Schweiz setzt US-Haftbefehl um Polanski in Auslieferungshaft
27.09.2009, 12:07 UhrEin Strafverfahren aus den 70er Jahren wird Starregisseur Roman Polanski zum Verhängnis. Er wird bei seiner Einreise in die Schweiz verhaftet. Das Land folgt damit einem internationalen Haftbefehl gegen den polnisch-französischen Filmemacher. Er soll 1977 eine 13-Jährige vergewaltigt haben.
Der weltberühmte Regisseur und Oscar-Preisträger Roman Polanski ist am Samstag bei der Einreise in die Schweiz verhaftet worden. Ihm droht die Auslieferung an die USA, wo er 1977 eine 13-Jährige vergewaltigt haben soll. Das bestätigte der Sprecher des Justizministeriums, Guido Balmer. Der Filmemacher sei auf Grundlage eines US-Haftbefehls in "provisorischer Haft". Der 76-jährige Polanski, der für den Film "Der Pianist" den Oscar bekam, war vom Filmfestival Zürich eingeladen worden und sollte dort am Abend für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden.

(Foto: AP)
Wo sich Polanski derzeit befindet, sagte Balmer nicht. Auf die Frage, warum man den Regisseur, der in den vergangenen Jahren häufig vollkommen unbehelligt in der Schweiz war, gerade jetzt festgenommen habe, sagte der Sprecher: "Wir wussten diesmal genau, wann er einreist." Ob Polanski, der französischer Staatsbürger ist, tatsächlich ausgeliefert wird, müsse nun das Verfahren zeigen. Polanskis französischer Anwalt Georges Kiejman will gegen die Festnahme Widerspruch einlegen. Er wolle erreichen, dass die Festnahme für ungültig erklärt werde, sagte Kiejman im französischen Rundfunk. Wenn notwendig, werde er auch die möglichen Rechtsmittel ausschöpfen, die ihm die Schweizer Justiz biete.
"Ohrfeige ins Gesicht aller Kulturschaffenden"
Die Verhaftung am Flughafen Zürich löste in der Schweizer Filmszene Protest und Empörung aus. Das Vorgehen der Behörden sei nicht nur eine "groteske Justizposse, sondern auch ein ungeheuerer Kulturskandal", schrieb der Verband der Regisseure. Die Verhaftung werde dem Land weltweit Schaden zufügen, kritisierte der Verband Filmregie und Drehbuch. Es sei eine "Ohrfeige ins Gesicht aller Kulturschaffenden in der Schweiz". Das Festival in Zürich verschob die geplante Ehrung Polanskis "auf einen unbestimmten Zeitpunkt", wollte den Regisseur aber wie geplant mit einer großen "Tribute to Roman Polanski"-Retrospektive würdigen.
Auch polnische Filmemacher machen gegen die Verhaftung mobil. Der Starregisseur besitzt nach wie vor polnische Staatsbürgerschaft. In einem Schreiben an den Präsidenten Lech Kaczynski und Außenminister Radoslaw Sikorski hätten sie um eine "schnelle Intervention" gebeten, sagte der Chef der polnischen Filmemachervereinigung Jacek Bromski in Warschau. "Das ist eine skandalöse Situation und ein unverständlicher Übereifer", sagte Bromski der Polnischen Presse-Agentur PAP zum Vorfall in Zürich.
Die Verhaftung könnte seiner Ansicht nach gegen das Völkerrecht verstoßen. Nach seinen Angaben unterzeichneten das Schreiben inzwischen Andrzej Wajda, Janusz Morgenstern und die ehemalige Kulturministerin Izabella Cywinska. Der Brief soll im Tagesverlauf zugestellt werden. Wie ein Außenamtssprecher in Warschau sagte, habe der polnische Botschafter in der Schweiz inzwischen Polanski Konsularhilfe angeboten. Polanski soll aber auf das Angebot noch nicht reagiert haben.
Sarkozy wünscht "schnelle Lösung der Lage"
"Fassungslos" reagierte auch der französische Kulturminister Frédéric Mitterrand auf die Festnahme des "international renommierten Regisseurs" und "französischen Staatsbürgers". Ohne sich in das "sehr alte Verfahren" einmischen zu wollen, dem ein "übertriebener Wert" beigemessen werde, bedauere er auf "das heftigste", dass Polanski dieser "neue Belastungsprobe" unterworfen worden sei, erklärte der Minister. Er erinnerte daran, dass der Regisseur in seinem Leben schon genügend Schicksalsschläge hinnehmen musste. Präsident Nicolas Sarkozy wünsche "eine schnelle Lösung der Lage".
Nach Angaben des Schweizer Justizministeriums werfen die US-Behörden Polanski sexuelle Handlungen mit einem minderjährigen Mädchen in Los Angeles vor. Damals hatte der polnisch-französische Filmemacher zugegeben, die 13-Jährige in der Villa seines Freundes Jack Nicholson mit Champagner und Drogen zum Sex verführt zu haben - was in Kalifornien automatisch als Vergewaltigung gilt.
Opfer hat Polanski verziehen
Ein US-Haftbefehl liegt bereits seit 1978 vor. Polanski konnte ihm durch die Flucht nach Frankreich entgehen. Seitdem hat er die USA nie wieder betreten. Auch zur Oscar-Verleihung im Jahr 2003, wo er für "Der Pianist" als bester Regisseur ausgezeichnet wurde, hatte er die Einreise nicht gewagt. Seit Ende 2005 fahndeten die US-Behörden weltweit nach ihm. Trotzdem konnte Polanski zum Beispiel im Frühjahr 2009 ohne Probleme seinen neuen Film "The Ghost" mit Stars wie Pierce Brosnan und Ewan McGregor in Deutschland drehen, unter anderem auf Sylt.
Sein damaliges Opfer hat Polanski längst öffentlich verziehen. Im Mai war der Regisseur dennoch endgültig mit seinem Antrag gescheitert, das Vergewaltigungsverfahren in Kalifornien nach 32 Jahren endlich für geschlossen zu erklären. Ein Gericht in Los Angeles hatte sein Ersuchen abgelehnt und das persönliche Erscheinen des Regisseurs gefordert.
Flucht aus Krakauer Ghetto
Polanski wurde 1933 als Kinder polnischer Juden in Frankreich geboren. Drei Jahre später zogen seine Eltern mit ihm nach Krakau. Seine Mutter starb in Auschwitz, sein Vater überlebte das KZ Mauthausen, er selbst wurde nach seiner Flucht aus dem Ghetto von Bauern versteckt. 1969 wurde dann seine zweite hochschwangere Frau, die Schauspielerin Sharon Tate, in ihrer gemeinsamen Villa in Los Angeles von der Charles Manson-Bande brutal ermordet.
Zwei Tage vor seiner Verhaftung war eine der Mörderinnen Tates gestorben. Der Tod von Susan Atkins hatte den Fall in die Medien zurückgebracht. Die frühere Anhängerin Mansons erlag einem Krebsleiden. Sie hatte 38 Jahre lang hinter Gittern gesessen und starb 61-jährig in einem Gefängnis in Kalifornien.
Quelle: ntv.de, dpa