
Frauen reiten auf der Welle heute ganz oben mit. Das gefällt manchen Männern nicht. Ist aber nicht mehr zu ändern.
(Foto: IMAGO/MediaPunch)
Neulich hatte ein Kollege von mir einen echten Denkflash. Es ging darum, ob der Mann eventuell doch nicht die Krone der Schöpfung und generell überhaupt überlebensfähig ist. Daraufhin musste ich erstmal nachdenken - von einer Krise der Frau kann auf jeden Fall keine Rede sein.
Manchmal wäre ich gern ein Mann, zugegeben. Zu den Vorteilen des Mann-Seins, mal abgesehen vom Pinkeln im Stehen (wozu auch der Spitzfindigste aller Leser keinen Penisneid bei mir hineinkonstruieren sollte) gehörte in meinen Augen immer so eine bestimmte Art der Lässigkeit, die den meisten Mädchen, sorry, nunmal nicht angeboren ist. Jungs stellen sich an einen Spielfeldrand, sagen: "Kann man hier mitspielen?" und schon spielen sie mit: Eishockey, Fußball, Trinkspiele. Es ist egal, was sie anhaben. Also meistens, es gibt natürlich auch da Ausnahmen. Hat ein Junge erstmal Freunde, sind sie das oft auf Lebenszeit. Mädchen müssen immer ein bisschen kämpfen, liefern, Show machen. Natürlich gibt es auch bei Jungs Außenseiter, natürlich sind auch Mädchen cool, aber Mädchen zu sein bedeutet überwiegend mehr Anstrengung und nachdenken.
Zugegeben - das, also nachdenken, können Mädchen besser. Aber Jungs haben von klein auf ein Netzwerk, das sie trägt, manchmal noch Jahre später, und sie bekommen wieder einen Chefposten, wenn sie irgendwo rausfliegen, weil sie vorher ja auch einen hatten. Ob sie was können oder nicht - gar nicht so wichtig, man(n) kennt sich schließlich ewig.
Frauen müssen sich behaupten. Stetig bauen sie ihre Netzwerke auf, wobei seit einiger Zeit Folgendes zu beobachten ist: Sie haben von den Jungs abgeguckt, und zwar richtig gut. Auch sie müssen, wenn erst einmal gut vernetzt, oft gar nichts können müssen, wenn sie nur die richtigen Freundinnen haben. Man beziehungsweise frau feiert sich eben gern auch einfach nur fürs Frau -Sein ab, fürs Nicht-bitchy-Sein, dafür, ein besonders hübsches Blumenkleid angehabt, einen einzigen klugen Satz gesagt zu haben, oder ganz viele Follower auf Instagram zu vereinen. Frauen müssen manchmal also nur eine Frau sein. Nach einer gewissen Phase der Irritation komme ich zu dem Schluss: Das ist eine gute Nachricht.
Denn die Frau in der Krise, die gab es lange genug. Eigentlich schon immer. Sie war unterdrückt, abhängig, ungebildet. Heute sind Frauen das nicht mehr. Wenn sie es sind, dann, weil Männer sie dazu zwingen. Siehe Iran. Aber auch dort gibt es inzwischen genug Männer, die das nicht mehr wollen, die sich für ihre Frauen, Schwestern, Töchter, ja sogar ihre Mütter, ein selbstbestimmtes Leben wünschen. Die in einer Frau keine Sklavin sehen, sondern einen gleichwertigen Menschen, eine Partnerin. Mädchen von heute sind oft besser in der Schule, schließen ihre Studien ab, bekommen aber dennoch nicht den Job, den dann ein Mann mit weniger Qualifikation bekommt. Für mehr Geld. Woran liegt das? Dass Frauen immer noch die Kinder bekommen? Dass sie sich noch immer zu wenig zutrauen? Dass "die Gesellschaft" immer noch zu viele Rollenbilder für sie bereithält, die eine Frau zu erfüllen hat? Bei aller Liebe - da ist weiterhin viel zu tun. Auch wenn Frauen nun irgendwie "in" sind und Männer "out".
Ich hasse alte Leute
Eine Frau zu sein, hach, das ist etwas Wunderbares. Wenn ich, wie bereits erwähnt, ein Mann sein wollte, dann nur für einen Tag, testweise. Ich wäre eben auch gern mal einen Tag lang ein Löwe oder ein Vogel. Oder wieder jung. Alles Spinnereien, ich weiß. Aber da ich mich inzwischen in der zweiten Lebenshälfte befinde, mache ich mir mehr Gedanken über das Ende als über den Anfang. Da ich grundsätzlich so erzogen wurde, dass man vor dem Alter gefälligst Respekt zu haben hat, fällt mir als Berufsjugendliche folgende Aussage auch echt nicht leicht, aber: Ich glaube, ich hasse alte Leute. Sie sind egoistisch, drängeln sich vor, haben kein Herz für die Jugend, haben kein Herz für andere.
Ich beobachte das immer wieder: Warum vereinsamen alte Leute denn? Doch nicht, weil sie keine anderen alten Leute um sich herum hätten. Unsere Gesellschaft ist schließlich vollkommen veraltet. Nein, es liegt daran, dass alte Leute selbst andere alte Leute nicht leiden können, weil sie ihnen den Spiegel vorhalten. Ihr eigenes Bild von sich ist das einer ewig mittelalten Person, da bleibt man stehen im Kopf, das hat mir eine alte Frau (die ich übrigens toll fand, da sie äußerst reflektiert war) verraten. Alte Leute wollen den Verfall der anderen nicht wahrhaben, sonst müssten sie sich ja eingestehen, dass sie auch am Verfallen sind.
Aber ich schweife ab. Ich wollte gar nichts über alte Leute schreiben, mein Mann findet mich auch immer sehr gemein, wenn ich über die Alten stöhne. Wahrscheinlich hat er einfach Angst, dass ich ihn sitzenlasse, wenn er alt ist. Also bald. Nein, Scherz, er möchte einfach nett sein. Aber er hat auch nicht so viel mit alten Leuten zu tun wie ich. Und ganz ehrlich, ich suche mir hier und da auch jüngere Freunde und Freundinnen, weil das gesund sein soll. Nicht was Sie jetzt denken, zum geistigen Austausch natürlich. Obwohl ich Frauen natürlich beglückwünsche, wenn sie einen vernünftigen, jüngeren Mann an der Seite haben. Ich beglückwünsche aber alle Frauen, die überhaupt einen guten Mann an der Seite haben (wenn sie das möchten, und auch umgekehrt), Beziehungen sind schließlich keine einfache Angelegenheit. Aber Hand aufs Herz: Es gibt viel mehr "gute Frauen" als "gute Männer", in meinen - alten - Augen. Womit ich endlich wieder beim Thema wäre, "Frauen". Und "Krise". Also keine Krise. Warum auch? Frauen sind auf dem Weg nach oben, sie kämpfen für ihre Rechte, sie holen sich, was ihnen zusteht, sie sind auf dem richtigen Pfad. Männer zweifeln.
Schlappschwänze, Intriganten, Arschgeigen
Siehe mein bereits erwähnter Kollege, der die Serie "White Lotus" sah, an keiner der Männerrollen dort Gefallen fand und desillusioniert feststellte: "Niemand dabei, mit dem ich mich identifizieren wollen würde." Diese viel gelobte, nicht mehr ganz neue HBO-Serie ist eine Gesellschaftssatire über das sonnige Leben im Wohlstand - in dessen Schatten sich, seiner Meinung nach, ein Trauerspiel über das Mann-Sein entfaltet. Stimmt: Schlappschwänze, Intriganten, Jammerer, Arschgeigen, verweichlichte Typen - keine einzige Heldenfigur. Mal abgesehen davon, dass die Serie sensationell gefilmt ist und an vielen Stellen über gute Musik verfügt, kommen die Frauen aber auch nicht so klasse weg. Niemand kommt da eigentlich gut weg. Nicht mal Kinder kommen in der Serie gut weg, es gibt keine einzige Person, mit der ich mich identifizieren möchte.
Meine Oma hätte jetzt gesagt: "Kindchen, ist doch nur ein Film". Das sagte sie vor allem dann, wenn es gruselig wurde. Und ich sagte dann: "Ja, aber Omi, den Mist hat sich doch jemand ausgedacht - also gibt es Menschen, die so krass oder krank denken." Noch einmal zu "White Lotus": Die Frauen in der Serie taugen nicht als Vorbild, keine einzige. Jammer ich deswegen? Mach' ich mir Gedanken übers Frau-Sein? Kaum. Und wenn, komme ich nicht im Entferntesten auf den Gedanken, dass "die Frau" "in der Krise" ist. Mein Kollege wegen der Männer schon. Was sagt das über den Mann? Ich glaube, Sie machen sich jetzt am Wochenende mal lieber Ihre eigenen Gedanken.
Ach ja, eine letzte Anmerkung: Auf der Suche nach einem Foto zur Bebilderung meiner Kolumne bin ich auf die Fotos der surfenden Profi-Frauen gestoßen. Sie symbolisieren für mich, dass Frauen heute alles können, alles dürfen. Sie sind oben, sie schweben, gleiten, rasen. Warum ich dieses Loblied der Frau singe? Weil ich selbst eine bin. Ich rase.
Quelle: ntv.de