Unterhaltung

Lustig, ernst und klassisch Der Fantastische Mr. Fox

Am 13. Mai 2010 kommt der neue Stop-Motion-Animationsfilm "Der Fantastische Mr. Fox" von Wes Anderson in die Kinos. Auf den ersten Blick ein Kinderfilm, auf den zweiten eine ernste Geschichte. Die Leinwand-Adaption von Roald Dahls Kinderbuch ist ein Wolf im Schafspelz, oder besser gesagt: Gesellschaftskritik im Märchen-Gewand.

Mr. Fox wehrt sich mit seinen Wald-Kollegen gegen die skrupellose Bauernbande.

Mr. Fox wehrt sich mit seinen Wald-Kollegen gegen die skrupellose Bauernbande.

(Foto: picture alliance / dpa)

Er macht seinem Klischee alle Ehre, dieser Mr. Fox. Im Märchen ist der rote Feld- und Waldbewohner flink, leise und listig, zugleich Hühner-Dieb und Bauern-Schreck. In "Der Fantastische Mr. Fox", dem neuen Animationsfilm von Regisseur Wes Anderson, nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Roald Dahl, sind diese Eigenschaften im Haupt-Charakter vereint: einem Fuchs im Tweed-Anzug. Im klassischen Märchen ist der Gegenspieler des Fuchses oftmals der Wolf, den er aber stets überlisten kann. Allerdings ist dieser Film kein Märchen. Und deshalb spielt der Wolf auch eine andere Rolle, dazu aber später mehr.

Das Ehepaar Mr. und Mrs. Fox tut das, was es am besten kann: Hühner klauen. Als die Arbeit zunehmend gefährlicher, und seine Gattin auch noch schwanger wird, beschließt der smarte und immer lässige Mr. Fox, die Raubzüge an den Nagel zu hängen und fortan das Leben eines braven Bürgers zu führen. Das geht allerdings nur so lange gut, bis die Familie ein neues Domizil, einen alten Baum, bezieht, in dessen Nachbarschaft sich die gigantischen Hühnerfarmen der drei reichen Bauern Boggis, Bunce und Bean befinden. Mr. Fox bricht das Versprechen, das er einst seiner Frau gab, und beginnt mit seinem alten Kumpel, einem leicht paranoiden Opossum, seine Hühnerdieb-Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.

Der Trickfilm macht Ernst

Der alte Fuchs hat es immer noch drauf. Alle drei Bauern werden um ihre Habseligkeiten erleichtert. Als diese dann jedoch einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen Mr. Fox starten, geraten damit nicht nur seine Frau, sein Sohn und sein Neffe in Gefahr, sondern auch alle anderen Tiere, die sich in der Gegend niedergelassen haben. Spätestens hier endet das Märchen und ein ernstes Thema beginnt. Fortan geht es um eine Gesellschaft, die über unendliche Ressourcen verfügt, sich für nichts rechtfertigen muss und aus zweifelhaften Gründen gewaltsam Jagd auf eine Minderheit macht, für die das Gegenteil gilt: Kein Besitz und keine Rechte.

"Hennen Rennen" aus dem Jahr 2000 vergleicht die Hühnerhaltung mit den Arbeitslagern des Nazi-Regimes.

"Hennen Rennen" aus dem Jahr 2000 vergleicht die Hühnerhaltung mit den Arbeitslagern des Nazi-Regimes.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Der Film ist nicht der erste, der gesellschaftliches Unrecht kritisiert. Auch nicht in der Reihe der Animationsfilme. Schon 1998 ging es in "Das große Krabbeln", einem der ersten Computer-Trickfilme, um die Versklavung einer Ameisenpopulation durch militante, rechtsradikale Grashüpfer. In "Hennen Rennen" von 2000 betrachten sich die animierten Hühner auf einem Bauernhof sogar als Gefangene in einem Arbeitslager. Die Idee, in Tiergeschichten Unterdrückung zu kritisieren, ist generell nicht neu. Schon 1945 ging es in George Orwells Roman "Animal Farm" um die Auflehnung von Farmtieren gegen ihren Besitzer. Der Grund, warum Wes Anderson die Thematik in seiner Fuchs-Geschichte ebenfalls aufgreifen darf, ohne einfallslos zu wirken, liegt darin, dass sie sich nicht abnutzen kann, weil sie sich in der Realität ja auch ständig neu erfindet.

Menschliche Tiere, tierische Menschen

Trotzdem reicht das nicht. Ein Film, der den Zeigefinger erhebt, muss noch lange nicht gut sein. Man muss einräumen, dass es für Regisseure mittlerweile vergleichsweise einfach ist, sich des Motivs der gesellschaftlichen Ungleichheit zu bedienen. Die Kunst liegt darin, dieses Motiv richtig in Szene zu setzen – und das gelingt Anderson. Er präsentiert das Thema subtil genug, um noch Platz für andere Elemente zu lassen. Zum Beispiel für Humor, der nicht zynisch wirkt, sondern mit der ernsten Thematik eine Einheit bildet. Wenn die rachsüchtigen Bauern erst mit Schaufeln, dann mit großen Baggern und letztlich mit tonnenweise Dynamit wutschnaubend den Berg pulverisieren, unter dem sie die Fuchs-Familie vermuten, die ihnen drei Hühner gestohlen hat, dann ist das komisch und mahnend zugleich.

Verdeckte Operation: Mr. Fox' rebellischer Sohn schleicht sich mit seinem Cousin ins Haus des grimmigen Bauern

Verdeckte Operation: Mr. Fox' rebellischer Sohn schleicht sich mit seinem Cousin ins Haus des grimmigen Bauern

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Gerade die Komik ist es, die Kindern gefallen wird. Allein die vielen verschiedenen Tiere, die aufrecht gehen, sich wie Menschen kleiden, reden und bewegen, sind ein Highlight für die Jüngsten. Zumal es jedes Mal witzig ist, wenn die scheinbar zivilisierten Vierbeiner in ihr "wildes" Naturell zurückfallen, etwa beim Essen oder im Streit. Oder wenn eine schlaksige, mit spanischem Akzent und Messern bewaffnete Latino-Ratte im Schnapskeller von Bauer Bean den Mund zu voll nimmt. Und das obligatorische Happy-End geht ebenfalls mit kindlichen Vorstellungen konform. Zusätzlich bietet der Film aber für alle Generationen eine Geschichte über Zusammenhalt aus der Not heraus, über Revolutionsgedanken, über die Auflehnung gegen ein totalitäres Regime und über den großen Nutzen einer multikulturellen Gesellschaft.

Und dann war da ja noch der Wolf - im Märchen der meist rabiate, aber leicht auszutricksende Gegenspieler des Fuchses. In Andersons Film existiert er bis kurz vor Schluss nur als Vorstellung, man redet über ihn, doch er taucht nicht auf. Dann erscheint er plötzlich in weiter Ferne, mystisch, fremd und anmutig. "Eine wunderschöne Kreatur", wie Mr.Fox bemerkt. Dann ist er wieder weg. Der durchschaubare, brutale Räuber wird zum grazilen und geheimnisvollen Wesen, der Fuchs kann nur staunen. Die Umkehrung des klassischen Verhältnisses zwischen Wolf und Fuchs. Sinnbildlich steht diese Umkehrung für den Film: Die Tiere sind zivilisiert und lösen ihre Konflikte mit Köpfchen, die Menschen sind wild und "tierisch" und bedienen sich roher Gewalt.

Zurück zu den Technik-Wurzeln

Die technische Machart des Films unterstreicht den Spagat zwischen Kinderfilm und ernstem Subtext. Wes Anderson produzierte "Der fantastische Mr. Fox" im sogenannten "Stop-Motion-Verfahren", der ältesten Animationstechnik in der Filmgeschichte. Bei der Technik wird auf Computeranimation weitgehend verzichtet. Die Figuren sind bewegliche Puppen, die für jede Sekunde Film mehrmals in feinsten Abstufungen verändert werden, so dass später der Eindruck einer flüssigen Bewegung entsteht.

Regisseur Wes Anderson mit seinen "Hauptdarstellern": beweglichen Puppen aus Metall, Kunststoff und Fell

Regisseur Wes Anderson mit seinen "Hauptdarstellern": beweglichen Puppen aus Metall, Kunststoff und Fell

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Das Ergebnis ist eine leicht altmodische und etwas abgehackte Optik, der man die mühevolle Handarbeit in jeder Szene ansieht, gerade weil der Film seinen Computer-Konkurrenten in Sachen Detailverliebtheit in nichts nachsteht. Die Bilder und Bewegungen haben nicht diese sterile, glatte Perfektion der digitalen Animationsfilme, sie wirken im post-postmodernen Filmzeitalter erfrischend analog. Trotzdem sind sie knallig, bunt und temporeich, nur nicht in der übertriebenen, lauten Art mancher High-Tech-Trickfilme. Das bringt den entscheidenden Vorteil: Man muss den Film nicht ernst nehmen, kann es aber wenn man will.

Quelle: ntv.de

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