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Gottloser Missionar Dawkins will bekehren

Von Johannes Christ

Er gilt als der Papst der "Neuen Atheisten". Mit seinem jüngst in deutscher Übersetzung erschienenen Buch "Der Gotteswahn" legt der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins eine leidenschaftliche Streitschrift wider die Religion vor. Seine Kritiker werfen ihm den gleichen Fundamentalismus vor, den seine gläubigen Gegner hegen.

"Das Monster aus der Bibel"

"Der alttestamentarische Gott ist einer der unangenehmsten Charaktere der Literaturgeschichte - ein Rassist, Schwulenhasser und Kinderkiller", pflegt Richard Dawkins seine Lesungen zu eröffnen. Damit stellt er unmissverständlich klar: Respekt gegenüber der Religion ist seine Sache nicht. Jeder Politiker habe respektlose Karikaturen zu ertragen, warum sollte die Religion unverhältnismäßige Vorrechte genießen?

Mit einer so legitimierten Abfälligkeit nimmt sich Dawkins die "Gotteshypothese" zur Brust. Nicht nur die Vorstellung vom alten Mann mit Rauschebart, der im Himmel wohnt, Gedanken liest und Sünden bestraft, sei naiv, sondern der Glaube an jegliche übernatürliche Intelligenz - einschließlich der, dass Gott die Gesetze des Universums aufstelle und sich ansonsten zurückhalte. Dieser so genannte deistische Gott sei zwar eine "Verbesserung gegenüber dem Monster aus der Bibel, doch seine Wahrscheinlichkeit ist nicht größer". Außerdem, spöttelt Dawkins, müsse sich dieser "arbeitslose Freizeitgott" den Vorwurf gefallen lassen, nichts aus seinem Talent gemacht zu haben.

Atheist mit Unsicherheiten

Einen Gegenbeweis kann der in Oxford lehrende Biologe natürlich nicht liefern. Folgerichtig räumt er ein, sich seines Atheismus nicht sicher zu sein. Genauso wenig wie er beweisen könne, dass unter seinem Garten keine Feen leben. Rhetorisch geschickt kommt Dawkins seinen Gegnern einen Schritt entgegen, nur um einen umso wirkungsvolleren Treffer landen zu können. Endgültige Sicherheit brauche es nicht, ist seine Botschaft. Schließlich seien auch Christen Atheisten - in Bezug auf Zeus, Apollo und das goldene Kalb. Er habe der Liste nur einen weiteren Gott hinzugefügt.

Seine Gottlosigkeit legt Dawkins auch den Lesern nah. Erklärtes Ziel seines Buches ist es, zu bekehren. Denn ohne Glaube wäre die Welt besser dran, ist Dawkins überzeugt: keine Selbstmordbomber, kein 11. September, keine Kreuzzüge und Hexenverfolgungen, kein Israel-Palästina-Konflikt und keine Nordirland-Unruhen. Die Bilanz der positiven und negativen Nebenwirkungen von Religion fällt äußerst einseitig aus. Den Trost und die Geborgenheit, die ein Kind aus dem Glauben ziehen kann, erscheint bei Dawkins als vernachlässigbar im Vergleich zu den psychischen Schäden, die christliche Erziehung anrichten könne. Diese sei "in manchen Fällen schlimmer als die körperlicher Misshandlung."

Nächstenliebe ohne Bibel

Altruistisches Handeln, etwa eine Spende an einen Wildfremden, der Opfer des Tsunami geworden ist, lässt Dawkins gar nicht erst als Folge von Glauben an Gott und die heilige Schrift durchgehen. Die Moral des Menschen habe sich zu einer Zeit entwickelt, als er in kleinen Gruppen lebte und wechselseitiger Altruismus von Vorteil war, so Dawkins, dem seine Kritiker den Beinamen "Darwins Rottweiler" verpasst haben. Die heutige Ethik stamme nicht aus der Bibel. Eher suche man sich die Textstellen heraus, die zur eigenen Ethik passen. Derzeit sei eher die Bergpredigt en vogue als die Bücher Mose, nach denen auf das Sammeln von Holz am Sabbat die Todesstrafe stehen müsse. Letztlich sei das aber auch nachrangig: "Selbst wenn wir Gott brauchen, um moralisch zu handeln, würde Gottes Existenz damit natürlich nicht wahrscheinlicher, sondern höchstens wünschenswerter."

Richard Dawkins: Der Gotteswahn. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel, Ullstein Verlag, Berlin 2007, 575 S., geb., 22,90 Euro

Quelle: ntv.de

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