Zapp Maier – Die WM-TV-Kolumne Häh? Bin doch nur auf den Gegner gefallen!
02.07.2014, 13:09 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Auf den WM-Plätzen geht es heiß her. Kopfnussverteiler, hungrige Beißer und theatralische Kunstflieger geben sich nur so die Klinke in die Hand und präsentieren sich auch noch Tage nach den Taten als Unschuldslämmer. Dabei beweist modernste TV-Technik allabendlich das Gegenteil. Alles nur eine Frage der Wahrnehmung? Oder wollen uns die Herren Pepe, Suarez und Co für dumm verkaufen?
TV-Bilder lügen nicht. Schon gar nicht in Zeiten, in denen es die Technik dem Fernsehzuschauer ermöglicht, selbst einen leeren Plastikbecher auf der Gegentribüne des Maracanã-Stadions zu erkennen. Wer dieser Tage sehen will, wie sich die Nähte des WM-Spielballs bei Fernschüssen von Rodriguez, Kroos und Co nach innen wölben, der braucht dafür in der Regel nicht einmal das Haus zu verlassen. Flatscreens anno 2014 liefern die Geschehnisse aus den Arenen Brasiliens schließlich gestochen scharf in HD-Qualität ins eigene Wohnzimmer.
Dem leidenschaftlichen Fußball-Fan daheim entgeht nichts mehr: Die fast schon beängstigend "nahen" Flugkopfbälle, Blutgrätschen und Fallrückzieher werden dem Rundleder-Voyeur so oft mit Super-Slowmotion-Wiederholungen ins Gehirn gestanzt, dass der Konsument im Anschluss selbst mit geschlossenen Augen dazu in der Lage wäre, eine realitätsgetreue Freihand-Skizze des Szenarios anzufertigen.
Der Zuschauer sieht und erlebt alles und oftmals sogar weitaus mehr, als die Hauptdarsteller auf den heiligen Grüns der Stadien in Salvador, Natal oder Fortaleza. Wie sonst ist es zu erklären, dass beispielsweise ein Pepe sich auch heute noch nicht erklären kann, warum er im Spiel gegen Deutschland vom Platz geflogen ist? Ebenso unschuldig blickte Uruguays Stürmerstar Luis Suarez vor einigen Tagen von seinem heimischen Balkon aus in die Kameras der internationalen Sportpresse. Er soll den Italiener Giorgio Chiellini gebissen haben? Niemals! "Im Moment des Aufpralls habe ich die Kontrolle verloren, wurde instabil und bin auf meinen Gegner gefallen", argumentierte Suarez. Offenbar wurde dem Wiederholungstäter erst vor zwei Tagen eine Super-Slowmotion der skurrilen Szene vorgeführt. Prompt entschuldigte sich Uruguays Fußball-Nosferatu bei seinem Opfer via Twitter.
"Wenn das kein Elfmeter war..."
Auch bei Hollands Arjen Robben scheint zu Hause noch ein flackerndes Schwarzweiss-Röhrengerät im Wohnzimmer zu stehen: "Wenn das kein Elfmeter war…" Der drahtige Achtelfinal-Matchwinner wirkte sichtlich verwundert, als die halbe Web-Welt ihn nach dem Spiel mit einem fliegenden Ballett-Tänzer verglich.
Das sind nur drei Beispiele von zahllosen Momenten bei dieser WM, nach denen sich der aufmerksame TV-Beobachter die Hände vors Gesicht schlägt. Dabei geht es gar nicht darum, dass nicht auch früher schon Kopfnüsschen und Gebissabdrücke verteilt wurden. Auch theatralisch durch die Strafräume fliegende Stürmer sind seit jeher Bestandteil eines halbwegs umkämpften Fußballspiels. Anno 2014 steht der Zuschauer aber förmlich mit im Strafraum, wenn sich ein Herr Suarez mal wieder in die Körperteile eines Gegenspielers verbeißt. Unzählige Kameras, die aus nahezu jeder erdenklichen Perspektive jede noch so vermeintlich unspektakuläre Körperbewegung einfangen, lassen keine Ausflüchte mehr zu.
So geht es weniger um die adrenalingeschwängerten Minuten danach, in denen man den meisten Übeltätern ihre vorgegaukelte Unschuld nachsehen kann. Vielmehr geht es dabei um die Art und Weise, wie sich die bereits während der "Tat" überführten Branchen-Problemkinder auch Tage später noch präsentieren: nämlich mit weit aufgerissenen Augen, verschränkten Armen und erhobenen Zeigefingern. Dabei sollten ihre Fans auf die Barrikaden gehen – Menschen, die viel Leidenschaft, Zeit und Geld investieren und dann allabendlich für dumm verkauft werden. Traurig.
Quelle: ntv.de