Unterhaltung

"Willkommen in Hamburg" Til Schweiger, der Ermüdler

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(Foto: dpa)

Mehr Action, mehr Tempo, mehr Hollywood - die "Tatort"-Premiere von Til Schweiger will viel. Das Ergebnis ist ernüchternd. Und wieder kann man nur für oder gegen ihn sein. Der "Tatort" beweist aufs Neue: Richtig gute Action können andere besser.

Beide wollten schon immer hoch hinaus - Til Schweiger und der "Tatort". Der eine zog aus, Hollywood in die deutschen Kinosäle zu holen, der andere, zu zeigen, dass Krimis Made in Germany auch eindrucksvoll und spannend sein können. Nun haben sie sich gefunden und schauen gemeinsam gen Westen: US-amerikanisches Kino heißt das Ziel, ausgegeben vom NDR-Intendanten Lutz Marmor.

Der Tatort und sein Neuer ...

Der Tatort und sein Neuer ...

(Foto: dpa)

Der "Tatort" ist eine Chance für Schweiger. Die Geschichte des 49-Jährigen ist die von einem, der den Film in Deutschland verändern wollte und dabei zum erfolgreichsten Schauspieler des Landes wurde. Mit Emotion, Witz und Spannung überzeugte er das Publikum in Komödien wie "Keinohrhasen" und "Kokowääh" oder zuletzt in dem Thriller "Schutzengel". Schweigers Domäne ist das lockere Entertainment, Popcorn-Kino für die ganze Familie, mit regelmäßigen Zuschauer-Rekorden.

Doch der Alleskönner ist auch ein Gefangener seines Erfolgs. Seine Geschichte ist schließlich die von einem, der sich trotz allem nach etwas sehnt, das ihm die Kritiker immer wieder verwehren: Anerkennung. Zu wenig Tiefgang und zu vorhersehbar, lauten die Vorwürfe zu seinen Produktionen.

Vor diesem Hintergrund kann man den "Tatort" für Schweiger als Chance sehen, als Möglichkeit auf der Suche nach Anerkennung. Er, der verkannte Schauspieler und Filmemacher, als Teil einer deutschen TV-Institution, die von Millionen Zuschauern, jung wie alt, geschätzt wird. Ganz so einfach kommt man hier schließlich nicht an ihm vorbei.

Ein Schweiger schweigt nicht

Til Schweiger ist aber genauso eine Chance für den "Tatort". Wegen der Quoten, könnte man meinen - schließlich liefen die Hamburger Ableger der Reihe zuletzt nicht gut. NDR-Fernsehspielchef Christian Granderath aber entgegnet: wegen seines schauspielerischen Talents. Darüber kann sich jeder seine eigene Meinung bilden; fest aber steht, dass die Verpflichtung Schweigers für große Aufmerksamkeit gesorgt hat und viele Zuschauer vor den Fernseher locken wird. Dabei hat der Schauspieler selbst kräftig mitgeholfen. Das Intro sei zu altmodisch, tönte er, und die ARD zahle zu wenig Geld für die Herstellung einer solchen Folge.

Mädchenhandel haut den härtesten Bullen um!

Mädchenhandel haut den härtesten Bullen um!

(Foto: dpa)

Til Schweiger polarisiert und spaltet das Land: in für Til und gegen Til, dazwischen gibt es nichts. Das zeigte sich auch, als sein "Tatort"-Engagement Ende 2011 bekannt wurde: 59 Prozent der Deutschen gaben damals laut Meinungsforschungsinstitut YouGov an, sie könnten sich den Schauspieler als Kommissar vorstellen, 41 Prozent waren dagegen.

So oder so, eins war schon im Vorfeld klar: Beim Schweigerschen "Tatort" gibt es weniger Gerede und mehr Action. US-amerikanisches Kino im Ersten, das bedeutet, nach zweieinhalb Minuten fällt der erste Schuss und nach sechs Minuten gibt es bereits drei Tote. Dazu noch ein paar Abziehbilder: Ein ausländischer Mafia-Clan zwingt minderjährige Mädchen aus Osteuropa zur Prostitution und die korrupte Polizei schaut zu.

Die Waffe im Anschlag

Die Gerechtigkeit kommt in Form von Nick Tschiller alias Til Schweiger: Vorschriften sind ihm egal, er macht seine eigenen Regeln. Weder die Staatsanwaltschaft noch sein Vorgesetzter können Tschiller aufhalten; er will die Bösewichte im Alleingang zur Strecke bringen und ihren Kiezfrieden mit den Polizisten brechen. Der ehemalige SEK-Beamte ist neu in Hamburg. Von Frankfurt ist er in den Norden gezogen, um sich besser um seine 15-jährige Tochter kümmern zu können. "Willkommen in Hamburg", so der Titel des "Tatorts", bezieht sich aber nicht nur auf Tschillers Umzug in die Hansestadt, sondern vor allem auf den rauen Empfang, der ihm bereitet wird.

Schon bei seinem ersten Einsatz geht es hoch her, während einer Wohnungsüberprüfung stößt er auf einen Menschenhändlerring. Ab dann heißt es: Feuer frei! In einer bleierfüllten Handlung will er den Verbrechern das Handwerk legen und versteckt und beschützt Tereza, eine der jugendlichen Zwangsprostituierten, vor den Zuhältern und den bestechlichen Kollegen.

Fahri Yardim (l.) spielt Yalcin Gümer, den Partner von Nick Tschiller.

Fahri Yardim (l.) spielt Yalcin Gümer, den Partner von Nick Tschiller.

(Foto: Norddeutscher Rundfunk)

Zwischendurch aber noch, kurz in die Handlung gepresst: Innehalten, der Weichei-Moment. Das Schicksal der Mädchen geht dem harten Hund Tschiller an die Nieren. "Wenn du das durchgemacht hast, dann vertraust du niemandem mehr", erzählt er seiner Tochter - vermutlich betroffen, deutet man Schweigers Gesichtsausdruck richtig. Kurz später hat er wieder die Waffe im Anschlag.

"Wo Til Schweiger draufsteht, ist auch Til Schweiger drin", sagte der Schauspieler vor kurzem in einem Interview. Und so gibt er, wie in "Kokowääh", den liebevollen, aber dusseligen alleinerziehenden Vater, der nicht nur kein Weichei ist, sondern es auch nicht hinbekommt, seiner Tochter ein weiches Ei zu kochen. Oder er gibt den starken Beschützer einer Jugendlichen, wie in "Schutzengel".

Der "Tatort" als Aufguss vorheriger Schweiger-Filme, das hatten viele befürchtet. Den Eindruck verstärkt die Besetzung: Nach "Schutzengel" spielt Luna Schweiger nun auch in dem TV-Krimi an der Seite ihres Vaters, neben anderen Schweiger-Vertrauten wie Tim Wilde oder Fahri Yardim.

"Ich nuschel ein bisschen!"

Armageddon in Hamburg?

Armageddon in Hamburg?

(Foto: Norddeutscher Rundfunk)

Für das Erfolgskonzept von Til Schweiger braucht es außerdem Lacher. Immer wieder versucht es der Film mit Action-Humor à la "Lethal Weapon", der als ein Vorbild für die Produktion diente. So wird Tschiller von seinem Vorgesetzten angeraunt: "Sie und ihre Alleingänge und die Gewalt und dieses ganze Rumgeblute."

Die Überraschung des Films ist jedoch Schweigers Selbstironie. In einer Szene fragt eine Empfangsdame: "Schiller, wie der Dichter?" Worauf der für seine undeutliche Aussprache häufig belächelte Schweiger antwortet: "Tschiller! Mit T! Ich nuschel ein bisschen."

Ja, er ist bemüht, dieser "Tatort". Er will anders sein, größer und besser, spannender und lustiger. Auch Til Schweiger will dem Publikum etwas bieten, versucht, den deutschen Bruce Willis zu geben, gerne mal mit einem lockeren Spruch, nur eben nicht ganz so knallhart und nicht ganz so lässig. Schimanski lässt hier übrigens eher grüßen.

Der 90-Minüter zeigt, wo er hin will, baut sogar eine Hommage an die US-amerikanischen Vorlagen ein: Kurz vor Ende tritt Tschiller siegreich aus dem Versteck der Menschenhändler, hinter ihm die befreiten Jugendlichen - ähnlich der bekannten Szene aus dem Film "Armageddon".

Trotzdem können weder Til Schweiger noch die Handlung oder die Actionszenen den teuren US-Produktionen das Wasser reichen. Aber das muss ja auch nicht sein: Wem das Geld für eine große Explosion fehlt, der braucht nicht - für den Hollywood-Moment - ein Explosiönchen, der Tschiller gerade noch entkommen kann. Das wirkt zu gewollt.

Der "Tatort" beweist aufs Neue: Richtig gute Action können andere besser. Und er, Til Schweiger, der Anerkennung gesucht hat, fand lediglich Unvollkommenheit. Aber ein Hintertürchen hat er sich zum Glück offen gehalten, schließlich war er diesmal nur Schauspieler; Regie und Drehbuch, das haben andere zu verantworten.

In dem Fall sind alle Ähnlichkeiten natürlich rein zufällig.

Quelle: ntv.de

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