Unterhaltung

Zu müde für den Mossad Fellner und Eisner in "Deckname Kidon"

Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser, das Wiener "Tatort"-Duo.

Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser, das Wiener "Tatort"-Duo.

(Foto: dpa)

Ein iranischer Atomphysiker springt aus dem Hotelfenster, ein mondäner Lobbyist tanzt dem Wiener Duo auf der Nase herum und Eisners Tochter verstümmelt sich. Den jedoch bringt das kaum aus der Ruhe. Wird beim Wiener "Tatort" unterschwellig mit der Rente geliebäugelt?

Vielleicht ist da auch einfach zu wenig Luft nach oben - wer ständig besorgt guckt, hat kaum noch Spielraum, wenn es mal wirklich ernst wird. Der sorgenvolle Augenbrauen-Erker im Gesicht des traurigen Brummbären Moritz Fellner (Harald Krassnitzer) ist, wie so oft im Wiener "Tatort", der optische Fixpunkt im Geschehen. Und das hat gleich mächtig Dampf unterm Kessel. Eben noch parliert der Taxifahrer vorm Hotel mit einem Kollegen, da knallt ihm plötzlich ein Mann auf das Wagendach. Bei dem zerschmetterten Zeitgenossen handelt es sich um den iranischen Atomphysiker Dr. Bansari.

Zunächst geht man von Selbstmord aus, schnell verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass da jemand anders die schlimmen Finger im Spiel hatte. Und schneller als man "Atomkraft - Nein, danke" sagen kann, befinden sich Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Fellners Eisner in einem komplizierten Komplott um Korruption und Kernkraft, Mord und Mossad, Agenten und Amtsmissbrauch. Ein Mitarbeiter der iranischen Botschaft schnappt sich beinah ungehindert die Beweismittel, der Polizeichef drückt zudem auf die Ermittlungsbremse und auch privat läuft es alles andere als rund. Eisners Tochter müht sich im Rollstuhl ab und soll fern der Heimat ihre Reha starten.

Schraube in den Oberschenkel

Und Claudia Eisner (Tanja Raunig) ist es, die diesen Fall mit einer der wohl verstörendsten Anfangssequenzen in 930 "Tatort"-Folgen einläutet. Um zu prüfen, ob sie schon wieder Gefühl im gelähmten Bein hat, schnappt sie sich eine der dicken 4-Zoll-Schrauben, mit dem ihr Vater grad ein Regal aufbaut, und treibt sie sich der Länge nach in den Oberschenkel. So schnell kann man die Hand gar nicht vor Augen haben, wie sich ihre Jogginghose rot färbt. Eisner nimmt das fast schon absurd gelassen, legt den Arm um die Schulter und tätschelt väterlich.

Diese niedrige Betriebstemperatur ist es, die schließlich den ganzen Fall durchzieht. Wie Figuren im Miniatur-Wunderland stapft das tapfere Duo durch die Unterwelt. Da lässt sich Eisner mir nichts, dir nichts das Handy aus der Hand nehmen und von einer Agentenschönheit mit einem Trojaner infizieren, da kapituliert Frau Fellner bei der Verfolgungsjagd jener Frau in Stöckelschuhen. Der Fall ist groß angelegt, der Plot um Hochtechnologieschmuggel und Atommafia ist ebenso brisant wie zeitgemäß. Es stellt sich nur die Frage, ob das Wiener Tandem hier noch mithalten kann. Wie Eisner allein mit niedlicher Wollmütze und Händen in den Taschen durchs Geschehen stapft, atmet den Wunsch nach Arbeitszeitverkürzung oder Sabbatical.

Zu lahm, zu zahm, zu sanft

Einmal nehmen die beiden den Fight an, als sie sich per Pkw daran machen, den Zug mit der Schmuggelware an Bord aufzuhalten. Eine Zeitlang sind die Kriminalen und der Sonderzug gleichauf, aber spätestens als Eisner aussteigt und mit beinah rührendem Winke-Winke versucht, die Eisenbahn zu stoppen, möchte man ihm zurufen, dass es sich hier nicht um die treue Emma und Lukas, den Lokomotivführer, handelt.

Keine Frage, die beiden sind eines der arriviertesten Teams, die Chemie zwischen ihnen stimmt und der Wiener Schmäh hält sich angenehm in Grenzen. Ob man ihnen jedoch mit solchen global angelegten Fällen einen Gefallen tut - diese Frage müssen sich die Scriptschreiber gefallen lassen. Eisner etwa würde sich vielleicht, wie einst der ähnlich traurig dreinschauende ZDF-Kollege aus München, Stefan Derrick, besser auf der Wohnzimmer-Couch einer verdächtigen Witwe machen. Keks in der einen, die Tasse Kaffee in der anderen Hand und Fragen wie "Hatte Ihr Mann Feinde?" stellend.

Stattdessen wird vor seinen Augen am Ende auch noch der zwielichtige Lobbyist Johannes Leopold Trachtenfels-Lissé (großartig wie immer: Udo Samel) exekutiert. Hilflos müssen Fellner und Eisner die Mörder auf dem Motorrad von dannen ziehen lassen. Eisners Reaktion ist so nachvollziehbar wie pragmatisch: "Ich mache jetzt erstmal Urlaub und besuche meine Tochter". Eine richtige Entscheidung. Wir wünschen gute Erholung.

Quelle: ntv.de

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