25 Jahre Odenthal-"Tatort" Am Ende bleibt nur Katzenfutter
26.10.2014, 21:44 Uhr
Nach einer weiteren schlaflosen Nacht ist Odenthal völlig von der Rolle.
(Foto: SWR/Alexander Kluge)
Ausgebrannt, einsam und ungeliebt: Ein Vierteljahrhundert nach Dienstantritt ist Kommissarin Odenthal nur noch ein Schatten ihrer selbst. Was schlecht für die Ermittlerin ist, befeuert den "Tatort" - genau wie die Champagnerflasche im Hintern des Opfers.
Es ist Sonntagmorgen und der Gin tropft Lena Odenthal förmlich aus allen Poren. Und dann lässt sie auch noch der Barkeeper abblitzen, an dessen Tresen die Kommissarin die letzten acht Stunden getrunken hat: "Meine größte Angst ist, dass ich allein zu Hause sterbe, und dass mich niemand findet, weil mich niemand vermisst, und dass meine Katze nach ein paar Tagen, wenn das Katzenfutter aufgebraucht ist, anfängt, mich aufzufressen", sagt die Ermittlerin mit einer Stimme, die noch rauer ist als ohnehin schon. Odenthal ist sehr einsam, die Selbstcharakterisierung, die sie aus ihren 25 Dienstjahren destilliert, niederschmetternd.
Kommissarin mit Beißreflex
"Blackout" heißt der neueste "Tatort" aus Ludwigshafen, "Burnout" wäre als Titel aber genauso passend: Schließlich ist die Ermittlerin, die vor einem Vierteljahrhundert als weiblicher Schimanski gefeiert worden war, nur noch ein Schatten ihrer selbst. Odenthal kommt zwar immer noch so raubeinig wie der Ruhrpott-Bulle daher, ihre Bissigkeit aber ist in all der Zeit zu reinem Selbstzweck verkommen. Sie ist so empathisch wie Pfälzer Saumagen, verbaut sich durch ihren Welthass Ermittlungswege und produziert Fehler am laufenden Band. Es ist ein Trauerspiel mit Hauptkommissarin Odenthal. Und das ist gut so.
Denn zu beobachten, wie Odenthal langsam aber sicher merkt, dass sie in ihren 60 Fernsehfällen zwar mindestens ebenso viele Morde aufgeklärt, dabei aber sich selbst vergessen hat, ist für den Zuschauer eine wahre Freude. Während alle um sie herum einen Seelenmenschen haben, hat Odenthal nur ihren Partner und Mitbewohner Kopper - und der ist fast die halbe Folge auf der Hochzeit seiner Cousine in Italien. Die späte Erkenntnis ihrer Isolation löst bei der einsamen Kommissarin einen Beißreflex aus: Sobald Odenthal auch nur ein Quäntchen Glück bei den Menschen um sich herum wittert, schaltet sie in den Amokmodus. Ulrike Folkerts spielt die ausgebrannte Egomanin so glaubwürdig, dass man vor ihr den Hut ziehen möchte.
Ebenso wie vor der neuen Partnerin, die Odenthal als Ersatz für Kopper zur Seite gestellt wird: Lisa Bitter spielt die junge Profilerin Johanna Stern auf den Punkt, die Nachwuchspolizistin ist das genaue Gegenteil von Odenthal. Stern filmt und analysiert, dass jeder CSI-Ermittler seine wahre Freude daran hätte, flippt beschwingt durchs Revier und sieht einen unnatürlichen Todesfall eher als sportliche Aufgabe: "Samstags ist eh der beste Tag für einen Mord: Da hat mein Mann frei und kann auf die Kinder aufpassen", sagt Stern zum Einstand. Da muss Odenthal erstmal schlucken.
Champagnerflasche im Hintern
Der Ludwigshafener "Tatort" möchte Krimi und Psychodrama gleichzeitig sei. Ein Spagat, das phänomenal in die Hose hätte gehen können. Doch Regisseur Patrick Winczewski gelingt das Kunststück, beide Ebenen glaubhaft und gleichberechtigt einzufangen: Die Aufklärung des Mordes an einem smarten Geschäftsmann, der vergewaltigt und mit Champagnerflasche im Hintern aufgefunden wird, bleibt bis zur letzten Minute spannend - ebenso wie der freie Fall der Kommissarin, die auf ihrer 90-minütigen Abwärtsspirale sehenden Auges ins Verderben läuft.
"Wenn Du so weitermachst, fällst Du irgendwann tot um", warnt Kopper seine Kollegin. Und wenn man als Zuschauer auch in den letzten Jahren das ein oder andere Mal gedacht haben mag, dass es dann doch langsam genug sei mit den Mordfällen vom Rhein, möchte man jetzt am liebsten laut schreien: "Nein, doch nicht, wenn es gerade wieder spannend wird!"
Quelle: ntv.de