Zapp Maier - die WM-TV-Kolumne Das Ende ist nah
05.07.2014, 12:01 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Eben noch das ganze Turnier vor der Brust, jetzt nur noch magere sechs Spiele auf dem Tableau. Das Fußball-Spektakel in Brasilien nähert sich unaufhaltsam seinem Ende. Dass es ein Leben nach der WM gibt, zeigte sich in den beiden spielfreien Tagen.
Wie war das noch, als wir mit 12, 13 Jahren das Ende des Schuljahres bejubelten? Letzter Tag vor den Ferien, Unterricht Fehlanzeige, man guckte stattdessen irgendeinen Film oder saß draußen auf der Wiese und zählte die Minuten rückwärts. Und dann? Ferien. Sommerferien! Unfassbare sechs Wochen Freiheit und Abenteuer. Kein Bio bei Herrn Dudek. Nicht eine Sekunde Deutschunterricht bei Doktor Nickel, stattdessen eine gefühlte Ewigkeit la dolce Vita voraus.
So ähnlich war das Gefühl vor gut drei Wochen: Der Spielplan wurde sorgfältig an den Küchenschrank gebappt, die ersten Begegnungen fein säuberlich eingetragen. Ab sofort rollte der Ball. WM! Brasilien! Unfassbare vier Wochen Fußball. Und der Unterhaltungsfaktor von Beginn an hoch: Spanien geriet mit 1:5 unter die Wohnwagenräder von Team Oranje, Costa Rica zerlegte die Urus, Deutschland tat es ihnen gleich und verputzte die Portugiesen. Dazu jede Menge Geheimfavoriten. So unfassbar geheim, dass sie es selbst kaum wussten. Doch Gevatter Zeit entpuppte sich wie gewohnt sehr bald als unbarmherziger Gefährte.
Eben noch das süße Versprechen des 'davor', jetzt schon dräut die dunkle Leere des 'danach'. Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Stimmt es, dass es sein muss, ist in Kürze wirklich Schluss? Grad noch freut man sich auf kontemplative TV-Abende mit Gruppenspielen vom Schlage Algerien gegen Russland oder Japan gegen Griechenland, schwupps, da ist die Feier fast schon vorbei. Mit lockerem Händchen ward das 1:0 des deutschen Teams gegen Frankreich eingetragen. Halbfinale. Ziellinie in Sicht. Danach löste Kolumbien das Ticket für die Heimfahrt. Und in nullkommanichts sind es nur noch sechs Spiele. Sechs! Spiele! Dann heißt es schon wieder Abpfiff.
Ein Leben danach
Nicht nur für das Team, auch für das vielköpfige Publikum. Und doch: Es gibt ein Leben danach. Das Ende mag nah sein, aber es wohnt ihm ein Neuanfang inne. War der letzte Mittwochmorgen noch vom nackten Grauen überschattet - zwei Tage, 48 Stunden spielfrei nach drei Wochen Kick total, wie sollte man das überleben? - hat man am Freitag fast schon wieder Mühe, auf Betriebstemperatur zu kommen.
Der Grund? Aus dem Stand hatte sich das normale Leben zurückgemeldet: Endlich den Ikea-Schrank für die Tochter aufgebaut. Endlich die volle Plattentasche vom letzten DJ-Abend ins Regal zurücksortiert. Endlich die ersten drei Folgen "True Detective" geguckt. Zu gern würde man sofort wissen wollen, wie es da weitergeht. Stattdessen ruft König Fußball seine Vasallen zurück an den Spielfeldrand. Und auf den Platz.
Und prompt verpassen einige den Anschluss. Per Mertesacker etwa findet aus der Eistonne nicht wieder zurück auf den Platz und wird aus dem Aufgebot gestrichen. Und während Hummels’ Hinterkopf schon früh für die Entscheidung sorgt, spielen die sonst so bissigen Franzosen über weite Phasen latent unfokussiert, als hätten auch sie die letzten beiden Tage mit dem Inbus-Schlüssel in der Hand zugebracht und Regale zusammengebastelt. Sei es drum: Genießen wir die letzten Fußball-Feiertage im Bewusstsein, dass es ein Leben nach der WM gibt. Eines, in dem IKEA-Regale auf ihre Verschraubung warten. Die nächsten Folgen "True Detective". Und Pierre Lasogga.
Quelle: ntv.de