Er hatte sie alle Paul Sahner hinterlässt traurigen Boulevard
08.06.2015, 14:50 Uhr
Wusste immer die richtigen Fragen zu stellen: Paul Sahner, der "Gottvater der Intimbeichte" laut "taz".
(Foto: imago stock&people)
Langsam machen sie sich alle vom Acker: die Alten, die Vertrauten, die Guten, die Lustigen. Paul Sahner war immer mitten dabei. So eine Art "Baby Schimmerlos der Münchener Schickeria", wobei: "Schimmerlos" war dieser Paul Sahner nicht.
Er hätte noch so viel zu erzählen gehabt. Paul Sahner war gerade dabei, seine Memoiren zu schreiben. Und das wäre ein Bestseller geworden. Keiner wusste so gut Bescheid über Kreti und Pleti wie er. Denn die Stars oder die, die es werden wollten, vertrauten sich dem Mann an. Weil sie wussten, dass er nur so viel preisgeben würde wie nötig, um eine gute Geschichte daraus zu machen, und dabei so wenig wie möglich ans Eingemachte ginge.
So viele Storys haben wir von ihm gelesen, bewusst oder unbewusst, und alle - sei es "der Kaiser" Franz Beckenbauer, die Schauspielerinnen Senta Berger und Iris Berben oder die Ex-Sportler, die sich nach ihrer Karriere im Boulevard suhlen mussten, um überhaupt noch stattzufinden, wie Boris Becker oder Lothar Matthäus - haben sich ihm höchstselbst anvertraut. Er sprach aber auch mit dem Dalai Lama, Richard Gere, Michael Jackson und Nelson Mandela.
Dirty Dancing mit Minister
Einmal nur ging die Sache richtig in die Hose, da wurde der Begriff "Homestory" überinterpretiert: Als der damalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping ihn in Mallorca am Pool empfing, in dem er mit seiner neuen Lebensgefährtin Kristina quasi Pilates machte, da war das Maß selbst des größten Klatsch-Konsumenten übergelaufen. Wer möchte einen Politiker im Urlaub sehen? Politiker haben schließlich immer zu tun, sollten sich um das Land kümmern und nicht im Pool Dirty Dancing nachspielen. Der Verteidigungsminister musste gehen.
Sahner, der im Westfälischen aufwuchs, war ein Arbeitstier. Erst letztes Jahr verabschiedete er sich nach 13 Jahren aus der Chefredaktion des Boulevardblattes "Bunte" und in zwei Wochen wollte er seinen 71. Geburtstag feiern; im Oktober sollten die Memoiren erscheinen. Seine Stationen waren die "Abendzeitung", der "Stern", das Männer-Magazin "Penthouse". Aber seine größte Karriere machte er bei "Bunte". Lag es an seiner sanften Stimme, die die Stars veranlasste, auf all seine Fragen zu antworten? Lag es daran, dass er ein Teil des ganzen Schicki-Micki-Zirkus geworden war und man ihn nicht als Eindringling empfand? Doch manchen fehlte bei Paul Sahner zunehmend die journalistische Distanz - er kannte die Von und Zus und die anderen hochwohlgeborenen Society-Leutchen inzwischen eben schon Jahrzehnte. Dennoch war es immer sehr amüsant, was dieser Insider da zu berichten hatte.
2014 hatte er in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk noch gesagt, dass er "langsam anfange, zu entschleunigen". "Ich kann loslassen", sagt er auch und meinte damit vor allem wohl seine Arbeit, auch wenn er noch Pläne hatte. Seine Kollegen jedenfalls sind bestürzt, denn 70 ist wahrlich kein Alter. "Bunte"-Chefredakteurin Patricia Riekel sagt: "Unsere Trauer ist unbeschreiblich". Und Verleger Hubert Burda: "Paul Sahner war einer der Ersten, die zur neuen 'Bunte'-Redaktion in Offenburg 1976 kamen. Mit Journalisten wie ihm ist eine vollkommen neue Kategorie von Leute-Personalien entstanden, die aus 'Bunte' in der Folge das große People-Magazin werden ließen. Paul Sahner war ein großer Journalist und ein wunderbarer Mensch."
Gottvater der Intimbeichte
Sein Ausflug ins Fernsehen war kurz: "… bitte mit Sahner!" hieß die Sendung, deren Titel er sich wohl bei seinem Freund Udo Jürgens "klaute" ("Aber bitte mit Sahne"). Aber das Schreiben war "sein Ding", er hinterlässt eine Menge: Neben der journalistischen Tätigkeit verfasste er einige Künstlerbiografien, unter anderem über Rod Stewart, Karl Lagerfeld oder Udo Jürgens, er führte über 3000 Interviews - und er hinterlässt Tochter und Frau, die zweite, mit der er seit 2007 sehr glücklich verheiratet war.
Es heißt, man hätte sich ihm schwer entziehen können, man hätte ihn einfach mögen müssen, und die, die ihn partout nicht leiden können wollten, wie Maxim Biller zum Beispiel, der ein Interview mit ihm für das Magazin "Max" machen wollte, hätte am Ende schon gern gehabt, dass man befreundet sei. Paul Sahners Geheimnis war die Offenheit: Er hat was von sich erzählt, dann der andere. Ping. Pong. So einfach geht das.
Quelle: ntv.de