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Mach' die Schule zu Ende! "Rising Star" reißt Wände ein

Anastacia's Secret? Na, ihr neuer BH natürlich!

Anastacia's Secret? Na, ihr neuer BH natürlich!

(Foto: picture alliance / dpa)

Wer Musik-Castingshows mag, wird "Rising Star" lieben: Bislang mussten die Zuschauer über die Fehlentscheidungen mittelmäßiger Juroren fluchen. Nun haben sie das Schicksal der Kandidaten selbst in der Hand.

Gut, dass ein Countdown rechts oben im Bildschirm auf den Beginn von "Rising Star" hinweist, sonst hätte man nach GZSZ vielleicht wieder weggeschaltet. Deutschland hat eine neue Musik-Castingshow: Sie verspricht ganz anders zu werden, ist es irgendwie auch - und bedient doch genau die Erwartungen, die das Publikum seit Alexander Klaws eben an junge Talente und ihre Promo-Formate im Fernsehen hat.

Am Donnerstag startete das Format beim Sender RTL. Der Clou bei "Rising Star": Die Show kann Internet. Per kostenloser App kann der Zuschauer die Kandidaten ins Aus oder eine Runde weiter wischen. "Ich bin Juror" heißt das Konzept. "Diesen Moment wirst du niemals vergessen", verspricht dann auch Promi-Jurorin Joy Denalane.

Wer daran Zweifel hat, wagt sich mit seiner Annahme wohl kaum auf dünnes Eis. Im Übertreibungsfernsehen darf das jedoch als wohl platzierter Euphemismus stehen bleiben. Neben der Sängerin sitzen in der Jury noch die Musikerkollegen Gentleman, Sasha und Weltstar Anastacia. Auch sie voten per mobilem Endgerät, können den Kandidaten jedoch im Gegensatz zum Zuschauer 5 Prozent zu den ersehnten 75 Prozent zuschießen.

"Mach' die Schule zu Ende!"

Niklas Budinsky bei seinem Auftritt.

Niklas Budinsky bei seinem Auftritt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Und so sieht es aus: Alle finden jetzt alles toll. Die Kölner Studio-Besatzung liefert rhythmische Klatsch-Kulisse à la Fernsehgarten und bei der dramatischen Hintergrundbeschallung könnte auch problemlos das Traumschiff einlaufen. Aber es wird noch besser, denn da ist sie: die Wand. "Zehn Tonnen schwer, voller Effekte", erklärt Moderator Rainer Maria Jilg. Auf der einen Seite wird gesungen, auf der anderen abgestimmt. Nur wer weiter kommt, für den hebt sich das Gebilde. Vorher tauchen Fotos der Nutzer darauf auf, die ihre Stimme für den aktuell trällernden Star in spe abgegeben haben.

Endlich darf der erste Kandidat ans Mikro: Niklas Budinsky. Er hat eine Frisur wie ein Stinktier (heller Streifen auf dunklem Grund) und Musik ist ihm wichtiger als eine Beziehung. Vielleicht hat der 16-Jährige auch deswegen seine Mutter mitgebracht. Schule bedeutet ihm nichts - das kommt vielleicht im Fernsehen gut, hilft aber wenig beim Halbjahrszeugnis.

"Sing Deutschland an die Wand", ruft Jilg. Niklas singt "Too Many Friends" von Placebo. Niklas singt gut. Sein Prozentbalken steigt rasend schnell an. Vermutlich freuen sich alle Zuschauer, dass sie jetzt endlich auf dem Handy herumdrücken dürfen. Niklas ist weiter. Nur Juror Gentleman will noch etwas los werden: "Mach die Schule auf jeden Fall zu Ende!" Danke, Gentleman, jemand muss das den Kindern sagen.

Anastacias Brüste sind der Rising Star

Juror Sasha: Hat zwar keinen BH, dafür ordentlich Muckis.

Juror Sasha: Hat zwar keinen BH, dafür ordentlich Muckis.

(Foto: picture alliance / dpa)

Alle Juroren sind schon jetzt wahnsinnig geschockt, finden alles unglaublich und sehen "große Zukunft". Sie sind, finden und sehen sehr sympathisch. Was noch? Es kann jetzt eigentlich nur noch um Anastacias Brüste gehen. Toll sehen die aus. Schon Britney Spears wusste zur Jahrtausendwende, dass so eine BH-unter-Blazer-Kombi eine ganz schön scharfe Sache ist. Anastacia hat den alten Trick wieder ausgegraben - allerdings mit Büstenhalter in Fleischfarbe.

Dank Jilg bleibt auch die Moderation schlüpfrig: "Nacktfotos bitte nur an die Freundin, Profilbilder an uns", gibt er den Juror-Nutzern mit Verweis auf ihre App-Accounts zu denken. Ach, so ist das.

Endlich kommt Janine Denise Schulz. Sie ist ein "Berlin City Girl", wie ihr Einspieler verrät. Außerdem besitzt sie eine ziemlich lässige Lederjacke - das sieht man da auch - und es existieren Aufnahmen von ihr, wie sie "Tokio Hotel"-Songs trällert. Janine ist das herrlich peinlich.

Wer behauptet, bei "Rising Star" oder irgendeiner anderen Musikcastingshow im Fernsehen ginge es wirklich nur um Stimme, der lügt. Auch für Janine fällt die Mauer an diesem Abend. "Ich hätte dich aus Sympathiegründen schon weiterkommen lassen", gibt Sasha zu. Man versteht ihn. Dass er auch "Gänsehautmoment" gesagt hat, muss übergangen werden.

Techno-Türsteher und Chorleiter

Im weiteren Verlauf der Sendung gibt es noch viele große Momente. Und erschreckend viele Männer in den Zwanzigern, die noch bei Mama wohnen - das sind wohl die negativen Folgen der Emanzipation. Joy Denalane gibt geheime Karrieretipps ("üben"). Dann singt Christian Scheer Miley Cyrus’ "Wrecking Ball" und während man noch meint, ihn - ganz Nackedei - auf der Abrissbirne durch die Arena schweben zu sehen, ist er auch schon raus. Schade. Aber Joy Denalane gefällt die Songauswahl.

"Rising Star" ist hart. Die Kandidaten sind ungewöhnlich sympathisch und viele müssen nach Hause fahren. Zum Beispiel Ex-Techno-Türsteher Andrew James Witzke. Gentleman und Sasha wollen nach der Show mit ihm ein Bier trinken gehen. Nicht jedoch Gospelchorleiter The Latonius mit Rock, Diven-Moves und einer Frisur wie frisch von der Speisekarte beim Thailänder - toller Typ, die Stimme voll in den Tiefen und in den Höhen lässig, wie die eines siebenjährigen Mädchens. Wo sind eigentlich die arroganten Nervensägen, diese in Selbstbräuner gebadeten Fail-Castings? Das Talent-Format scheint erwachsen geworden zu sein.

Ein Letztes noch: Liebe Kandidaten, bitte beendet eure Ausbildung. Wenn Jilg sagt: "Vielleicht brauchst du dein Medizinstudium hiernach gar nicht mehr", dann meint er das nicht so. Denn mal ehrlich, wenn es bei "Rising Star" gut für euch läuft, sitzt ihr in zwei Jahren vielleicht im Dschungelcamp. Jilg hat sein Studium übrigens abgeschlossen.

Über Castingshows lässt sich immer wahnsinnig viel Schlechtes sagen. Das ist gut, denn von der heimischen Couch aus soll man ruhig lästern dürfen. Doch "Rising Star" ist ein tolles Format. Über das App-Voting ist es RTL gelungen, dem alten DSDS-Goldesel in neuen Schläuchen den Euter zu melken. Seit Alexander Klaws will der Zuschauer seine Meinung sagen, mit "Rising Star" ist das nach diversen mehr oder weniger gescheiterten Versuchen erstmals einfach und umsonst möglich. "Rising Star" ist 2.0. So 2.0, dass es zum Abschluss der Sendung ein "Showselfie" gibt. Fast wie bei der Oscar-Verleihung.

Quelle: ntv.de

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