Auto

So fährt der Cayenne S Hybrid Erster Porsche zum "Segeln"

Der Prototyp trägt das Blechkleid des aktuellen Cayenne. Wenn der Hybrid auf den Markt kommt, dann im Outfit der nächsten Generation.

Der Prototyp trägt das Blechkleid des aktuellen Cayenne. Wenn der Hybrid auf den Markt kommt, dann im Outfit der nächsten Generation.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Porsche kann auch Hybrid. Das zeigt des Cayenne S mit Elektro-Unterstützung. Ziel ist es, das Dickschiff auf einen Verbrauch unter neun Liter zu bekommen.

Er ist in unscheinbarem Silbergrau lackiert, in Stuttgart mit der üblichen Buchstabenkombination "GO" amtlich zum öffentlichen Straßenverkehr zugelassen und würde da nicht das Reizwort "Hybrid" an den Flanken stehen, würde wohl niemand von ihm Notiz nehmen. Dieser Porsche Cayenne ist ein Prototyp, irgendwann im nächsten Jahr soll er auf den Markt kommen.

Der Zuffenhausener Sportwagenhersteller ist zwar weltweit vertreten, aber sein Absatzschwerpunkt liegt im Westen der USA. Nirgendwo sonst auf dem Globus greifen Wohlhabende so zielstrebig zu den Produkten aus dem Ländle. Von bis heute rund 80.000 verkauften Modellen 911 turbo wurden rund 30.000 in Kalifornien geordert. Doch der Zeitgeist hat sich auch in Malibu, Beverly Hills und Palm Springs geändert. Statt der schieren Leistung tritt immer mehr die Umweltverträglichkeit in den Vordergrund.

Deshalb braucht Porsche dringend ein Modell mit Hybridantrieb. Der Cayenne ist praktisch fertig, er kommt nach jetziger Planung in der zweiten Hälfte 2010 auf den Markt. Bei der Los Angeles Auto Show konnten die Besucher das Auto bereits bestaunen. Das viertürige Coupé Panamera wird die nächste Baureihe sein, die mit dem kombinierten Elektro-Verbrennungsantrieb ausgestattet ist.

Auftrag: "Unter neun Liter"

Wer Jahrzehnte lang für schnelle, leistungsstarke und teilweise auch spritschluckende Pkw bekannt ist, tut sich mitunter schwer, sich als Öko-Pionier zu präsentieren. Historische Tatsache und leicht nachprüfbar ist aber, dass der Konstrukteur mit dem so genannten Lohner-Porsche bereits im Jahr 1900 ein droschkenartiges Fahrzeug fertig gestellt hatte, das Strom- und Verbrennungsenergie gleichermaßen in Vortrieb umsetzen konnte.

Der Monitor in der Mittelkonsole vermittelt einen Überblick auf die Kraftsttröme von Elektro- und Verbrennungsmotor

Der Monitor in der Mittelkonsole vermittelt einen Überblick auf die Kraftsttröme von Elektro- und Verbrennungsmotor

(Foto: Textfabrik/Busse)

Der Cayenne von morgen verspricht die Leistung eines V8-Benzinmotors mit den Verbrauchswerten eines V6, möglichst noch darunter. Als Zielgröße für den Kraftstoffkonsum gilt, nach dem EU-Normzyklus weniger als neun Liter je 100 Kilometer hinzubekommen. Als Kraftquelle dient dem Cayenne S Hybrid ein direkt einspritzender V6-Motor mit Kompressoraufladung, der aus dem Audi-Regal stammt, und ein Elektromotor, der 38 Kilowatt oder 51 PS locker machen kann.

Die kurze Ausfahrt im so gar nicht winterlichen Los Angeles wird zu einer unerwartet hitzigen Angelegenheit. Offenbar ist die Regelelektronik so programmiert, dass die 288-Volt-Batterie im Heck ihre Energie hauptsächlich für die Vorwärtsbewegung und weniger für den Betrieb der Klimaanlage bereitstellt. "Bis zur Serienreife ist das Problem gelöst", verspricht Wolfgang Herdeg, der auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Er ist Leiter der Vorentwicklung bei Porsche und hat das Hybrid-Projekt von Anfang an begleitet.

Nickel-Metall-Hydrid statt Lithium-Ionen

Im Laufe von zwei Jahren hat sich die Technik des Autos, von der Öffentlichkeit so gut wie unbemerkt, grundlegend verändert. 2007 trug der Prototyp noch einen 3,6 Liter großen V6-Motor, das Aggregat der Ausbaustufe von Ende 2009 hat nur noch drei Liter Hubraum, dafür aber Direkteinspritzung und Kompressoraufladung. Aus damals 280 PS des Verbrenners sind heute 333 geworden. Die Leistung der Elektro-Maschine blieb gleich. Als Kraftübertragung diente zunächst eine Sechsgang-Automatik, mit der ein Verbrauch von unter zehn Litern je 100 Kilometer anvisiert war. Mit der neuen Achtgang-Automatik sollen weniger als neun Liter möglich sein.

Frei gelegte Hybrid-Technik: Die roten Elemente hat das Doppelherz-Auto gegenüber dem normalen Cayenne zusätzlich an Bord.

Frei gelegte Hybrid-Technik: Die roten Elemente hat das Doppelherz-Auto gegenüber dem normalen Cayenne zusätzlich an Bord.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Ob die Insassen für solch eine Sparsamkeit schwitzen müssen, verneint Wolfgang Herdeg kategorisch und öffnet das Fenster. Die Batterie, die durch ihre Abwärme zur Aufheizung des Innenraums beträgt, ist ein klassischer Nickel-Metallhydrid-Akku. Er bringt samt Steuerelektronik etwa 100 Kilo Mehrgewicht ins Auto. Zwar benutzt auch Porsche schon die leichteren Lithium-Ionen-Akkus mit geringerer Kapazität in anderen Baureihen, "bis sie für die Verwendung in einem Parallel-Hybrid wie dem unseren zur Verfügung stehen", sagt Herdeg, "wird aber noch etwas Zeit vergehen."

Hybridmanager ist das Gehirn

Nur wenn der Verbrennungsmotor eingreift, hört sich dieser Cayenne wie ein Porsche an. Der Antritt nach dem Ampelstopp ist herzhaft, aber nicht brachial, wenn der Sechszylinder wieder abgeschaltet wird, ist das Abrollgeräusch der Reifen das Lauteste, was man zu hören bekommt. Im Monitor an der Mittelkonsole, wo sonst die Navigationskarte zu sehen ist, klären farbige Linien darüber auf, wie die Energieströme gerade durch das Fahrzeug laufen. Eine vereinfachte Darstellung findet der Fahrer in den Rundinstrumenten vor sich. Rechts außen zeigt eine Plus-Minus-Skala, ob gerade Energie verbraucht oder gewonnen wird.

Wichtigster Bestandteil der Regeltechnik ist der so genannte Hybridmanager, eine Art Gehirn des Autos, das mehr als 20.000 Sensor- und Messdaten koordiniert. Über den Hybridmanager wird auch das feinfühlige An- und Abschalten des Benzinmotors geregelt. So kann binnen 300 Millisekunden während der Fahrt der Benzinmotor gestartet werden, ohne dass dies beim Fahren durch einen Ruck spürbar wäre. Umgekehrt ist auch die Verzögerung, anders als in einem reinen Elektromobil, kaum spürbar, das im Schubbetrieb die Energie wieder einfängt. Dass beim Bremsen die Batterie geladen wird, versteht sich von selbst.

Segeln bis zu 138 Stundenkilometer

"Jetzt segeln wir", sagt Wolfgang Herdeg und seine Stimme hat einen triumphierenden Unterton. Es scheint, als habe Porsche das maritime Vokabular für sich entdeckt, denn seit die unhandlichen Schalttasten am Lenkrad verschwunden sind, kann man im 911 turbo ja auch paddeln. Den Begriff "segeln" haben die Porsche-Entwickler für den Fahrzustand gewählt, in dem der Cayenne S ohne jeglichen Energieverbrauch unterwegs ist. Beim ersten Hybrid ging das bis 120 km/h jetzt sogar bis 138.

So geschwind sind wir in den Straßen von Los Angeles natürlich nicht unterwegs. Doch da häufig nur Fahrtwind und Rollgeräusche zu hören sind, erscheint das "Segeln" als Beschreibung plausibel. Immer, wenn der Fuß des Fahrers das Gaspedal verlässt, wird gesegelt. Je öfter, desto besser für den Durchschnittsverbrauch. 8,9 Liter heißt die Vorgabe und die Ingenieure wissen auch, mit welchem Anteil die verschiedenen Wirkmechanismen dieses Ziel realisieren sollen. Zu 70 Prozent werden die beiden Motoren in die Pflicht genommen, wobei 26 Prozent auf rein elektrisches Fahren entfallen sollen. Die Rekuperation trägt zwölf und die Start-Stopp-Automatik 18 Prozent bei. So soll es sein, wenn das Fahrzeug zum EU-Normtest auf dem Prüfstand steht. Wie sich die Gewichte in der Praxis verteilen, hat der Fahrer im rechten Fußgelenk – egal, ob er mit einem Hybrid oder einen herkömmlichen Porsche unterwegs ist.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen