Jetzt mach' mal kein Theater! Schöne Überraschung in Hamburg
25.11.2010, 17:45 Uhr
Joachim Bliese und Judy Winter.
(Foto: Oliver Fantitsch)
Na, wann waren Sie das letzte Mal im Theater? Schon 'ne Weile her, stimmt's? Jetzt, wo Weihnachten naht, wäre doch ein guter Zeitpunkt, sich mal wieder Gedanken zu machen über Nächstenliebe und die Frage: "Wie tolerant bin ich eigentlich wirklich?"
Ist das nicht wunderbar: Nach längerer Abwesenheit kündigt sich Tochter Susan bei ihren Eltern, Norma und George Kline an, einem glücklichen, modernen Ehepaar und perfekten Eltern, vorurteilsfrei und tolerant! Das einzige Kind ist nun bis über beide Ohren verliebt und will ihren Freund, den aufstrebenden Konzertpianisten Peter, vorstellen. Eigentlich ein Anlass, um die fürsorglichen Eltern rundum glücklich zu machen. Aber als das verliebte Paar eintrifft, ist der Schock immens: Peter ist ein Farbiger.
Francis C. Winter, dem mit der musikalischen Komödie "Schöne Überraschung" ein bemerkenswertes Stück Gegenwart gelungen ist, zeigt, dass eine ach so bürgerliche Fassade ganz schön schnell bröckeln kann. Doch nicht nur die Eltern von Susan sind bei weitem nicht so tolerant wie gedacht, auch die Mutter des jungen Mannes (Winter) ist "not amused" über die anstehende Hochzeit mit einer "Weißen. Natürlich ist dies nicht der einzige Handlungsstrang des Stücks, das im Ernst Deutsch Theater in Hamburg aufgeführt wird: Wie Winter die Geschichte dann zu einem Großen und Ganzen zusammenführt, ist gelungen und kurzweilig.
Man steht auf dem Prüfstein
"Schöne Überraschung" lief bereits an einigen deutschen Theatern, darunter im Theater am Kurfürstendamm in Berlin, aber auch die Zuschauer in Österreich und der Schweiz waren, genauso wie die Kritiker, begeistert von der Schnelligkeit, dem Witz, der Musik und den intelligenten Dialogen, die dem 40-jährigen Francis C. Winter da aus der Feder geflossen sind. Genauer gesagt: 250 Mal sorgte der "Spaß mit Musik und Tiefgang" (NRZ) für Unterhaltung und Nachdenklichkeit. Winter sagt dazu: "Ich finde das Thema wichtig, denn es geht um Toleranz, die man glaubt zu haben, aber wenn's ans Eingemachte geht, z.b. die eigenen Kinder betrifft, steht man plötzlich auf dem Prüfstein. Hier ist es ein Farbiger, der die Eltern aus der Reserve lockt, es könnte aber auch in Japan spielen, wo die Tochter des Hauses mit einem Koreaner nach Hause kommt. Oder in Israel, wo das Mädchen ihren Eltern einen Palästinenser präsentiert." Und er ergänzt: "Das Thema ist global und immer noch aktuell. Ich glaube, die Angst vor dem Anderssein ist eine fundamentale Urangst des Menschen."
Winter selbst kann sich über den Erfolg nur freuen - und darüber, dass er ihn mit Menschen teilen kann: "Mein größtes Glück ist, dass ich seit über 15 Jahren in einer glücklichen Beziehung lebe, und dass ich mit meiner Mutter Judy wieder auf der Bühne stehe!"
An Hamburg hat der Berliner gute Erinnerungen, hier lief vor einem Jahr auch sein Stück "Spurensuche" mit Ulrike Folkerts und Suzanne von Borsody am selben Haus. 30.000 Zuschauer sahen in fünf Wochen das eindringliche Spiel der zwei Frauen in einem Stück, in dem es um Kindesmissbrauch und Mord ging. Sie spielten die Mütter des Opfers und des Täters.
"Schöne Überraschung" von Francis C. Winter läuft vom 25.11.2010 bis zum 8.1.2011 am Ernst Deutsch Theater in Hamburg, es spielen Joanne Bell, Joachim Bliese, Anna Eger, Mary Thompson, Francis C. Winter und Judy Winter, am Klavier: Michael Ashton / Lorenz Boesche. Regie führt Adelheid Müther.
Quelle: ntv.de, soe