Scharfzüngiger Publizist Sebastian Haffner
26.12.2007, 12:00 UhrFür viele Leser waren Sebastian Haffners "Anmerkungen zu Hitler" von 1978 das Beste, was je über Hitler geschrieben wurde. Einen fast legendären Ruf erwarb sich der am 2. Januar 1999 gestorbene Haffner, der am 27. Dezember Jahre alt geworden wäre, aber vor allem in der Medienlandschaft im Nachkriegsdeutschland als ebenso scharfzüngiger wie pointierter Publizist.
In Zeitungen, Zeitschriften und im Fernsehen meldete sich der als Raimund Pretzel geborene Berliner, der wegen seiner jüdischen Freundin 1938 in die Emigration nach London ging und von dort aus unter seinem Pseudonym (nach Johann Sebastian Bach und Mozarts Haffner-Sinfonie) arbeitete, regelmäßig zu Fragen der deutschen Geschichte wie auch der Gegenwartspolitik von der "Spiegel"-Affäre bis zur deutschen Wiedervereinigung.
Nicht immer stieß Haffner mit seinen oft eigenwilligen Auffassungen auf Gegenliebe, zumal wenn er schon früh quasi als "Vorläufer" von Willy Brandts Ostpolitik für einen "Wandel durch Annäherung", also auch Zugeständnissen an die DDR, plädierte. Immer aber konnte Haffner auf ein lebhaftes Echo rechnen, zumal er als langjähriger "Stammgast" bei Werner Höfers Fernseh-"Frühschoppen" auch in breiteren Bevölkerungskreisen eine größere Bekanntheit und auch gewisse Popularität erreichte, vor allem bei der jungen rebellischen 68er Generation, die unorthodoxe Meinungen und Haltungen gegen den herrschenden Meinungskanon in der Gesellschaft besonders honorierte.
Hellsichtige Analyse von Hitler-Deutschland
Von Mitte der 70er Jahre an verlegte sich Haffner aber vom journalistischen Alltag auf die größere Sichtweise des Historikers und als bekennender Preuße natürlich auch mit einem besonderen Blick auf die preußische Geschichte ("Preußen ohne Legende"). Wohl nicht von ungefähr hieß sein letztes zu Lebzeiten erschienenes Buch "Von Bismarck zu Hitler" (1987) über die Kontinuität der deutschen Geschichte von 1871 bis 1945. Mit seinen "Anmerkungen zu Hitler" aber habe der brillante Publizist Haffner seine "Löwenpranke" zu erkennen gegeben, "von der man seit dem Erscheinen seiner Churchill-Biografie (1967) eine erste Ahnung haben konnte", schrieb Johannes Willms in der "Süddeutsche Zeitung"-Serie "Große Journalisten".
Aufsehen erregte die erst 1996 erschienene deutsche Erstausgabe seines 1940 in London publizierten Buches "Germany: Jekyll & Hyde. 1939 - Deutschland von innen betrachtet". Viele sahen darin eine hellsichtige Analyse von Hitler-Deutschland zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. Einigen Wirbel verursachten später noch Haffners 2000 postum erschienene frühe Memoiren mit dem Titel "Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914-1933", bei denen einige Kritiker den Verdacht äußerten, der Autor könnte noch nach dem Krieg am Manuskript gearbeitet und nachträgliche Reflexionen eingefügt haben, was Experten allerdings zurückwiesen.
Was bleibt, ist auch die Erinnerung an einen der profiliertesten Publizisten der zweiten deutschen Republik mit scharfsichtigen historischen und gesellschaftspolitisch aktuellen Betrachtungen und Analysen. Sein "geistiger Geruchssinn" habe ihn davor geschützt, Nazi zu werden, meinte Haffner, "ein Gefühl für die ästhetischen Valeurs (Werte) (und Non-valeurs!) einer menschlichen, moralischen, politischen Haltung oder Gesinnung".
Von Wilfried Mommert, dpa
Quelle: ntv.de