Unterhaltung

Bodensee-"Tatort" Disconebel des Grauens

Wer hat aus dem Nebel heraus auf Kommissar Lüthi geschossen?

Wer hat aus dem Nebel heraus auf Kommissar Lüthi geschossen?

(Foto: SWR/Peter Hollenbach)

Eigentlich soll Kommissarin Blum einen mysteriösen Todesfall aufklären, in den ihr Schweizer Kollege Lüthi verwickelt ist. Doch eine gefühlte Tonne Trockeneis behindert nicht nur die Ermittlungsarbeiten - auch Sinn und Verstand gehen irgendwo im Nebel verloren.

Trockeneis, überall Trockeneis. Es wabert durch den Wald. Es wogt am Ufer herum. Es kriecht durchs Schilf. Und es umspielt die Beine der beiden Männer, die verwirrt zwischen den Bäumen entlangstolpern und jede noch so kleine Wurzel mitnehmen, als hätten sie sich in der örtlichen Tierklinik mit einer Jahresration Ketamin eingedeckt. Fehlt nur noch tanzbare Musik, schon wäre die 1A-Festivaldokumentation komplett. Musik gibt es nicht, dafür aber peitschen am Ende der Szene zwei Schüsse durch die graue Suppe und es wird klar: So stellt sich der SWR eine Verfolgungsjagd vor.

"Winternebel" heißt der neueste Bodensee-"Tatort" - und schon der Titel gibt einen Hinweis darauf, wie lieblos die neueste Episode aus dem Boden gestampft worden ist. Dass die Bäume im Film herbstlich golden daherkommen, geschenkt. Aber wenn schon dichter Nebel den Zuschauer über 90 Minuten lang begleitet, dann doch bitte so, dass man sich nicht permanent wie in einer Disco zur Putzstunde wähnt. Dass die Geschichte mit zwei Toten und einem Entführungsfall irritierend belanglos daherkommt, passt dann schon wieder ins Bild.

"Wobischwobischwobisch"

Lange nicht so wehrlos, wie es hier aussieht: das Opfer.

Lange nicht so wehrlos, wie es hier aussieht: das Opfer.

(Foto: SWR/Martin Furch)

Dabei hätte die Rohfassung der Story durchaus Potenzial: Der Schweizer Kommissar Lüthi erschießt im Nebel einen Verdächtigen, mit dem er noch eine persönliche Rechnung offen hatte - und Kommissarin Blum muss herausfinden, ob Lüthi ein kaltblütiger Mörder ist oder in Notwehr gehandelt hat, wie er selbst sagt. Die Zwickmühle zwischen persönlicher Verbundenheit und professioneller Aufklärungsarbeit aber wird viel zu schnell aufgelöst und stattdessen mit folgenden Zutaten angereichert: ein zerstrittenes Ehepaar, ein wehrhaftes Entführungsopfer, ein Jojo-spielender Fiesling und kalauernde Bodensee-Schiffer.

Zusammen ergeben die erzähltechnischen Versatzstücke einen weitgehend ungenießbaren Storybrei, der leider gerade eben so nicht trashig genug ist, um schon wieder unfreiwillig komisch zu sein. Dazu passt die bemerkenswert uninspirierte schauspielerische Leistung der Akteure: Kommissarin Blum sollte mit ihrer muttchenhaften Art eher den Bridgeclub als eine Mordermittlung leiten, ihr Kollege Perlmann ginge glatt als Vertreter für Valiumtabletten durch und der Schweizer Kollege Lüthi spielt den innerlich zerrissenen Polizisten so hölzern, dass jedes Schultheater ihn ablehnen würde.

Eines immerhin - und das muss man diesem wetterfühligen "Tatort" zugutehalten - haben sich die Entscheider beim SWR getraut: Die Schweizer Kollegen dürfen, anders als im Luzerner Ableger, auch wirklich Schwitzerdütsch sprechen, wenn sie unter sich sind. Das kommt insbesondere Eva Glocker zugute. Wenn die zweite Schweizer Polizistin beobachtet, wie der Vater der Geisel das Haus betritt, in dem sich Kollege Lüthi gerade zu schaffen macht und panisch "Wobischwobischwobisch" ins Headset stöhnt, gibt das der Episode viel von ihrer verloren geglaubten Authentizität zurück.

Allerdings nur kurz, denn gleich darauf beginnt das Schlussdrittel, in dem Regisseur Patrick Winczewski versucht, die hanebüchenen Handlungsstränge zusammenzuführen. Und das tut richtig weh. Wie gut, dass der Disconebel des Grauens am Ende die ganze Szenerie gnädig verschluckt.

Quelle: ntv.de

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