Unterhaltung

Is' mir gar nicht wurst ... Kaiserliche Conchita - einfach unstoppable

Phoenix aus der Asche: Conchita Wurst beim ESC-Vorentscheid 2015 als Gast.

Phoenix aus der Asche: Conchita Wurst beim ESC-Vorentscheid 2015 als Gast.

(Foto: dpa)

Soho House Berlin, es riecht wie immer gut und hauseigen, die Atmosphäre ist easy und gechillt, im Interview-Raum "Politbüro" stehen Bücher im Regal, die man sich in Ruhe ansehen kann, denn wir warten auf eine Diva. Diva im besten Sinne, denn selten lässt jemand in letzter Zeit so viel Weiblichkeit zu wie Conchita Wurst - sieht man mal von Barbara Schöneberger ab. Und da biegt sie auch schon um die Ecke, diese überaus schlanke Person, in einen silbernen Rock gewickelt, auf atemberaubenden Highheels und dem sympathischsten Lächeln, seit es Zahnpasta gibt. Conchita macht sich ein bisschen Sorgen um unsere jetzige Eurovision-Song-Contest-Teilnehmerin Ann Sophie, denn wie man sich denken kann, wird sie als "Nachgerückte" mit gemischten Gefühlen im Mai nach Wien fahren. Aber wir sind nicht hier, um über andere fantastische Sänger zu sprechen und kümmern uns deswegen jetzt nicht weiter um Kümmert und Co., sondern um Conchita.

n-tv.de: Conchita - immer noch unstoppable?

Conchita Wurst: (lacht) Ja, ich hoffe doch, dass sich dieser Zustand über Jahre hält.

Ich kann nicht umhin und muss fragen, wie diese Wimpern halten: denn, wenn Sie mit den Lidern klimpern, dann weht ein leichter Wind durch den Raum, so eine Art Fächer.

(lacht) Ach, das klappt, abends nehm' ich die wieder ab und morgens kleb' ich sie erneut ran, das ist Routine. Am Anfang ist das komisch, aber das klappt.

Sie sind momentan in einem unglaublichen Tempo unterwegs, Auftritte, Modeschauen, Events, die ESC-Vorbereitungen, und jetzt auch noch ein Buch. Sieht so aus, als hätten Sie keinen Tag Ruhe gehabt.

Das ist auch so (lacht). Aber es macht sehr viel Spaß!

Wie hält man den Teint dabei so frisch?

Bei einer Talkshow.

Bei einer Talkshow.

(Foto: imago/Strussfoto)

Keine Ahnung. Vielleicht, weil ich das so liebe was ich mache. Da brauch' ich gar nicht viel Extra-Energie, es passiert einfach und ich fühl' mich wohl dabei. Manchmal bin ich tatsächlich auch erstaunt, wenn ich Fotos von mir sehe, wo ich jetzt überall war und mit wem, aber es fühlt sich viel länger an. Deswegen bin ich auch nie außer Atem oder müde, ich genieße es gerade in vollen Zügen.

Was steht denn als Nächstes an?

Als Nächstes steht eine kleine Tour im Rahmen des ESC an. Die führt mich nach Barcelona, London, Paris, Madrid, Berlin. Da sind wir mit einer sogenannten Sphere unterwegs, sieht aus wie eine riesige Wahrsager-Kugel mit Bühne in der Mitte und die wird mit 3D-Elementen bespielt. Und es sind ja auch nur noch ein paar Wochen bis zum Song Contest (lacht).

Im Buch sehen wir Sie als Tom - aber nur als Baby und kleiner Junge. Unter anderem ein Foto, wo Sie bei Ihrer Erstkommunion ehrfürchtig das Kleid Ihrer kleinen Freundin berühren ...

(lacht) Ja, ich war grün vor Neid!

Haben Sie da bereits bemerkt, Mensch, ich steh' mehr auf Kleider?

Das Komische ist, dass ich ja nie etwas bemerken musste. Ich hatte schon irgendwann den Moment, dass ich einen Namen dafür gefunden hatte, was in mir vorging, aber bis dahin war alles für mich natürlich. Klar, die anderen Jungs haben keine Kleider getragen, aber meine Mutter hat es mir auch nicht verboten. Mir war so klar, das bin einfach ich! Das Ding ist, als Kind ist man erst einmal total selbstbewusst und findet alles normal. Erst später wird einem von außen klargemacht, dass mit einem etwas nicht stimmt.

Das Kind denkt: "Ich bin bereit für die Welt" - aber die Welt ist noch nicht bereit für einige Kinder, oder?

(lacht) Ja, so in der Art. Kinder können knallhart sein.

Glauben Sie, dass sich in den letzten Jahren da was geändert hat? Dass Eltern mit ihren Kindern anders über solche Themen sprechen?

Mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in Wien.

Mit UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon in Wien.

(Foto: imago/Eibner Europa)

Ich hoffe es, ich kann es nicht sagen. Wir sind alle schneller geworden, gerade in Zeiten von Facebook und Twitter, jeder kann seine Senf zu allem geben. Das kann gut sein, das kann aber auch nach hinten losgehen. Ich bekomme irre viel gutes Feedback: Menschen schreiben mir, wenn eine Frau mit Bart so einen Erfolg haben kann, dann können sie auch alles schaffen, ihre Träume verwirklichen.

Es gibt Eltern, die mir Vorwürfe gemacht haben, weil ich ihnen den Moment vorweggenommen hätte, in dem ihre Kinder sich entscheiden oder in dem sie über gewisse Dinge sprechen. Aber manche bedanken sich auch, dass ich es ihnen einfacher gemacht habe, über gewisse Themen ganz natürlich zu sprechen. Für mich ist das surreal, dass ich das ausgelöst haben soll. Aber gut!

Sie sind mit 14 von zu Hause weggegangen - wie darf man sich das vorstellen?

Das hört sich so abenteuerlich und heroisch an, aber ich hab' ja in einem Internat gelebt. Und meine Mama war auch gar nicht so glücklich, sie wollte mich in eine Modeschule bringen, die näher an meinem Heimatort ist, aber das wollte ich nicht. Und mein großer Bruder hätte auch auf mich aufpassen können. Aber ich wollte die bessere Ausbildung, und die war weiter weg. Der Schritt mit 14 bedeutet halt, ich bin aus dem System Familie raus.

Sie erhalten Morddrohungen, wie gehen Sie damit um?

Am liebsten gar nicht. Ich versuche, es nicht so ernst zu nehmen.

Die Menschen erwarten viel von Ihnen - eine Frage lautet zum Beispiel: Wann gehen Sie nach Russland, um dort aufzutreten. Gemeint ist aber, mit einem oft nörglerischen, aggressiven Unterton: Wann gehen Sie endlich nach Russland und tun was für die Homosexuellen, Sie jetzt mit Ihrem Promi-Bonus ...

Gute Gene, das ist alles.

Gute Gene, das ist alles.

(Foto: imago/Future Image)

Ja, seltsam, oder? Was für eine Erwartungshaltung. Das verabscheue ich. Man selbst hat ja auch Erwartungen an andere, dass jemand pünktlich ist zum Beispiel, Kleinigkeiten. Aber dieses Aufgestülpte, Fordernde, das entsetzt mich. Denn wenn man Erwartungen nicht erfüllt, ist die andere Seite enttäuscht, man kann nicht gewinnen. Und deshalb werde ich nie etwas machen, was man von mir erwartet, wenn das nicht ganz natürlich aus mir selbst heraus geschieht.

Und Russland?

Richtig, da braucht es auch einen Grund, ich bin doch keine Krawalltüte. Ich würde sofort nach Russland fahren, ich habe sogar einen Preis gewonnen, aber man ließ mich wissen, dass es ihnen lieber wäre, mir den im Rahmen des ESC in Wien zu überreichen. Also - man will mich dort nicht (lacht). Jedenfalls nicht jetzt, nicht alle. Dann eben erstmal nicht.

Es ist auch eine Frage der Sicherheit, leider.

Ja, eigentlich möchte ich mich von so etwas nicht beeinflussen lassen, aber es ist ja leider etwas dran. Ich habe allerdings beschlossen, Negativität, sofern ich es beeinflussen kann, nicht in mein Leben zu lassen. Das kostet zu viel Energie.

Die brauchen Sie ja auch schon so an allen Fronten. Als Sängerin, Aktivistin, Autorin, ...

(lacht) Autorin ist total lustig. Lieber Erzählerin ...

... gut, dann noch the next Sissi, die zukünftige Außenministerin von Österreich - wissen Sie morgens noch, wer Sie sind?

Natürlich! Diese Titel sind ja sehr unterhaltsam und ich fühle mich auch geehrt, wenn man mich als Vorbild sieht. Oder als Ikone. Ich sehe mich ja nicht so. Ich lese auch nur, dass ich die zweite Kaiserin sein soll, aber ich hab' viel zu viel Respekt beispielsweise vor der Geschichte eines Landes.

Sie wirken sehr überlegt, ruhig, gefasst, präzise - trainieren Sie das? Rasten Sie nie aus?

Nein, das ist mein Naturell. Ich raste eher nicht aus. Ich habe da keine Lust drauf, viel zu anstrengend.

Wie viel Zeit investieren Sie in Ihren Bart? Diese ganzen Mitte-Bubis mit ihren Islamisten-Fizzel-Bärten scheinen alle weniger Zeit zu haben als Sie ...

(lacht) Ich trimme den ein Mal die Woche, das reicht.

Sie sind irre schlank.

Danke.

Welche Sportart?

Sport?

Sie trinken 5 Liter Wasser am Tag.

Nein, ich trinke zu wenig.

Gute Gene?

(lacht) Ja, meine Großmutter und meine Mutter machen mich zu einem privilegierten Menschen.

Sie wirken so gesund mit Ihrer Familie.

Gesund ist ein gutes Wort. Wir haben eine wahnsinnig offene und ehrliche Beziehung, meine Eltern sind mittlerweile auch meine Freunde. Das macht Spaß.

Zur Musik: Sie wollen nicht mehr so James-Bond-artige Musik machen? Ist doch schade!!

Ja, naja, ich liiiiebe Shirley Bassey. Ich habe auf meinem Album aber viele verschiedene Stile ausprobiert. Mein nächstes Album werde ich aber anders angehen. Ich werde aber meinem Stil treu bleiben, egal, was andere sagen, da bin ich diktatorisch (lacht laut).

Mit Conchita Wurst sprach Sabine Oelmann

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Quelle: ntv.de

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