Uraufführung erfolgreich Welt in Braunschweig vermessen
27.09.2008, 14:14 UhrNicht nur auf Seiten, sondern nun auch auf der Bühne hoch gelobt: Die Uraufführung des Romans "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann im Braunschweiger Staatstheater wurde mit langanhaltendem Applaus gefeiert.
Mehr als 1,7 Millionen verkaufte Bücher, übersetzt in 42 Sprachen - bei diesem Erfolg war es nur eine Frage der Zeit, bis aus Daniel Kehlmanns Weltbestseller "Die Vermessung der Welt" ein Theaterstück wurde. Regisseur Dirk Engler hat aus dem Roman mit 280 Figuren ein unterhaltsames Drama für sechs Darsteller inszeniert. Die Uraufführung im Braunschweiger Staatstheater wurde am 26. September mit langanhaltendem Applaus gefeiert. Auch Kehlmann war zur Uraufführung angereist. Ob ihm die Inszenierung gefällt, verriet er nicht. Denn vor dem Erscheinen seines neuen Buches gibt der 33 Jahre alte in Wien lebende Starautor keine Interviews.
"Die Vermessung der Welt", 2005 erschienen, war ein literarischer Überraschungserfolg - ausgerechnet ein Roman über zwei Wissenschaftler, Alexander von Humboldt (1769-1859) und Carl Friedrich Gauß (1777-1855), stürmte die Bestsellerlisten. In der fiktiven Doppelbiografie erscheinen die Geistesgrößen in den allermeisten Situationen als menschliche Nieten. Oft geht es ihnen eben doch nicht um Fortschritt und Erkenntnis für die Menschheit, wie sie behaupten, sondern nur um die eigenen Interessen. Wie das Buch hat auch die Inszenierung viele komische Momente, vor allem wenn die Schrulligkeiten und Unzulänglichkeiten der Genies zutage treten.
In ihrer Schrulligkeit verulkt
Das mathematische Wunderkind Gauß kommt aus kleinen Verhältnissen und wird wunderbar grantelnd von Michael Hanemann verkörpert. Während dem heimattreuen Braunschweiger Stift und Papier genügen, um seine genialen Theorien zu entwickeln, vermisst Alexander von Humboldt (Andreas Bißmeier) die Welt auf seinen Entdeckungsreisen. Bißmeier stellt gekonnt Humboldts Ambivalenz heraus: Er ist kultiviert und gebildet, aber auch jähzornig und unbarmherzig, was sein Begleiter Bonpland (Tilmar Kuhn) ständig zu spüren bekommt. In jeder Geste schimmert die nervöse Überspanntheit des eitlen Abenteurers durch.
Der Unterschied in den Charakteren Gauß und Humboldt kann auf der Bühne nicht so klar herausgearbeitet werden wie im Roman. Die Geschichte von Gauß kommt eher zu kurz, wohl auch weil Humboldts Abenteuer theatralisch besser umsetzbar sind. So kämpft er im Dschungel mit einem aufblasbaren Gummi-Krokodil, während Mücken vom Tonband sirren. Beim Aufstieg auf den höchsten Berg der Welt pfeift der Wind: Alle drei Ebenen des Zuschauerraumes werden mit Tauen vermessen, wobei Papierschnee auf die Forscher rieselt. Sein komisches Talent beweist Mattias Schamberger als "Ureinwohner" mit nacktem Oberkörper, gemustertem Rock und roten Turnschuhen.
Was es heißt, deutsch zu sein
Für Kehlmann ist "Die Vermessung der Welt" jedoch weit mehr als ein Buch über zwei Forscher, die in ihrer Schrulligkeit verulkt werden. Der Roman sei "eine satirische, spielerische Auseinandersetzung mit dem, was es heißt, deutsch zu sein", erklärt er in einem Interview im Programmheft. Zwar erlangte die Wissenschaft Anfang des 19. Jahrhunderts mehr und mehr an Bedeutung, doch ging dies nicht mit politischer Aufklärung einher.
Gauß' Sohn Eugen (ebenfalls Tilmar Kuhn) wird in einer der letzten Szenen des Dramas 1828 in Berlin verhaftet, weil er von einem geeinten, freien Deutschland träumt und Flugblätter verteilt. Der Vater will den verhassten Sohn in Haft schmoren lassen, Humboldt versucht, seinen Einfluss im Preußenstaat geltend zu machen, um ihn heraus zu holen. Die beiden Wissenschaftler haben zwar Revolutionäres auf ihren Wissenschaftsgebieten geleistet, für den politischen Aufbruch in ihrem Land haben sie aber weder Gespür noch Verständnis.
Quelle: ntv.de, Christina Sticht, dpa