Unterhaltung

King Kong, Schneewittchen und die Stasi Filmclubs in der DDR

Als "King Kong" 1976 im Westen einen Sturm auf die Kinokassen auslöste, mussten sich Filmfans wie Dieter Drewitz noch gedulden. In der DDR turnte der Riesen-Affe erst Jahre später über die Leinwände. "Westliche Klassenschlager wie "Schneewittchen" oder "King Kong" waren bei uns Raritäten", erinnert sich der Magdeburger. In den Kinos liefen die Filme nicht, weil das Geld für die Lizenzen fehlte. Dass das Publikum sie überhaupt zu sehen bekam, verdankt es den vielen Filmclubs, die sich seit den 1950er Jahren in Ostdeutschland ausbreiteten. Rund 500 entstanden in der Zeit bis zur Wende.

Mit der Filmclub-Bewegung beschäftigt sich eine Ausstellung in der Gedenkstätte am Magdeburger Moritzplatz, einem ehemaligen Stasi-Gefängnis. Nur wenige Meter entfernt liegt das traditionsreiche Studiokino, dessen Filmclub Drewitz zehn Jahre lang leitete. In dieser Zeit übte er sich nicht nur in Geduld. Er geriet auch in das Visier der Stasi, wie Dokumente in der Ausstellung belegen. Mindestens vier Inoffizielle Mitarbeiter waren auf ihn und seinen Vorgänger Peter Sienkiewicz angesetzt.

"Eher ein zahmer Protest"

Auch die Vorführungen selbst waren für die Staatssicherheit interessant, lockten sie doch Studenten und Akademiker an, die als progressiv und kritisch galten. "Es war vor allem eine breite intellektuelle Bewegung", erläutert der Berliner Autor Volker Petzold, der mehrere Jahre beim Kulturbund der DDR für die Filmclubarbeit zuständig war. Denn auf dem Programm standen auch kritische und politische Filme, wie sie im sozialistischen Massenkino nicht gezeigt wurden. "Oppositionelle in dem Sinne waren das nicht. Das war eher ein zahmer Protest", urteilt Petzold.

Drewitz ahnte damals schon, dass die Stasi ihn überwachte. "Die habe ich aber nicht so wahrgenommen." Viel stärker litt er unter der Aufsicht der Bezirksfilmdirektion, die mit seinem Geschmack nicht immer einverstanden war. "Es gab bestimmte Filme, die waren unbequem und die wollte man nicht zeigen." Mehrmals lud die Behörde Drewitz vor und setzte ihn unter Druck. Einmal wurde ihm die Aufführung von Andrzej Wajdas "Der Dirigent" verboten, ein anderes Mal "Die Nibelungen" von Fritz Lang. Als er letzteren trotzdem zeigte, musste er sein Amt im Stadtkabinett für Kulturarbeit abgeben.

Die Zensur macht Drewitz noch heute wütend: "Wie kann man nur so kleinkariert sein. Wir waren doch keine Widerstandskämpfer, sondern wollten nur Kultur machen." Besonders streng waren die Kontrollen vor Parteitagen der SED oder anderen politischen Ereignissen, dazwischen genossen Drewitz und seine Kollegen mehr Freiheiten.

Jahrelange Wartezeiten

An die kritischen Filme zu kommen, war theoretisch kein Problem. Neben dem zentralen Filmverleih der DDR und dem staatlichen Filmarchiv verliehen auch die sowjetischen, polnischen, ungarischen, tschechischen und französischen Kulturhäuser in Berlin kostenlos Filme an die Clubs. Allerdings gab es oft jahrelange Wartezeiten, da meist nur eine Kopie existierte.

Nach der Wende lösten sich viele Filmclubs auf, einige gründeten sich jedoch als Programmkino oder Verein wieder, wie der Erfurter Kinoclub am Hirschlachufer. Auch Drewitz ist dem Film treu geblieben - allerdings in einer anderen Form. Heute leitet er die DVD-Abteilung der Magdeburger Stadtbibliothek und besitzt zu Hause selbst eine umfangreiche Sammlung. Dort stehen aber nicht nur die Werke seiner damaligen Helden Charlie Chaplin, Ingmar Bergman, Andrei Tarkowski und Wajda. "Gute Unterhaltung kann auch mal sein." Wie "King Kong" eben.

Von Irena Güttel, dpa

Quelle: ntv.de

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