"Paris während der Besatzung" Polemik um Propagandabilder
21.04.2008, 11:12 UhrDie Ausstellung "Paris während der Besatzung" sorgt im französischen Blätterwald für aufgebrachtes Rauschen. Nicht weil die rund 250 erstmals ausgestellten Farbbilder des französischen Fotografen Andr Zucca ausschließlich Propagandabilder sind. Die Ausstellung zeigt ein Paris zwischen 1941 und 1944, in dem ausschließlich heller Sonnenschein herrscht. Jeglicher Hinweis auf den Kontext fehlt. Paris und die Fotos sind einfach nur schön: gefüllte Caf-Terrassen, modische und hübsche Frauen im Jardin du Luxembourg oder auf der Pferderennbahn in Longchamps. Nur sporadisch ist ein deutscher Soldat zu sehen und nur zwei Mal erkennt man den gelben Stern an einem Mantel. "Hat man uns belogen? Keine Unterdrückung und keine ewig langen Schlangen vor Bäckereien?", fragt Frankreichs Presse provozierend. Auch die "Times" titelte ironisch "Wie schön kann Krieg sein".
"Noch vor wenigen Wochen schlug Sarkozy vor, jeder Viertklässler solle Pate eines Kindes werden, das bei der Shoah starb. Und hier werden uns idyllische Parisbilder gezeigt ohne den Hintergrund zu erklären", sagte eine der Besucherinnen der Ausstellung, die bis zum 1. Juli in der Bibliothque historique de la Ville de Paris zu sehen ist. Die Fotos waren zunächst nur mit Angaben darüber versehen, wo und wann die Aufnahmen gemacht wurden. Mittlerweile informiert ein Blatt am Eingang der Ausstellung darüber, dass Zucca die Farbbilder im Auftrag der Nazizeitschrift "Signal" geschossen hatte.
Zucca fotografierte für die Wehrmacht
Bevor Zucca für die deutsche Wehrmacht arbeitete, war er für Zeitschriften wie "Paris-Soir", "Paris-Match", "Life" oder "Picture Post" tätig. Im Winter 1939/40 berichtete er als Kriegskorrespondent von der karelischen Front und zusammen mit Joseph Kessel, Journalist und Romancier über den sogenannten "drle de guerre", den Sitzkrieg. Am 1. August 1941 schließlich begann er für das deutsche Propagandablatt zu arbeiten. Er erhielt die Erlaubnis, im Freien zu fotografieren - in Farbe. Er war der der einzige Franzose, der mit dem neuen Agfa-Farbfilm arbeiten durfte. Zucca schoss mit seiner Leica Hunderte von Farbbildern, von denen hier erstmals mehr als 250 zu sehen sind.
Der Direktor der Bibliothek, Jean Derens, hält die Vorwürfe und die Polemik für übertrieben. Ihm gehe es in erster Linie um die Qualität der Bilder und ihre Einzigartigkeit. Außerdem könne man nicht jedes Mal alles wiederholen. Es sei bedauerlich, wenn ein Besucher nicht wisse, was die Okkupation bedeutet hat. "Was beeindruckend ist, ist die technische Leistung des Fotografen", erklärte Derens. Zucca wurde im Oktober 1944 festgenommen. Nach seiner Freilassung zog er sich nach Dreux im Nordwesten Frankreichs zurück, wo er als Fotograf für Hochzeiten und andere Festlichkeiten arbeitete.
Ein ständig sonniges Paris
Die Ausstellung gleicht einem Spaziergang durch Paris. Die Bilder sind nach Arrondissements aufgeteilt. So schlendert der Besucher durch die Viertel Belleville, Marais oder die Champs-Elyses entlang. Die Straßen sind zwar leer, doch die Cafs und die Auslagen voll. "Der Blick auf Paris ist durch die Situation des Fotografen und die benutzte Technik völlig verzerrt", erklärt Jean-Claude Gautrand, Fotograf und Historiker und fügte hinzu: "Um solche Farbbilder zu schießen, brauchte man ein sehr starkes Licht. Daher der Eindruck eines ständig sonnigen Paris."
Quelle: ntv.de