Unterhaltung

Romancier und kritischer Zeitzeuge Antonio Tabucchi wird 65

Wenn es um politische Missstände und Verteidigung der Demokratie geht, nimmt Antonio Tabucchi kein Blatt vor den Mund. Ähnlich dem Helden seines bekanntesten Romans "Erklärt Pereira" ist der italienische Schriftsteller und Literaturwissenschaftler, der am 23. September 65 Jahre alt wird, immer mehr zum kritischen Zeitzeugen geworden - vor allem seit Medienmogul Silvio Berlusconi in der italienischen Politik maßgebend mitmischt.

Ein Grenzgänger

Diverse Literaturpreise hat der gebürtige Toskaner bereits gewonnen, darunter den "Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur" und den italienischen "Premio Campiello". Zudem ist er ein herausragender Kenner und Übersetzer des Werkes des portugiesischen Autoren Fernando Pessoa und damit für viele ein "Grenzgänger zwischen italienischer und lusitanischer Kultur".

Sein Welterfolg "Erklärt Pereira" (1994) spielt im Lissabon von 1938, im Portugal der faschistischen Herrschaft Salazars. Der Held - unvergesslich dargestellt von Marcello Mastroianni im gleichnamigen Film - ist ein alternder und bequem gewordener Journalist, der eigentlich mit Politik nichts zu tun haben will, bis er durch das Engagement eines jungen Kollegen und die Verhältnisse immer mehr ins Tagesgeschehen hineingezogen wird.

"Ich bin skeptisch "

So wird der unpolitische Intellektuelle zum Zeitzeugen, der eine eigene Position ergreift. Dabei sieht Tabucchi selbst - trotz seines politischen Engagements - die Möglichkeiten der Literatur, in das Zeitgeschehen einzugreifen, eher pessimistisch: "Ich bin skeptisch, denn heute kann jeder Idiot im Fernsehen in Sekundenschnelle Millionen von Personen erreichen... mit einem Buch hingegen?"

Die Wahl des Ortes in "Erklärt Pereira" ist kein Zufall. Seit vielen Jahren pendelt der Romancier und Professor für portugiesische Sprache und Literatur zwischen seiner Wahlheimat Lissabon und der Toskana hin und her. Eines seiner schönsten Bücher, "Lissabonner Requiem" (1998), ist sogar auf Portugiesisch verfasst. "In dieser Sprache zu schreiben, war für mich eine Art Läuterung. So, als würde man in einen Fluss untertauchen und noch einmal getauft werden, auf den Glauben einer Religion, die man gar nicht kennt."

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Tabucchis Erzählungen und Romane changieren meist zwischen Traum, Fantasie und Wirklichkeit, beschreiben es Kritiker. Als eine Art moderner E.T.A. Hoffmann in der alltäglichen Wirklichkeit das Fantastische, Mysteriöse und Bedrohliche aufzuzeigen, das sei seine eigentliche Stärke. Es geht um Irrwege des Schicksals - und immer wieder um das Drama und die Unumkehrbarkeit der Zeit.

Auf Deutsch erschien zuletzt die Erzählung "Tristano stirbt", in der der Autor die Lebenserinnerungen eines Sterbenskranken beschreibt. Entscheidendes Element bleibt für Tabucchi die Erinnerung und diesbezüglich das Erzählen: "Die Stimme ist Leben, das Schweigen ist gar nichts, das Schreiben hingegen ist wie ein Kristall, der am Ende übrig bleibt."

Quelle: ntv.de, Katie Kahle, dpa

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