Unterhaltung

Klein, aber fein Amato Opera wird 60

Tony Amato wird demnächst 88. Er ist ein kleines, verhutzeltes Männchen, die Finger von Gicht gekrümmt, aber seine Augen sprühen vor Energie. Der gebürtige Italiener ist der Herr der Amato Opera in New York, der mit gerade mal 107 Sitzen wohl kleinsten Oper der Welt. Trotz der gleich doppelt übermächtigen Konkurrenz durch die renommierte Metropolitan Opera und die New York City Opera hat es Amato geschafft, sein Haus mit viel Elan, Liebe und Herzblut zu einer Institution für hinreißendes Musiktheater zu machen. Dieses Jahr feiert die Oper ihren 60. Geburtstag, bis zum 8. Juni steht mit Mozarts "Cos fan tutte" der Höhepunkt der Jubiläumssaison an.

Keine sechs Meter ist das Haus an der New Yorker Bowery breit, in dem Amato und sein Team die großen Opern dieser Welt aufführen - eine Schuhschachtel, kleiner als jedes durchschnittliche Kino in Deutschland. Trotzdem stehen bei großen Inszenierungen wie kürzlich Verdis "Il Trovatore" bis zu 45 Sänger auf der winzigen Bühne, in liebevoll geschneiderten Kostümen vor einem prächtigen Bühnenbild. Sogar eine Klappe im Fußboden gibt es, durch die der Teufel oder Don Giovanni entschwinden können. Nur bei der Instrumentalbesetzung werden Abstriche gemacht: Weil der "Orchestergraben", ein vier Quadratmeter kleiner Raum unter der Bühne, nicht mehr Platz lässt, sind nur sieben Bläserstimmen besetzt, den Rest muss ein elektronisches Klavier übernehmen.

"Unser Ziel ist, den Menschen die Oper zu einem vertretbaren Preis nahezubringen und sie als gutes Theater zu inszenieren", sagt Amato. Zusammen mit seiner inzwischen gestorbenen Frau Sally hat der Sänger das Unternehmen 1948 gegründet. Er arbeitete damals als Direktor eines Theaterprojekts, das aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten eine Gesangsausbildung gab. "Wir wollten eine Plattform schaffen, auf der unsere Schüler sich vor einem Publikum beweisen und Erfahrung gewinnen konnten." Die erste Aufführung vor 60 Jahren war Rossinis "Barbier von Sevilla". Sie fand noch im Keller einer Kirche statt. Nach einem Zwischenquartier kaufte Amato 1964 das heutige Haus im Stadtviertel Little Italy.

Gage für die U-Bahn und ein kleines Bier

Zehn Dollar (6,50 Euro) Gage bekommt jeder Sänger pro Aufführung - allenfalls genug für die U-Bahn und ein kleines Bier. Trotzdem ist der Zulauf enorm: Rund 150 Künstler hat die Oper fest auf ihrer Personalliste, in einem strengen Auswahlverfahren werden jedes Jahr etwa 20 aus einem großen Bewerberkreis neu aufgenommen. Oft sind es Abgänger von Musikhochschulen, aber auch Ärzte, Rechtsanwälte und Lehrer, die von einer zweiten Karriere träumen. Viele erfolgreiche Sänger wie etwa der Tenor George Shirley oder die Mezzosopranistin Mignon Dunn haben einst bei Maestro Amato angefangen.

Was dem Haus an Größe fehlt, macht es durch Charme und Einsatzfreude wett. Und das Publikum weiß das zu schätzen. Fast immer sind die Vorstellungen ausverkauft, der Eintritt kostet 35 Dollar. Zusammen mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen kommen so die rund 200.000 Dollar Betriebskosten im Jahr gut herein. "Wir sind vielleicht die einzige Oper der Welt, die sich vor allem aus dem Ticketverkauf finanziert", sagt die 54-jährige geschäftsführende Direktorin Irene Frydel Kim, Amatos Nichte. Sie soll einmal mit ihrem 67-jährigen Mann John das Haus übernehmen, wenn Tony die Kräfte ausgehen.

Aber noch ist es nicht so weit. Jedes Wochenende steht der 87-Jährige in seinem Orchestergraben. Er dirigiert und souffliert, führt Regie und ruft zur Ordnung - und singt notfalls auch mal mit, wenn einem Sänger die Luft ausgeht. "Wenn's nötig ist, habe ich immer noch genug Stimme, um auszuhelfen" sagt er. Für 27.000 Dollar hat er das Haus an der Bowery einst gekauft. Inzwischen bieten ihm Immobilienmakler in der zum "In"-Viertel avancierten Gegend zwei Millionen dafür, aber Tony lehnt ab. "Wir hoffen, dass wir noch viele, viele Jahre weitermachen können", sagt er und zwinkert unternehmungslustig mit den Augen.

Von Nada Weigelt, dpa

Quelle: ntv.de

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