Dokumentation 136 Todesopfer an der Berliner Mauer
11.08.2009, 11:05 UhrZwanzig Jahre nach dem Mauerfall liegt erstmals ein Buch vor, das das Schicksal von 136 Todesopfern an der Berliner Mauer wissenschaftlich fundiert dokumentiert.

Lücke in der Berliner Mauer auf dem Gelände der Gedenkstätte Bernauer Straße.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Fast 20 Jahre nach dem Mauerfall haben Wissenschaftler eine Dokumentation über die Schicksale von 136 Todesopfern an der Berliner Mauer vorgelegt. Das in Berlin vorgestellte Handbuch ist das Ergebnis eines mehrjährigen Forschungsprojekts des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) und der Stiftung Berliner Mauer. Laut ZZF liegen damit erstmals quellengestützte und überprüfbare Angaben über die Mauertoten vor, die zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer starben.
98 der von den Wissenschaftlern dokumentierten Todesopfer waren DDR-Flüchtlinge, die versuchten, über die Sperranlagen nach West-Berlin zu gelangen und dabei erschossen wurden, verunglückten oder sich das Leben nahmen. Unter den Todesopfern waren aber auch 30 Menschen aus Ost und West, die keine Fluchtabsichten hatten, aber dennoch erschossen wurden oder verunglückten, sowie acht DDR-Grenzer, die von Fahnenflüchtigen, Flüchtlingen oder Fluchthelfern getötet wurden. Die meisten Todesopfer waren zwischen 16 und 30 Jahre als, auch neun Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren kamen an der Berliner Mauer ums Leben.
Herzinfarkt nach Grenzkontrolle

Der Leiter der Stiftung Berliner Mauer, Klausmeier, und Kulturstaatsminister Neumann präsentierten die Dokumentation.
(Foto: dpa)
Darüber hinaus starben nach Recherchen der Wissenschaftler mindestens 251 überwiegend ältere Reisende während oder nach Kontrollen an Berliner Grenzübergängen. Sie erlagen vornehmlich den Folgen eines Herzinfarktes. Weitere 164 "Verdachtsfälle" bestätigten sich den Angaben zufolge nicht, weil die Betreffenden zum Teil irrtümlich auf Listen als Todesopfer auftauchten, aber schwer verletzt überlebt hatten, oder weil die Todesfälle in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Grenzregime gestanden hätten. 16 weitere Fälle blieben demnach ungeklärt, in acht Fällen laufen die Recherchen noch.
Die Wissenschaftler haben für die Dokumentation umfangreiches Akten- und Archivmaterial ausgewertet, darunter erstmals auch staatsanwaltschaftliche Akten aus den Mauerschützen-Prozessen. Außerdem sprachen sie mit Angehörigen und Freunden von Todesopfern. Über die Zahl der Mauertoten wird seit Jahren gestritten. Das Berliner Mauermuseum geht von einer deutlich höheren Zahl von Opfern aus.
Nach Ansicht von Kulturstaatsminister Bernd Neumann leistet die nun vorgelegte Dokumentation einen wichtigen Beitrag, um der Verharmlosung der DDR und ihres Unrechts entgegenzuwirken. "Gerade im Hinblick auf die zunehmende Verklärung und Bagatellisierung der politischen Verhältnisse in der DDR ist es von hoher Bedeutung, über die tatsächlichen Verhältnisse aufzuklären und die menschenverachtenden Auswirkungen konsequent aufzuzeigen und aufzuarbeiten", erklärte Neumann. Erst durch die Personalisierung jeder einzelnen Tat und der Verknüpfung der 136 Namen mit einer Biographie zeige das Unrecht seine wahre Dimension und werde vor allem für jüngere Menschen fassbar. Das Projekt wurde vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gefördert.
Quelle: ntv.de, AFP