Unterhaltung

Mord am unbekannten Hund Roadmovie zu Fuß

Da liegt etwas brennend am Boden zwischen den Zapfsäulen einer Tankstelle. Durch die Flammen lässt sich Kleidung vermuten. Zwei junge Männer rasen überstürzt im Auto davon, einer ist völlig durch den Wind, der andere kommentiert kaltschnäuzig ein Fußballspiel im Radio. Im gleichen Moment greifen an der Tankstelle bei Wismar die Flammen vom brennenden Etwas am Boden auf einen Zapfhahn über. Das Feuer zischt durch den Schlauch. Den Bruchteil einer Sekunde später fliegt die komplette Tankstelle in die Luft. "Time has come today" rocken die "Lords of Altamont" und die Geschichte nimmt ihren Lauf: Ein junger Mann begeht einen furchtbaren Fehler, geht auf Wanderschaft und lernt dabei Schritt für Schritt, Verantwortung für seine Tat zu übernehmen.

Nach ihrem Überraschungserfolg "Oi!Warning", der 2000 mit einer Story aus der Skinhead-Szene die Programm- und Off-Kinos eroberte, knüpfen die Filmemacher und Zwillingsbrüder Dominik und Benjamin Reding in "Für den unbekannten Hund" dort an, wo ihr Debütfilm über Skins aufhörte: Ein sinnloser Mord.

Doch noch haben sich im Film die Mosaiksteine des Verbrechens nicht zusammengefügt. Ebenso wenig stellt sich der mutmaßliche Mörder Bastian seiner Tat. In der nächsten Sequenz wird er aus dem Gefängnis entlassen. Nicht für Mord, sondern für eine Lappalie saß er ein. Er verlässt die Anstalt allein, durchläuft ein Torsystem aus großen, glatten Türen in Knallfarben bunt aber unpersönlich. Keine Menschenseele kreuzt seinen Weg. Daheim wartet eine Freundin und der erpresserischer Kumpel, der die Mordnacht miterlebt hat.

Kaum entlassen droht Bastian in alte Muster zurückzufallen, gerät aber durch einen dramatischen Zufall an die Freunde des Opfers: Dorfjugend und Wandergesellen geraten aneinander. Zwei völlig gegensätzliche gesellschaftliche Gruppen kollidieren am Rande der Gesellschaft. Als Freunde werde sie schließlich zueinander finden.

Bastian wird probeweise bei einer Vereinigung von Wandergesellen aufgenommen. Er muss sich bewähren und scheitert. Er kämpft um eine zweite Chance und bekommt sie. Ausgerechnet der Geselle Festus, der beste Freund des Mordopfers "Schmiege", wird sein Mentor. So bekommt der Tote einen Namen und Bastian tritt in seine Fußstapfen. Festus hofft auf eine Chance, wieder gutzumachen, was er glaubt in der Mordnacht an Schmiege verbrochen zu haben. Ahnungslos steckt er ausgerechnet Bastian in Schmieges Gesellenkluft und wird sein Freund.

Wer glaubt, dieser doppelte Weg zur Selbsterkenntnis müsse mühsam und trocken zurückgelegt wegen, liegt völlig falsch. Zwar haben sowohl Bastian als auch Festus jeweils ihr Bündel zu tragen, doch Trübsal blasen sie deshalb noch lange nicht. Viel eher leben und erleben sie exzessiv und frei: ein Rockfestival, eine erotische Privatparty, ein Bikertreffen mit augenzwinkernder Stripeinlage und natürlich die Wanderschaft meistens bei Regen und oftmals unter dem Sternenhimmel und nicht ohne heimliche Mitfahrgelegenheiten zu Land, zu Wasser oder im Heißluftballon. Fetzige Musik ist selbstverständlich auch dabei: Da wird zu Gitarrengeklampfe tätowiert oder zu Kammermusik eine mittelalterliche Kirche mit Meißel und Mörtel restauriert.

Der Weg ist das Ziel, und so erzählen die Filmemacher ihre Geschichte mit faszinierenden Bildern, aus ungewöhnlichen Blickwinkeln, in mitreißendem Takt und mit Tempo. Es macht Spaß, die Protagonisten auf ihrer Wanderschaft zu begleiten. Da passen Anflüge von Melodramatik gerade noch ins Bild - etwa wenn Festus seiner verflossenen Reisegefährtin Leila unter dem Sternenhimmel schon wieder Lebewohl sagen muss. Am Ende sind Festus und vor allem Bastian einen Schritt weiter. Ihr rauschender Selbstfindungstrip kann jedoch nur in Ernüchterung enden. Aber das soll jeder selbst sehen.

"Für den unbekannten Hund" gewährt Einblicke in die wundersamen Bräuche des Gesellenlebens, erzählt von Höhen und Untiefen zwischenmenschlicher Beziehungen und natürlich von persönlichen Abgründen ein Roadmovie zu Fuß und großer Kinospaß.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen