51 Uhr
Der neue Renault Twingo wird mit 71 oder 90 PS Leistung angeboten.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Technisch radikal anders, aber genauso knuffig wie früher: Das ist der neue Twingo. Der Kleinwagenspross aus der Liaison zwischen Daimler und Renault soll Boden gutmachen für den französischen Hersteller. Was er kann, zeigt der n-tv.de-Praxistest.
Mehr als 20 Jahre ist es her, da verzückten zwei Kulleraugen die Kleinwagenkunden. Der erste Twingo blickte so schelmisch aus den Autosalons, dass vor allem die Damenwelt dahinschmolz. Dass man nur weibliche Kunden haben will, wird man von Renault nicht zu hören bekommen, aber es ist sicher auch kein Zufall, dass der Schminkspiegel beim neuen Twingo an der Sonnenblende der Fahrerseite angebracht ist.
Die abgelöste Generation machte Renault Deutschland zuletzt immer weniger Freude. Das neue Modell beginnt aber, die Delle der ersten Jahreshälfte wieder auszugleichen, und am Ende dürften deutlich über 20.000 Neuzulassungen für den Twingo in der Neuzulassungs-Bilanz stehen. Luft nach oben gibt es genug, denn 2012 wurden immerhin mehr als 22.000 Twingos in Deutschland abgesetzt.
Rund zwei Drittel seiner Substanz teilt sich der Twingo des Jahrgangs 2014 mit dem Smart Forfour. Das Äußere gestaltet jede Marke im Rahmen der Möglichkeiten selbst, aber die enge Verwandtschaft ist natürlich unverkennbar. Ebenso neu wie ungewöhnlich im Kleinwagen-Segment ist das Heckmotor-Konzept und auch vier Türen gab es bisher beim Twingo noch nicht. Für den n-tv.de-Test stand das Einstiegsmodell mit Reihendreizylinder zur Verfügung. Aus einem Liter Hubraum holt das Aggregat 71 PS Leistung. Das klingt bescheiden, relativiert sich aber etwas, wenn man berücksichtigt, dass der fahrbereite Wagen weniger als 950 Kilogramm wiegt.
Bequemes Ein- und Aussteigen
Die sympathisch gestaltete Frontpartie mit den großen Scheinwerfergläsern und der Marken-Raute in Zentrum ist die Visitenkarte des City-Flitzers. Die Karosserie wirkt nicht nur kürzer, sie ist es auch: 3,60 Meter bedeuten rund zehn Zentimeter Einsparung gegenüber dem Vorgänger. Das geänderte Antriebskonzept schafft Platz zwischen den Achsen: Obwohl er rund zehn Zentimeter kürzer als zum Beispiel ein Opel Adam ist, übertrifft der Twingo dessen Radstand um 18 Zentimeter. Das Dach ragt bis auf 1,56 Meter, womit der Wagen fast so hoch wie breit ist. Die vier Türen werden durch Klappgriffe von außen geöffnet, wobei die hinteren senkrecht auf Scheibenhöhe sitzen. Viel Kraft kann man mit den rutschigen Griffen auf die Türen nicht ausüben. Wenn eisige Witterung die Gummidichtungen mit dem Türblech verklebt, kann es einige Versuche dauern, bis man den Schlag geöffnet hat.
Die luftige Kabine erlaubte es, die Sitze so hoch einzubauen, dass der bequeme Ein- und Ausstieg schon fast an ein Crossover-Modell wie den Captur erinnert. Der Motor auf der Hinterachse bedingt, dass die Ladekante mit 80 Zentimetern recht hoch ist. Immerhin ist die Ladefläche ab Klappenschloss eben und das bleibt auch so, wenn die Rücksitze umgelegt sind. 219 Liter gibt Renault als Gepäckraumvolumen an, bei umgelegten Sitzen sind es 980 Liter. Die Hoffnung auf ein zusätzliches Staufach vorn erfüllt sich nicht. Dort ist lediglich ein Servicemodul untergebracht, wo zum Beispiel das Kühlwasser nachgefüllt wird.
Will ein Hersteller ein neues Modell entwickeln, können sich die Kosten schnell auf eine Milliarde Euro summieren. Soll das Auto in einem Preissegment zwischen 10.000 und 13.000 Euro konkurrieren, kann man bei der Grundausstattung keine großen Sprünge machen. Deshalb regiert oft karges Hartplastik-Interieur, wird die Längsverstellung der Lenksäule eingespart, klingen die Türen hohl und blechern. Da macht der Twingo leider keine Ausnahme. Aber das Bemühen um Wohnlichkeit ist erkennbar, es gibt Abwechslung in der Oberflächen-Struktur und Kontraste bei den Verkleidungen, die Vordersitze mit integrierten Kopfstützen sind bequem und langstreckentauglich.
Heckantrieb ohne Überraschungsmoment
Zur Ausstattungslinie "Dynamique" gehören außer dem höhenverstellbaren Fahrersitz noch die Berganfahrhilfe, umklappbare Beifahrersitzlehne und Soundanlage sowie Bordcomputer und eine Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung. Sie ist 900 Euro teurer als das 9590 Euro kostende Basismodell. Leider wirkt die Zentralverriegelung nicht auf die Tankklappe, so dass beim Nachfüllen des Kraftstoffs immer mit dem Zündschlüssel hantiert werden muss. Lästig ist zuweilen auch die Tatsache, dass die Öffnung der gläsernen Heckklappe nur mittels Druck auf die Taste im Schlüssel zu bewerkstelligen ist. Eine Klimaanlage muss für 790 Euro extra geordert werden, das nützliche City-Paket gibt es für 290 Euro. Es umfasst elektrisch verstell- und beheizbare Außenspiegel sowie eine Einparkhilfe hinten. Sie ist mit nur drei Sensoren ausgestattet, so dass man beim Rangieren dennoch Vorsicht walten lassen sollte.
Der Antrieb zeigt sich genauso freundlich wie das Gesicht des Twingos. Das selbstbewusste Schnurren hinter sich zu hören, ist zunächst gewöhnungsbedürftig, zumal es mit steigender Drehzahl kerniger wird. Auch wenn nur 91 Newtonmeter Drehmoment zu Buche stehen, so wirkt der Wagen in Bewegung doch lebhaft und quirlig. Nur über Land ist es manchmal mühsam, das Überholen eines Lasters will sorgfältig geplant sein. Der Heckantrieb stellt keine besondere Herausforderung dar. Selbst auf nasser oder verschneiter Fahrbahn halten ABS und ESP zuverlässig alle Einflüsse im Zaum, die Fahrstabilität oder Fahrzeugkontrolle negativ beeinflussen könnten.
Minimalist beim Wenden
Die Langstrecke ist sicher nicht das bevorzugte Einsatzgebiet eines Twingos, doch hin und wieder ist halt eine längere Autobahnpassage fällig. Dann wünscht man sich einen sechsten Gang, denn die anhaltend hohe Motordrehzahl ärgert das Trommelfell. Die werksseitig angegebene Höchstgeschwindigkeit übertraf der Testwagen um rund fünf Stundenkilometer. Am Sitzkomfort gibt es selbst nach mehreren hundert Kilometern nichts zu tadeln, man steigt genauso entspannt wieder aus, wie man eingestiegen ist.
In der Stadt macht der Twingo durch Handlichkeit und Wendigkeit Freude. Da keine Antriebswellen die Vorderachs-Architektur stören, kommt er mit einem Wendekreis von unter neun Metern aus. Obwohl der Kurzstreckenanteil bei den Testfahrten gering ausfiel, waren 6,1 Liter Durchschnittsverbrauch nicht zu unterbieten. Das sind 1,6 Liter mehr als nach EU-Norm ermittelt wurden. Den 70-PS-Motor gibt es auch in Verbindung mit einer Start-Stopp-Automatik, womit sich laut Hersteller der Verbrauch noch einmal um 0,3 Liter je 100 Kilometer senken lässt.
Fazit: Einen Twingo zu starten, der Motor und Antrieb an der Hinterachse hat, war für Renault sicher ein mutiger Schritt. Herausgekommen ist ein stimmiges Konzept, das alle Vorzüge bietet, die man von einem Kleinwagen verlangt. Unerfreuliche Randerscheinungen sind häufig dem Kostendiktat zuzuschreiben, insgesamt ist der Dreizylinder-Twingo ein zuverlässiger Begleiter für die meisten Fahraufgaben. Ein Sechsganggetriebe und serienmäßiges Start-Stopp würden ihn perfekt machen.
DATENBLATT | Renault Twingo SCe 70 eco |
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) | 3,60 / 1,65 / 1,56 m |
Leergewicht (Herstellerangabe) | 939 kg |
Radstand | 2,49 m |
Sitzplätze | 4 |
Höhe Ladekante | 80 cm |
Ladevolumen normal / Rückbank umgeklappt | 219 / 980 Liter |
Maximale Zuladung | 420 kg |
Motor | 3-Zylinder-Reihenmotor mit 999 ccm Hubraum |
Getriebe | 5-Gang manuell |
Leistung | 71 PS (52 kW) bei 6000 U/min |
Kraftstoffart | Superbenzin |
Antrieb | Hinterradantrieb |
Höchstgeschwindigkeit | 156,6 km/h (GPS-Messung) |
max. Drehmoment | 91 Nm bei 2850 U/min |
Beschleunigung 0-100 km/h | 14,5 Sekunden |
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert) | 3,9 l / 5,6 l / 4,5 Liter |
Testverbrauch | 6,1 Liter |
Tankinhalt | 35 Liter |
CO2-Emissionen (Normverbrauch) | 105 g/km |
Grundpreis | 10.490 Euro |
Preis des Testwagens | 12.620 Euro |
Quelle: ntv.de