"Austauschbare Sackgesichter" bei den "Schlefaz" Vergnügungsreise ins Fernseh-Grauen
06.02.2014, 15:56 Uhr
Austauschbare Sackgesichter, die beim Sprechen nicht hinfallen ... damit sind nicht Rütten und Kalkofe gemeint ...
(Foto: Steffen Jaenicke für TELE 5)
Lachen und Leiden: Die "Schlechtesten Filme aller Zeiten" bei Tele 5 sind eine Perle des Nischenfernsehens. Oliver Kalkofe und Peter Rütten holen Kinokatastrophen aus dem Archiv - und veranstalten damit große Fernsehabende.
Oliver Kalkofe und Peter Rütten freuen sich auf einen richtig schrägen Film. "Blacula" (1972) erzählt die Geschichte eines afrikanischen Prinzen, der vom rassistischen Graf Dracula verflucht wird. Nun muss er als Vampir spuken, und zwar im Los Angeles der Disco-Ära. Der Streifen ist harte Kost: Die Handlung ist hanebüchen, die Gruselszenen sind nicht gruselig, die Frisuren sind gewagt. Und dann versucht "Blacula" auch noch eine Kreuzung aus Vampirgeschichte und Soulmusik. Kurz: Der Film ist ein idealer Kandidat für die "Schlefaz", die "Schlechtesten Filme aller Zeiten".
In der Reihe bei Tele 5 gestalten Rütten und Kalkofe in jedem Monat aus einem Tiefpunkt der Filmgeschichte einen ungewöhnlichen Fernsehabend. Sie bringen Kinokatastrophen zurück auf den Bildschirm - und machen aus ihnen eine Vergnügungsreise ins Grauen. Schlefaz ist kein Fernsehabend zum Genießen, sondern für Zuschauer, die lustvoll mitleiden wollen.
Rütten und Kalkofe sind dabei die Reiseleiter. Ohne Begleitung wäre es auch kaum möglich, bei den Unsinnsstreifen die Finger von der Fernbedienung zu lassen. Schon vor Beginn des Films überschütten die "Schlefaz"-Gastgeber das Machwerk und seine Macher mit einem Feuerwek aus Gemeinheiten, wie es auch die Zuschauer von Kalkofes "Mattscheibe" schätzen, später klinken sie sich immer wieder ein, um auf besonders miese Szenen und große Patzer hinzuweisen. Da ist die Rede von "Schauspielern aus einem Sammelkatalog für austauschbare Sackgesichter, die beim Sprechen nicht hinfallen" oder einem "vermurksten, bummsblöd an den Arschhaaren herbeigezogenen" Drehbuch, von dem man nicht glauben kann, dass "ein vernunftbegabter, wahlberechigter Homo Sapiens" es erdacht hat. Die Sprüche sind manchmal subtil entlarvend, oft einfach nur böse, immer treffend.
Zugleich ruft die Sendung die Zuschauer zur Trash-Party auf: Sie bietet zum jeweiligen Film passende Cocktail-Kreationen, diesmal "Bloody Blacky" mit Blutwurz und Salmiak-Likör, und passende Trinkspiele ("Immer wenn ein Hai durchs Bild fliegt, einen Cocktail trinken"), fördert Diskussionen bei Facebook und Twitter und richtet inzwischen auch Übertragungen in Programmkinos im ganzen Land aus. Immer mehr Zuschauer wollen mitfeiern: Den Januar-"Schlefaz" "Sharknado" sahen rund eine halbe Million Menschen. Für einen der großen Sender wäre diese Zahl auch bei der späten Ausstrahlung ab 22.10 Uhr eine Katastrophe, das kleine Tele 5 feiert sie als Erfolg. Zudem profitiert der Sender von viel Aufmerksamkeit im sozialen Web: Die Hashtags #Sharknado und #S chlefaz gehörten bei Twitter zu den meistgenutzten des Abends.
Diamanten unter Bullshit-Filmen
Die beiden Macher freuen sich darüber, dass ihnen Tele-5-Geschäftsführer Kai Blasberg die Freiheit lässt, ihre gemeinsame Liebe zum Trash-Kino auszuleben, auch wenn die große Masse der Fernsehzuschauer sie nie teilen wird. Oliver Kalkofe befasst sich schon seit zwei Jahrzehnten satirisch mit den schlimmsten Zumutungen des Fernsehens, ist aber auch großer Fan von grottigen Spielfilmen. Das verbindet ihn mit Rütten. Der hat früher unter anderem als Chefschreiber und Sprecher in der "Harald-Schmidt-Show" gewirkt, für seine Satiresendung "Rüttens Bullshit des Tages" synchronisiert er bei Tele 5 Film- und Fernsehschnipsel und kommentiert dadurch das Tagesgeschehen.
Gemeinsam dürfen sie für "Schlefaz" den großen Giftschrank im Filmarchiv des Senders durchstöbern. An langen Wochenenden, so erzählt Rütten, kämpfen sie sich mit einigen Bier durch viele schlechte Streifen. "Das macht Spaß, trotz Schmerzen und Mühen beim Schauen", sagt er. "Für unsere Umwelt wirken wir danach aber wunderlich." Anders als manch anderer Streifen der Reihe sei die aktuelle Folge "Blacula" nicht mal offensichtlicher Filmmüll, meint Rütten. Handwerklich sei er durchaus solide, sogar ein "Diamant" unter den Blaxploitation-Filmen, also dem in den 1970er Jahren entstandenen Genre, das das neue Selbstbewusstsein der afro-amerikanischen Bevölkerung widerspiegelte und zu dem auch Klassiker wie "Shaft" zählen. Es sei eher das veränderte Verständnis von Grusel und Komik, das diesen Film für heutige Zuschauer unfreiwillig komisch erscheinen lasse.
Solide Nerd-Basis"
Ob das Publikum mitlachen kann, bekommen die Macher unmittelbar mit. Bei Facebook und Twitter diskutieren Hunderte Zuschauer mit. Sie weisen auf weitere Fehler im Film hin oder klagen, wie sehr sie unter dem Anschauen des Schwachsinns leiden. Manchmal erhalten sie direkt Antwort von Kalkofe - er ist ein exzessiver Facebook-Nutzer. In den sozialen Netzwerken spürt man, wie es der Sendung gelingt, das Gefühl eines Filmabends mit Freunden auf ein Fernsehpublikum zu übertragen, ob die Zuschauer nun allein oder in Gruppen zu Hause sitzen oder den Film in einem Kino verfolgen - solche Möglichkeiten hat Fernsehen in Zeiten des Internets. Eine genaue Zielgruppe für den Trash-Abend kann Peter Rütten nicht nennen. Die Zuschauer seien sehr unterschiedlich, meint er. Es gebe aber eine "solide Nerd-Basis", die immer wieder zuschalte.
"Schlefaz" ist nicht das einzige neuere Format, mit dem Tele 5 für Aufsehen sorgt. Senderchef Blasberg sucht nach solchen Nischen, um aus der lange Zeit blassen Film-Abspielstation einen Sender mit Profil zu machen. Mit Erfolg: Tele 5 kann auf drei Grimme-Preise hoffen. Nominiert sind Kalkofes Sendung "Nichtgedanken", in der er sich mit Biografien Prominenter und Möchtegern-Stars beschäftigt sowie "Playlist - Sound of my Life". Darüber hinaus hat Blasberg die Chance auf einen Spezialpreis. "Bei Tele 5 hat sich eine ganze Kultur von Außenseiterproduktionen etabliert", lobt die Jury in der Begründung.
Peter Rütten und Oliver Kalkofe freuen sich vor allem, dass Tele 5 ein großes Filmarchiv besitzt, in dem noch viele weitere Zumutungen warten. Nach dem Disco-Vampir geht es im März romantisch weiter: Dann folgt "Titanic 2", ein billiger Abklatsch des Originals, der im Jahr 2012 spielt, also hundert Jahre nach dem Titanic-Unglück, und ein weiteres Luxusschiff sinken lässt. "Das wird wieder ein schlimmer Filmabend", verspricht Rütten.
Quelle: ntv.de