Die emotionale Lola-Nacht Wer muss sich denn noch hochschlafen?
28.04.2012, 10:44 Uhr
Der Filmpreis hat alles zu bieten: Alina Levshin freut sich zärtlich über ihren Preis als beste Hauptdarstellerin in dem Film "Kriegerin".
(Foto: dpa)
Sollte man sich die Verleihung eines Filmpreises antun? Ja, unbedingt, denn hier gibt es alle Emotionen in 90 Minuten. Wie bei einem guten Film geben sich Spannung, Trauer, Freude, Scham und Neid - um nur einige Gefühle zu nennen - die Klinke in die Hand. Und es gibt Iris Berben.
"Emmerich, du bist es nich’!" Die Show beginnt, wie "Deutschland sucht den Superstar" aufhört, und Jessica Schwarz und Elyas M’Barek schweben auf die Bühne: Alles anders wollen sie machen, und doch werden sie sich messen lassen müssen an allen Vorgängern, vor allem an Barbara Schöneberger. Es ist, zugegeben, nicht einfach, und vielleicht sollte man diese Doppel-Moderationskiste auch einfach lassen.
Eine Schöneberger würde doch reichen, ein Michael Bully Herbig, oder auch ein Christoph Maria Herbst (mit Weihrauch zum Selbst-Beweihräuchern), oder ein Josef Hader oder ein … ach, fast egal, Hauptsache nicht zwei, die sich immer die Bälle zuwerfen müssen. Wir sind doch nicht beim Tennis. Und wir wissen doch, dass vorher stunden- , wenn nicht gar tagelang geübt wurde. Auch wenn die beiden das nicht ohne Witz machen: "Schau mal, zwei leere Plätze, Jessica." "Für wen die wohl waren, Elyas?" "Du, Jessica, ich denk mir, für den Wulff und den Groenewold." "Da können sich andere hinsetzen, die sind doch gerade auf Sylt." Ja, die kleinen Spitzen waren nicht so übel.
Ist aber auch nicht so wichtig, denn es gab ja viel anderes zu bestaunen und zu begucken (unter anderem die vier schönen Kleider, die die Frau Schwarz trug und das reizende Lächeln des Herrn M’Barek, von dem wir uns aber viel lieber "Türkisch für Anfänger" beibringen lassen wollen). Und "Emmerich, du bist es nich’" stimmt nur bedingt, denn immerhin bekam der Film des deutschen Hollywood-Filmemachers sechs Lolas. Christian Petzolds achtmal nominierte ging dagegen fast leer aus. Hätte der Film am Schluss nicht eine Silberne Lola erhalten, hätte man sich vielleicht doch fragen müssen, was da denn los war in der Akademie.
Genie, Gott, Kameramann - Sympath
Doch um noch mal auf die Überschrift einzugehen: Wer sich nicht mehr hochschlafen muss, sind eindeutig Iris Berben, Michael Ballhaus und Bernd Neumann, seines Zeichens Kulturstaatsminister und immer dann zur Stelle, wenn ein Preis verliehen werden muss. Wir wollen mal nicht kleinlich sein, immerhin hat er noch gesagt, dass er für den Schutz des geistigen Eigentums ist und dass es ganz böse ist, wenn man einfach Sachen in diesem verdammten Internet klaut. Applaus!
Iris Berben müssen wir nicht mehr vorstellen, sie ist die andere Hälfte der ehemaligen Klimbim-Mädels und im Gegensatz zu Ingrid Steeger mega-erfolgreich. Sie ist die Präsidentin der Deutschen Filmakademie, und das ist tatsächlich was: Sie sitzt immerhin auf drei Millionen Euro Preisgeld. Eine Frau in Führungsposition. Hoffen wir, dass sie das noch eine Weile macht.Denn auch, wenn ihre Laudatio auf Michael Ballhaus, den tatsächlich fantastischen Kameramann mit großer Hollywoodkarriere, ein kleines bisschen zu schwülstig war (Ballhaus’ Frau, Regisseurin Sherry Hormann, schien das auch zu finden) muss man sich doch fragen: Wer soll’s denn sonst machen?
Der kann alles!
Bester Spielfilm in Gold: Halt auf freier Strecke
Bester Spielfilm in Silber: Barbara
Bester Spielfilm in Bronze: Kriegerin
Bester Dokumentarfilm: Gerhard Richter Painting
Bester Kinderfilm: Wintertochter
Bestes Drehbuch: David Wnendt (Kriegerin)
Beste Regie: Andreas Dresen (Halt auf freier Strecke)
Beste weibliche Hauptrolle: Alina Levshin (Kriegerin)
Beste männliche Hauptrolle: Milan Peschel (Halt auf freier Strecke)
Beste weibliche Nebenrolle: Dagmar Manzel (Die Unsichtbare)
Beste männliche Nebenrolle: Otto Mellies (Halt auf freier Strecke)
Beste Kamera: Anna J. Foerster (Anonymus)
Bester Schnitt: Peter R. Adam (Anonymus)
Bestes Szenebild: Sebastian Krawinkel (Anonymus)
Bestes Kostümebild: Lisy Christl (Anonymus)
Bestes Maskenbild: Björn Rehbein, Heike Merker (Anonymus)
Beste Filmmusik: Lorenz Dangel ()
Bester Ton: Hubert Bartholomae, Manfred Banach (Anonymus)
Ehrenpreis: Michael Ballhaus
Bernd Eichinger Preis: Michael Bully Herbig
Es fällt einem einfach niemand ein! Einige sind zu jung, die anderen sind tot. Bei der jährlichen Würdigung der Toten wurde das dieses Jahr schmerzhaft deutlich, denn tatsächlich haben einige Große dieses Leben hinter sich gelassen. Apropos: Es gibt einen Bernd-Eichinger-Preis. Zum ersten Mal.
Dieser Preis, von seiner Witwe und seiner Tochter initiiert, will Persönlichkeiten des Filmlebens ehren, Multitalente, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Menschen zum Lachen zu bringen. Der Preis ging an Bully Herbig. Denn auch, wenn seine letztjährigen Produktionen "Hotel Lux" und "Zettl" kommerziell nicht die Kracher waren - er bemüht sich. Und mit dem Preis in der Hand lodert der Ehrgeiz garantiert wieder in Bullys Brust. Bernd Eichinger fand bereits vor Jahren: "Dieser Mann kann alles!"
Zum Thema Schlafen noch ein letztes Mal: Weder hoch- noch quer-, sondern einfach mal ausschlafen hätten einige der Anwesenden vielleicht auch mal sollen. Es ist verdammt unhöflich, gelangweilt zu gucken oder zu gähnen, wenn die Kollegen sich auf der Bühne gerade freuen und Frau, Mutter, Produzent und dem lieben Gott danken. Die rührendste Rede des Abends hielt Milan Peschel, der nun für ein Jahr (verdientermaßen) der beste Schauspieler Deutschlands ist und eine großartige Leistung in Andreas Dresens Krebsdrama gezeigt hat.
Die Dresen-Momente nehmen zu
Überhaupt fließen die Tränen an diesem Abend, als wäre ein Hersteller für Papiertaschentücher Hauptsponsor. Und wenn es manchen auch nerven mag: Diese Dresen-Momente der ganzen Truppe waren so echt, dass man sich den Film trotz des heftigen Themas ("Papa wird sterben." - "Krieg ich dann sein iPhone?") angucken sollte.
Wie so viele andere Filme auch: Die drei Dokumentarfilme über Charlotte Rampling, Gerhard Richter oder Rolf Eden sind allesamt sehenswert. Die Kinderfilme "Tom Sawyer" und "Wintertochter" sind auf jeden Fall auch etwas für Erwachsene, und Florian David Fitz, einer der tollen Laudatoren, sagte sehr schön: "Eine Frau, die improvisiert, ist oft immer noch besser als ein gut vorbereiteter Mann." Dem ist ja fast nichts hinzuzufügen. Außer, dass Dagmar Manzel (ausgezeichnet als beste Nebendarstellerin) bitte nie wieder mit roter Perücke singen sollte.
Und alle anderen sollten mal wieder ins Kino gehen: Die Sitze genießen, die Atmosphäre, das Dolby-Surround-System, und nicht den Nachos-essenden, Hut-tragenden Typen in der Reihe davor anmeckern, sondern ganz freundlich sein. Sich entspannen, sehen, wie andere Menschen leben, lachen und weinen. Man sollte die Hand des Menschen nebenan halten. Und man sollte auch kein Dieb geistigen Eigentums sein und sich den Film auf dem PC allein anschauen. NEIN, DAS SOLL MAN NICHT!
Quelle: ntv.de