Bücher

Stimme aus einer anderen Welt Antony Hegarty auf Tour

Der transsexuelle New Yorker Antony Hegarty trägt lange schwarze Haare, Frauenkleider und singt mit Kopfstimme ergreifende Lieder vom Untergang der Natur. Mit großen Augen blickt Hegarty aus einem zarten Kindergesicht, der füllige Körper will nicht recht dazu passen. Den einen gilt er als exaltierter Paradiesvogel, anderen als die interessanteste Figur im zeitgenössischen Pop. Anfang des Jahres gelang dem charismatischen Künstler der große Durchbruch.

Sein Album "The Crying Light" erreichte Platz 1 der Billboard European Top 100 Album Charts. In Musikmagazinen regnete es Höchstwertungen ob der gefühlvollen, romantischen Platte, die vom ungewöhnlichen Gesang Hegartys lebt. Der deutsche "Rolling Stone" sprach von einem "Meisterwerk". Am 25. April eröffnet Hegarty in Berlin seine kleine Deutschlandtour, auf der er von seiner Band The Johnsons begleitet wird.

"Jesus wird ein Mädchen sein"

Es geht auf "The Crying Light", dessen Cover ein Bild des japanischen Butoh-Tänzers Kazuo Ohno ziert, um das Verhältnis des Menschen zur Natur. In dem Stück "Another World", einem Abgesang auf die Erde, nimmt Hegarty Abschied von all den schönen Dingen dieser Welt: den Bäumen, dem Schnee, dem Meer und auch den Bienen. "I`m gonna miss you all", singt Hegarty voller Inbrunst. Selbst als New Yorker fühle er sich der Natur verbunden, erklärte der Künstler in Interviews anlässlich des neuen Albums. Zudem zelebriert er in seinen Liedern das weibliche Prinzip. "Beim nächsten Mal wird Jesus ein Mädchen sein", sagte Hegarty etwa dem Magazin "Spex".

Schon vor vier Jahren konnte der androgyne Sänger mit seinem zweiten Album "I Am A Bird Now" einen Überraschungserfolg landen. Die Musikpresse war voll des Lobes, Hegarty erhielt den renommierten britischen Mercury Prize. Der Künstler, dessen Stimme schon mit denen großer Namen, darunter Nina Simone oder Otis Redding, verglichen wurde, lässt sich meist von einem eher klassischen Instrumentarium begleiten, das sowohl Klavier, Streicher als auch akustische Gitarren umfasst.

Mit Reed und Grönemeyer performt

Seine Kindheit verbrachte Hegarty in England, wo er 1971 in Sussex geboren wurde. Später zog er in die USA, lebte zunächst in Kalifornien, studierte dann in New York Experimentelles Theater und machte in der Homosexuellen-Szene des East Village auf sich aufmerksam. Auch Kultmusiker Lou Reed stieß auf Hegarty und lud ihn ein, mit seinem Edgar-Allan-Poe-Projekt "The Raven" zu touren.

Mittlerweile gehört Hegartys Stimme zu den begehrtesten überhaupt. So war die Ausnahmeerscheinung auf Veröffentlichungen von Künstlern wie Björk, Marianne Faithfull oder Rufus Wainwright zu hören. Auch mit Herbert Grönemeyer hat der Wahl-New Yorker schon im Duett gesungen. Zusammen haben sie das Stück "Will I Ever Learn" von Grönemeyers Best-Of-Album aufgenommen.

Nicht nur vom Habitus, auch stimmlich bewegt sich der Virtuose, der früh das Gefühl gehabt haben soll, in den falschen Körper geboren worden zu sein, zwischen beiden Geschlechtern. Ob es sich bei ihm um Frau oder Mann handelt, lässt sich nur anhand des Gesanges kaum sagen. Ohnehin aber scheint der Sonderling mit der Engelsstimme aus einer anderen, fernen Welt zu stammen: "Another World" - die Kategorie Geschlecht jedenfalls scheint es dort nicht zu geben.

Matthias von Viereck, dpa

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen