Sex-Musik Diana Krall als Revue-Girl
05.10.2012, 10:25 Uhr
Historisch kann sexy sein: Diana Krall als GoldenTwentiesLookalike mit einem Hauch 70er-Jahre.
Ihre Stimme: Rauh, ungewöhnlich, kratzend, lockend. Ihr Repertoire: Etwas ganz anderes, denn dieses Mal sind es Lieder aus den 1920er Jahren. Ihr Aussehen: Irritierend sexy. Sie war schon immer eine besondere Erscheinung in der Jazz-Ecke - mit diesem Album und ihrer Interpretation eines frivolen Revue-Girls jedoch toppt sie sich selbst.
Sagen wir mal so: Sie kann singen, das steht fest. Sie sieht dazu auch noch fantastisch aus - und daran lässt sie alle Welt auch gerne teilhaben, wie wir dank des Covers ihres neuen Albums "Glad Rag Doll" sehen können. Obendrein sagt sie aber noch kluge Dinge wie: "Ich habe keine Angst vor dem Älterwerden". Ja, natürlich nicht, wenn man so heiß aussieht wie die 47-Jährige.
In einem Interview mit der Frauenzeitschrift "Für Sie" verriet Krall, dass Schönheits-OPs nicht ihr Ding seien: "Ich strebe nicht nach ewiger Jugend." Die Kanadierin, die mit dem Musiker Elvis Costello verheiratet ist und zwei Kinder mit ihm hat, findet es wichtiger, auf die Gesundheit zu achten. "Meine Mutter ist an Krebs gestorben, deshalb lasse ich mich alle sechs Monate checken."
Das klingt sehr vernünftig, und so könnte man dem Irrtum aufsitzen, dass im Leben der Diana Krall alles total überlegt und geplant abläuft. Dem ist aber nicht so: Die kanadische Jazz-Sängerin hat vor ihrem Durchbruch als Barpianistin gejobbt und wusste oft nicht, wovon sie ihre Miete bezahlen sollte. "Jeden Abend versuchte ich, das Publikum irgendwie für mich zu gewinnen", sagte Krall der "Frankfurter Rundschau". "Eine fast unmögliche Aufgabe! Inzwischen habe ich begriffen: Wenn einem überhaupt ein einziger Mensch zuhört, ist das großartig."
Einer hat ihr in den letzten Jahren sehr genau zugehört: Ihr eigener Mann. Der Musiker Elvis Costello und sie sind die Art von Verbindung eingegangen, die sowohl privat als auch bei der Arbeit für eine reichhaltige Ernte sorgt: Auf der einen Seite hat das Künstler-Paar fünfjährige Zwillinge und auf der anderen war es Costello, der sie gedrängt hat, nicht nur selbst zu texten und zu komponierenden, sondern auch den Produzenten T-Bone Burnett anzurufen. Costello kannte den Mann, der unter Musikern als Legende gilt, bereits aus eigener Erfahrung. Für Krall sollte diese Zusammenarbeit eine ganz neue Erfahrung werden, denn mit der Musik der 20er Jahre hatte sie zuvor nicht wirklich etwas zu tun. "Es fühlte sich großartig an, mal nicht alles selbst machen und bestimmen zu müssen, sondern sich darauf zu verlassen, dass ein anderer das regelt", erzählt sie im Interview mit ihrem Mann und Burnett.
Reise in die Vergangenheit und zurück
T-Bone Burnett sagt in diesem Interview mit Costello, dass diese Art von Swing-Musik für ihn auch Sex-Musik sei, nicht zu verwechseln mit Love-Musik. Diana selbst beschreibt das Album schlicht als "eine Song- und Tanzplatte". Das wird wohl dann auch der Grund sein, warum sie so tief in der Plattenkiste gewühlt hat, um diese raren Stücke zu finden, die sie noch aus ihrer Kindheit kennt. "Als wir uns an die Arbeit machten, hatten wir alle den Eindruck, als wären die Songs erst gestern geschrieben worden", erzählt sie begeistert. "Ich wollte kein nostalgisches Album mit Stücken einer vergangenen Epoche aufnehmen." Und so gelingt es der Blondine, die - vor allem bei Kolleginnen - oft umstritten ist und aufgrund ihres bestechenden Äußeren oft nicht als ernsthafte Jazz-Interpretin anerkannt wurde, auf ihrem Steinway-Klavier aus dem vorletzten Jahrhundert Musik des letzten Jahrhunderts in dieses Jahrhundert zu transportieren. Krall, die kürzlich bei der Trauerfeier für Neil Armstrong "Fly Me To The Moon" sang, hat sich mit den Songs auf "Glad Rag Doll" schon ihr Leben lang auseinandergesetzt. Sowohl in ihrem Elternhaus als auch in ihrem heutigen Zuhause stapeln sich alte Platten und Liederbücher - viel Stoff für die nächsten Jahre? "Wenn ich mir eine Ära aussuchen könnte, in die ich per Zeitmaschine zurückreisen könnte, dann wären das die 1920er Jahre", sagt Diana Krall. "Und zwar allein wegen der wilden Ausgelassenheit, die damals herrschte. Wenn man Fotos aus der Zeit betrachtet, dann trägt jede Frau ein Geheimnis mit sich herum."
Der Rock'n Roll der 20er
Dieses Gefühl transportiert Krall nicht nur mit der Musik, sondern auch auf den Fotos, die zu ihrem neuen Album gehören. "Ich hatte meinen eigenen Film im Kopf", erzählt Krall, die sich schon lange für die Musik der "Golden Twenties" interessiert hat und weiß, dass sie bei Burnett auf ein solides Fundament bauen kann. Bei der Gestaltung des Coverartworks arbeitete sie mit der Oscar-prämierten Kostümdesignerin Colleen Atwood und dem Fotografen Mark Seliger zusammen. Die Inspiration zu den Fotos, die für "Glad Rag Doll" geschossen wurden, lieferten die historischen Bilder, die Alfred Cheney Johnston in den 1920er Jahren von den Revue-Girls der Ziegfeld Follies gefertigt hatte. Sicher werden wieder einige Kritiker mit den Augen rollen, einige Kolleginnen sich denken: "Bitte, wenn sie es nötig hat", aber Diana Krall ist das egal. Die mehrfache Grammy-Gewinnerin hat schon vieles über sich hören müssen, auch, dass sie eine Eintagsfliege oder Modeerscheinung sei - nach elf Studioalben und ihrem konstanten Erfolg kann ihr der Gossip aber eigentlich egal sein.
Ob Diana Krall sich auch so (auf-)reizend bei ihren Konzerten gibt, wird man dann ja sehen. Der "Welt" verriet sie, dass es ihr egal ist, ob DeeDee Bridgewater sie leiden könne, aber sollte Cassandra Wilson sie ablehnen, wäre sie recht traurig. Selbst möchte sie nicht über Kolleginnen herziehen. Ach ja, und wenn sie jetzt in einer Bar sitzt und einem Pianospieler zuhört, dann spendiert sie ihnen heute meist einen Drink oder mache ihnen Komplimente. "Schließlich weiß ich genau, wie sehr sie für ein kleines bisschen Aufmerksamkeit kämpfen müssen."
Quelle: ntv.de, soe/dpa