"Rote Lippen soll man küssen" Cliff Richard auf Deutsch
04.05.2010, 15:05 Uhr
1963 landete Cliff Richard mit "Rote Lippen soll man küssen" einen Nr.-1-Hit in Deutschland.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Es gab Zeiten, da war Cliff Richard im deutschsprachigen Raum fast so populär wie im heimischen Britannien. Der Markt, namentlich der bundesdeutsche, war fast ebenso wichtig wie der britische oder der US-amerikanische. In den Vereinigten Staaten hat der als Harry Rodger Webb im nordindischen Lakhnau geborene Sohn eines Kolonialbeamten nie so richtig Fuß fassen können. Woran's lag, weiß niemand so richtig. Aber zwischen Flensburg und Klagenfurt waren Cliffs Songs ständige Gäste der Hitparaden. Und auch zwischen Kap Arkona und Bad Brambach, wo’s für britische Songs keine Hitparade gab, erfreute sich der damalige Jungstar größter Beliebtheit. Mit seinen englischsprachigen Songs ebenso wie mit deutsch gesungenen Titeln.
In der Bundesrepublik hatte der 1995 zum Ritter Geschlagene drei Nummer-1-Hits: "Rote Lippen soll man küssen", im Original "Lucky Lipps" und Titelsong der Doppel-CD, lag ab 7. Dezember 1963 für sieben Wochen an der Spitze. "Das ist die Frage aller Fragen", eine Version des Ben E. King-Charttoppers "Spanish Harlem", stand zwei Jahre später für vier Wochen ganz oben. Ein Song, den Sir Cliff übrigens nie auf Englisch nachsang. Erfolgreich war Cliff Richard allerdings nicht mit den eigens für ihn von deutschen Komponisten verfassten Stücken.
Noch heute Teil der Playlisten
Dafür wurden die vorgenannten Songs wie auch "Ein Sonntag mit Marie" ("The Day I Met Marie"), "Man gratuliert mir" ("Congratulations"), "Goodbye Sam, das ist die Liebe" ("Goodbye Sam, Hello Samantha") und "Gut, dass es Freunde gibt" ("Power To All Our Friends") zu Erfolgsnummern und sind noch heute Teil der Playlisten einschlägiger Hörfunksender.
Während Cliff den deutschen Gesang bei diesen Titeln zumeist auf das originale Musikbett sang, sind die Instrumentalteile bei den "Roten Lippen" und anderen Tracks aus der Zeit mit den genialen Shadows in den deutschen Aufnahmen von diesen neu eingespielt. Man höre den Unterschied bei "Sag ‚No’ zu ihm" ("Don’t Talk To Him") oder "Es war keine so wunderbar wie Du" ("I Could Easily Fall In Love") zwischen Hank Marvins Fender Stratocaster und der namenlosen Gitarre bei "Das ist die Frage aller Fragen". Letzteres klingt irgendwie bieder, während das eigentlich Schlagerhafte die "Lucky Lipps" im Original an die Sturm & Drang-Zeit des einstigen Rock and Rollers erinnert. Rock and Roll klappt bei Cliff Richard bei Lichte besehen nur so richtig, wenn die Shadows dabei sind. So ist die "Twist im Blut" getaufte deutsche Version des Isley-Brothers-Krachers "Twist And Shout" ein Schuss in den Ofen, der an die weich-und-weiß-zugleich-gespülte Aufnahme des US-Sängers Pat Boone von Fats Dominos "Ain’t That A Shame" erinnert.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt
Nachdem n-tv ein Interview des Autors dieser Zeilen mit Master Harry ausgestrahlt hatte, sagte dessen Frau: Das schlechteste Interview, das Du je gemacht hast. Du hast ihn immer nur nach seiner Zeit mit den Shadows befragt. Das ist so, als würde Dir einer sagen, das Beste, das Du je geschrieben hast, war Dein Abituraufsatz. Ja, so ist es wohl. Was nicht heißen soll, dass mein Abituraufsatz schlecht war.
Sagen wir’s so: Cliff isn’t god, but gold. Aber selbst Gold glänzt nicht immer. Es kommt ganz darauf an, von welcher Seite man es betrachtet.
Quelle: ntv.de