Praxistest

Spät, aber vielversprechend VW Tiguan am Start

Wer spät kommt, den belohnt das Leben: Wenn diese Abwandlung des legendären Gorbatschow-Zitats auf einen Automobilbauer zutrifft, dann auf Volkswagen. Kein anderer hat es bisher geschickter verstanden, mit der Einführung eines neuen Pkw-Konzepts so lange zu warten, bis die Konkurrenz sich in Stellung gebracht hat, um anschließend mit dem eigenen Modell schnurstracks an die Spitze der Zulassungsstatistik zu marschieren.

Das war beim Coupé-Cabriolet nicht anders als beim Kompakt-Van, die Modelle Eos und Touran erschienen als Nachzügler in einem scheinbar aufgeteilten Markt. Dennoch dauerte es nicht lange, bis die Kunden ihnen die Marktführerschaft in den jeweiligen Segmenten zuwiesen. Da dürfte der kompakte Geländegänger Tiguan keine Ausnahme machen. Schon jetzt sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Mehr als 10.000 Bestellungen lagen zum Marktstart am 9. November vor und das, obwohl das Auto noch niemand gefahren hat und es erst seit Mitte September überhaupt geordert werden kann.

Neben dem X 3 von BMW ist der Tiguan das einzige Auto, das sich in dieser Klasse mit dem Siegel "made in Germany" schmücken kann. Ansonsten wimmelt es bei den kompakten Sport Utility Vehicles (SUV) nur so von asiatischen Modellen wie Honda, Kia, oder Toyota sowie amerikanischen (Jeep Compass) und britischen Erzeugnissen (Land Rover Freelander). Seit 2002 hat sich der Absatz von Autos dieser Kategorie mehr als verdoppelt. Und weil allen Prognosen zufolge der Markt der kleinen SUV noch weiter wachsen wird, kommen in den nächsten Jahren auch noch Mercedes und Audi hinzu.

Die Liebe ist dahin

Große Aufgaben also für das Kunstwesen aus Tiger und Leguan, sein Revier rechtzeitig winterfest zu machen. "Es wäre schön gewesen", sagt der VW-Vorstand für Marketing und Vertrieb, Dr. Michael Kern, "so ein Auto schon früher im Programm zu haben, aber wir wollen jetzt das Feld von hinten aufrollen." Dabei ist das dem Tiguan gerade zuerkannte "Goldene Lenkrad" in der Kategorie Geländewagen sicher nicht hinderlich.

Optisch deutet das Fahrzeug bereits die bevorstehende Abkehr vom sogenannten Wappengrill an, der dem neuen VW-Chef Martin Winterkorn nicht gefiel und zu Audi-ähnlich erschien. Diese Optik wird künftig ebenso wenig Bestand haben wie die "Liebe zum Automobil", die als Werbeslogan schon ausgedient hat.

Zum Marktstart gibt es zwei Motorisierungen und sechs Ausstattungsvarianten, dazu eine handvoll origineller Ideen, die die Konkurrenz bisher nicht hat. Eine davon ist das "zweite Gesicht". Je nachdem, ob der Besitzer zu Ausflügen jenseits der Straße neigt oder nicht, ist der Tiguan mit zwei verschiedenen Frontpartien zu haben. Bekanntlich werden allenfalls 10 Prozent der geländegängigen Autos jemals unter Offroad-Bedingungen eingesetzt, aber VW bietet für die Geländefraktion eine Bugschürze an, mit der man einen Böschungswinkel von 28 Grad erklimmen kann, ohne aufzusetzen. Wer lieber die limousinenähnliche Form möchte, muss bei 18 Grad passen. Pfiffig ist zum Beispiel die klappbare Anhängerkupplung, die arretiert und wieder unter dem Stoßfänger versteckt werden kann, ohne dass man sich die Finger schmutzig machen müsste.

Gute Figur auf Schlamm und Rüttelpiste

Schlamm- und Kletterfähigkeit, Verschränkungs- und Kippwinkel des kleinen Touareg-Bruders wurden unlängst internationalen Pressevertretern vorgeführt. Ergebnis: Das Auto kann im Gelände tatsächlich allerhand. Vor allem konnten sich die Autotester jedoch ein Bild von der Staufestigkeit des Tiguan machen, der als junges Wild auf verstopften Budapester Straßen verzweifelt nach Auslauf zu suchen schien. Da blieb viel Zeit, sich über die guten Platzverhältnisse und die ordentliche Verarbeitung zu freuen. Die hintere Sitzreihe ist wie eine Kinobestuhlung etwas höher montiert als die Vordersitze, so dass man auch hinten etwas von der luftigen Atmosphäre des Innenraums hat.

Neu im Angebot ist ein 1,4-Liter-Benziner, ein doppelt aufgeladener Direkteinspritzer mit 150 PS. Später werden auch Motoren mit 170 PS und 200 PS folgen. Nicht ohne Mühe bringt der kleine Motor das fast 1600 Kilo schwere Auto in Fahrt, läuft dabei aber leise und kultiviert. Erfolg der Zwangsbeatmung: Das maximale Drehmoment von 240 Newtonmetern steht schon ab 1750 Umdrehungen zur Verfügung.

Die lange von VW angekündigte Wende zum Common-Rail-Dieselmotor läutet jetzt der Tiguan als erstes Modell mit dieser Art der Kraftstoffaufbereitung ein. Der zwei Liter große Selbstzünder leistet 140 PS und bietet sein maximales Drehmoment von 320 Newtonmetern ebenfalls ab 1750 U/min an. Beim Durchschnittsverbrauch liegt der Benziner bei 9,3 Litern (199 g CO2 pro Kilometer) und der Diesel bei 7,2 Litern und 189 Gramm Kohlendioxidausstoß pro Kilometer - jeweils auf der Basis des manuellen Sechsgang-Standardgetriebes.

Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt. Die sehr präzise Lenkung gibt gute Rückmeldung und macht das Handling einfach. Als Zupferd ist das Fabelwesen durchaus nicht ungeeignet. Erlaubt sind maximal 600 Kilo Zuladung und eine Anhängelast von bis zu 2,5 Tonnen, womit sich schon ein Pferdeanhänger bequem ziehen lässt. Bei sehr konkurrenzfähigen 26.700 Euro beginnt die Preisliste für die Ausstattungslinie Trend & Fun. Die Offroad-Zusatzausstattung ist in der Linie Track & Field enthalten, die mit gut 1100 Euro mehr zu Buche schlägt. Als Diesel mit verbesserter Komfortausstattung und 6-Gang-Automatik werden 32.450 Euro fällig

  

Quelle: ntv.de

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