Zapp Maier - Die WM-TV-Kolumne Sorry, Rudi! Sorry, Berti! Sorry, Erich!
25.06.2014, 13:20 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
"Die Kleinen haben aufgeholt!", "Wir sollten von unserem hohen Ross runterkommen!", das waren mahnende Worte von Berti Vogts, Rudi Völler und Erich Ribbeck, die damals müde belächelt wurden. Dieser Tage kriegen Fans in aller Welt beim Anblick jubelnder Costa-Rica-Spieler große Augen. Höchste Zeit also für ein paar entschuldigende Zeilen.
Was musste Berti Vogts Mitte der Neunziger nach seinen regelmäßigen "Die kleinen Nationen haben aufgeholt"-Fingerzeigen nicht alles einstecken. Fußball-Deutschland war regelrecht empört über eine derartige Adelung von Mannschaften aus Nationen, die die meisten bierbäuchigen Stammtisch-Zähneknirscher nicht mal kontinental zuordnen konnten. Auch Rumpel-Experte Erich Ribbeck wies immer wieder gerne auf die enorme taktische und technische Entwicklung sogenannter Fußballzwerge hin, wenn es zu überraschenden Augenhöhe-Duellen kam.
Unvergessen auch Rudi Völlers Wutausbruch im Anschluss an die träge EM-Qualifikations-Nullnummer gegen Island im Spätsommer 2003. Man habe schließlich gegen den Tabellenführer gespielt, so der ehemalige Torgarant. So einen Scheiß über einen noch tieferen neuen Tiefpunkt werde er sich nicht mehr lange bieten lassen, raunte er den Waldi an.
Vogts, Ribbeck und Völler wurden nicht für voll genommen und bekamen von der halben Nation den Unfähig-Button auf die Stirn geklebt. Spätestens nach der Halbzeit der diesjährigen Weltmeisterschaft in Brasilien sollte es aber an der Zeit für eine ernstgemeinte Entschuldigung in Richtung der drei antiken Experten sein; denn was die Herren bereits vor Jahrzehnten zu wissen schienen, wird nun auch dem Rest der Fußballwelt klar.
Den hochbezahlten Glamour-Gegnern mindestens ebenbürtig
Die Zeiten, in denen vermeintliche Fußballmächte wie Argentinien, Italien, Brasilien und Portugal mal eben so Mannschaften wie Costa Rica, Bosnien-Herzegowina oder die der USA im Vorbeigehen an die Wand spielten, sind vorbei. Und das nicht, weil die Herren Messi, Neymar, Ronaldo und Co von ihrem Recht Gebrauch machen, auch mal einen schlechten Tag haben zu dürfen, die Sonne zu kräftig scheint oder der Ball nicht rund genug ist: Nein, die Tore von bisher Unbekannten wie Keylor Navas (Costa Rica), Guillermo Ochoa (Mexiko) oder auch Tim Howard (USA) blieben deswegen weitgehend vernagelt, weil die zehn Mannschaftskollegen vor ihnen den hochbezahlten Glamour-Gegnern in punkto Technik, Laufbereitschaft und taktischem Verständnis mindestens ebenbürtig waren.
Es ist nicht mehr nur die Underdog-Euphorie, die einer Mannschaft wie beispielsweise Costa Rica dazu verhilft, einem Geheimfavoriten wie Uruguay ein Bein zu stellen. Es ist das Komplettpaket, das sich kaum mehr von dem eines Titelanwärters unterscheidet und, wie im Fall von Costa Rica, nicht nur Uruguay sondern auch dem großen Italien das Fürchten lehrt.
Die Mannschaft, die dieser Tage nicht bereit ist, wirklich alles in die Waagschale zu werfen, die wandert nach 90 Minuten mit hängenden Köpfen in die Stadion-Katakomben. Dabei spielt es keine Rolle, ob auf den Trikots das geschichtsträchtige Wappen von Spanien, England oder Italien prangt. Berti Vogts, Erich Ribbeck und Rudi Völler mahnten schon vor Jahren mit erhobenen Zeigefingern. Jetzt stehen der "Klinsi-Assi", "Tante Käthe" und "Rumpel-Erich" breitbeinig, lächelnd und mit hocherhobenen Nasen vor den Toren der Stadien in Fortaleza, Natal und Manaus und genießen unzählige reumütige Handschläge. Richtig so. Die habt ihr euch auch redlich verdient.
Quelle: ntv.de