"Welttag des Buches" Auftakt mit angestaubtem Sofa
18.04.2008, 12:03 UhrMit einem prominent besetzten Vorleseabend in der Alten Oper hat in Frankfurt die bundesweite Kampagne zum "Welttag des Buches" am 23. April begonnen. Der von der Weltkulturorganisation UNESCO initiierte Tag versteht sich als Sympathieveranstaltung für das Lesen. Die Branche will in 300 deutschen Städten mit rund 1500 Veranstaltungen für das geschriebene Wort werben. Angekündigt sind Lesungen, Bücherpartys, literarische Schnitzeljagden oder Märchenstunden in Buchhandlungen, Verlagen, Schulen und Bibliotheken.
Der 1995 ins Leben gerufene Tag geht zurück auf einen Brauch in der spanischen Provinz Katalonien. Dort schenkt man sich am Namenstag des Volksheiligen St. Georg Rosen und Bücher. Dass es ausgerechnet der 23. April ist, hat einen weiteren Grund - es ist der Todestag von William Shakespeare (1564-1616) und Miguel de Cervantes (1547-1616). In Deutschland werden die Veranstaltungen seit dem vergangenen Jahr vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Frankfurt und der Stiftung Lesen in Mainz koordiniert.
Das Buch lebt
"Die Aktionen zeigen, dass das Buch lebt", sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Stiftung Lesen, Jörg Pfuhl, zu Beginn der Veranstaltung, bei der Anna Thalbach und andere Schauspieler aus ihren Lieblingsbüchern lasen. Die Menschen sollen "das Genussmittel Buch erkennen" lernen, wünschte sich Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.
Brandaktuell waren die gelesenen Lieblingstexte der Prominenten aber nicht: Anna Thalbach ("Tatort") rezitierte aus "Der Schaum der Tage" von Boris Vian. Der lebte von 1920 bis 1959. Der Comedian Michael Kessler stellt "Holzfällen. Eine Erregung" von Thomas Bernhard vor. Bernhard lebte bis 1989. Der Schauspieler Heio von Stetten ("Deadline - Jede Sekunde zählt") präsentierte Passagen aus "Das Evangelium nach Pilatus" von Eric-Emmanuel Schmitt. Die Originalausgabe ist etwas mehr als acht Jahre alt. Es geht darin um eine Leiche, die nach der Kreuzigung tatsächlich einfach verschwunden ist und damit den römischen Behörden gehörigen Ärger macht.
Klischees auf der Bühne
Lediglich Hanns Zischler ("Frau fährt - Mann schläft") widmete sich mit "Hohe Tannen" von Karin Kersten einem halbwegs aktuellen Werk: Der Roman, ein Buch über Freundschaft, ist im vergangenen Jahr erschienen. "Der Autorin gelingt es, aus der kleinen Welt fast vergessener Freundschaften eine Parabel gelingender Gegenwart zu entfalten", sagte Zischler.
Die Bühne bediente eher Klischees vom Lesen als zu beweisen, dass Literatur jung und aufregend ist. Auf der Bühne standen ein angestaubtes Sofa, ein Ohrensessel, ein Beistelltischchen. Dazu gedämpftes Licht. Dabei räumte sogar Skipis öffentlich ein, man müsse endlich "das Buch aus der verstaubten Ecke heraus bringen". Und eine solche Sitzgarnitur wie auf der Bühne der Alten Oper, "zahlt genau auf ein Konto ein, dass wir gar nicht wollen". Geschadet hat es nicht: Im Publikum saßen Menschen, die offenkundig ohnehin seit langem Freude am Lesen haben. Viele von ihnen plauderten mit ihren Sitznachbarn über Literatur und erzählten freudig, welches Buch sie gerade beackern.
Von Christian Rupp, dpa
Quelle: ntv.de