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Matt Groening und Hasen in der Liebeshölle Der "Vater" der Simpsons wird 60

Matt Groening mit seinen berühmtesten Figuren: den Simpsons.

Matt Groening mit seinen berühmtesten Figuren: den Simpsons.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Simpsons sind Helden der Moderne. Ihre Frisuren, ihre Zitate und Witze sind längst Allgemeingut. Ihr Schöpfer Matt Groening, der nun 60 wird, bewies aber schon vorher Sinn für Humor: Seine Hasen lästern über die Liebe und das Leben.

So kennt man die Simpsons: Liza, Marge, Maggie, Homer und Bart - benannt nach Groenings Schwestern, Mutter und Vater.

So kennt man die Simpsons: Liza, Marge, Maggie, Homer und Bart - benannt nach Groenings Schwestern, Mutter und Vater.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Er ist nicht wie Homer. Er ist nicht wie Bart. Vielleicht passt Lisa am besten zu ihm. Denn Matt Groening war ein guter Schüler. Und er liebt Musik. Wie er überhaupt vielseitig interessiert ist. Daher wäre es unfair, den vor 60 Jahren in Portland im US-Bundesstaat Oregon geborenen Zeichner auf seine berühmteste Schöpfung zu beschränken.

Doch natürlich sind es "Die Simpsons", mit denen der Name Groening (der von seinen deutschen Vorfahren kommt) für immer verbunden sein wird. Und ergeben Homers Seitenhaare und Ohr nicht sogar seine Initialen?

Seit mehr als 25 Jahren läuft die gelbe Familie im Fernsehen und ist damit die ausdauerndste Zeichentrickserie der Welt. Die Sippe um den leicht trotteligen Homer und die liebevolle Hausfrau Marge hat bisher 27 Emmy Awards gewonnen, 30 Annie Awards und unzählige andere Auszeichnungen. Sie erschien im Fernsehen, im Kino, in Comics, in Videospielen und auf einer Unzahl an Merchandising-Produkten von der Bettdecke bis zum Babyteller.

2012 erhielt Groening einen Stern auf dem Walk of Fame. Die Simpsons haben diesen schon länger.

2012 erhielt Groening einen Stern auf dem Walk of Fame. Die Simpsons haben diesen schon länger.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Ein Zufallserfolg sind "Die Simpsons" allerdings nicht. Groening zeichnete bereits als Schüler und Jugendlicher, er besuchte ein Kunstcollege, wo er als Redakteur für die Studentenzeitung Cartoons beisteuerte. Dann ging er nach Los Angeles und arbeitete in einer Reihe lausiger Jobs. Es waren ausgerechnet diese harten Jahre, die Groenings Erfolg begründeten. Denn er verarbeitete seine Erfahrungen in Comics, die er zunächst nur Freunden zukommen ließ. Bald jedoch verkaufte er "Leben in der Hölle" (im Original "Life in Hell") auch in einem Musikgeschäft, brachte Strips in Magazinen und Zeitungen unter und veröffentlichte sie schließlich gesammelt in Büchern.

Überbiss und Glubschaugen

Diese Bücher waren in Deutschland lange vergriffen. Der Verlag Reprodukt macht sich nun aber daran, Groenings Frühwerk wieder herauszubringen. Den Anfang macht "Liebe ist die Hölle", mit dem Groening Mitte der 80er Jahre einen großen Erfolg feierte. Verwunderlich ist das nicht, denn in 13 Folgen seziert er auf schwarzhumorige, fast schon sarkastische Weise Klischees über die Liebe und Beziehungen. Hinzu kommen noch einmal gut 30 Einzelstrips, die sich ebenfalls dem menschlichen Miteinander widmen.

Wenn Matt Groening die Liebe seziert, muss man auf allerhand schwarzen Humor gefasst sein. Abbildung aus dem Band "Liebe ist die Hölle".

Wenn Matt Groening die Liebe seziert, muss man auf allerhand schwarzen Humor gefasst sein. Abbildung aus dem Band "Liebe ist die Hölle".

(Foto: 2013 Matt Groening Productions, Inc. / Reprodukt)

Wobei menschliches Miteinander eigentlich falsch ist, denn es geht um Hasen mit Überbiss, großen Augen und hin und wieder nur einem Ohr. Zeichnerisch deutet sich bei diesen Figuren bereits deutlich der Stil der Simpsons an. Doch auch inhaltlich setzt "Liebe ist die Hölle" bereits auf Themen und Humor, die Groening später für "Die Simpsons" verfeinern wird.

Hier ist der Witz noch etwas gröber, weniger anspielungsreich. Strips wie "Die 57 Sorten der Liebe" oder "Die 9 Arten von Beziehungen" sind typische Beispiele für die Folgen, in denen das Zusammenleben von Hase und Häsin karikiert und überspitzt wird. Mitte der 80er Jahre wirkte dies sicher noch anarchischer als heute. Denn diese ironische Art des Humors ist mittlerweile verbreiteter und trifft viel stärker den Massengeschmack - natürlich auch Dank der Simpsons.

Anarchie in Amerika

"Liebe ist die Hölle" ist bei Reprodukt erschienen, 48 Seiten im Hardcover, 12 Euro.

"Liebe ist die Hölle" ist bei Reprodukt erschienen, 48 Seiten im Hardcover, 12 Euro.

Der schwarze Humor in Groenings frühen Strips war ein Mittel der Alternativ-Szene, die in den äußerst konservativen Reagan-Jahren genug Ansatzpunkte für ihre Themen fand. Am deutlichsten wird dies, wenn Groening männliche und weibliche Rollenzuschreibungen entweder überhöht oder ins Gegenteil verkehrt. Oder wenn er sich in einem Strip fragt, ob homo- oder heterosexuelle Beziehungen im Vorteil sind, um dann zu zeigen, dass Ekstase, Glück, Liebeskummer, Scham und Herpes überall vorkommen, egal wen man liebt.

Dieser hintergründige und gesellschaftskritische Witz, der auf vielen Ebenen funktioniert, prägte auch die Frühphase der Simpsons. Groening erfand die Familie, nachdem Produzent James L. Brooks auf "Leben in der Hölle" aufmerksam geworden war und vorschlug, kleine Cartoons in der Tracey Ullman Show zu zeigen. Wie die Simpsons dann entstanden, gehört ins Reich der Legenden. Mal heißt es, dass Groening die - nach eigenen Familienmitgliedern benannten - Figuren erfand, um nicht die Rechte an "Leben in der Hölle" aufs Spiel zu setzen. Mal heißt es, Groening habe innerhalb von 15 Minuten die Simpsons entworfen, weil die Produzenten etwas Neues wollten.

Wie dem auch sei: Ab 1988 liefen kurze Filmchen mit den Simpsons in der Show. Der Erfolg war so groß, dass bereits ab Dezember 1989 "Die Simpsons" ihren Siegeszug um die Welt antraten - ausgerechnet auf dem konservativen Sender Fox. Die Serie wurde schnell zum großen Erfolg. Der Humor, der den American Way of Life karikierte, traf einen Nerv, denn die Serie webte nicht nur selbst unzählige Anspielungen auf Popkultur, politisches Leben und andere Lebensbereiche ein. Sie wurde bald selbst zum kulturellen Referenzpunkt, zum Zitategeber einer ganzen Generation.

Philosophie, Mathematik, Homosexualität

Alkoholabhängige Roboter, Aliens und eine gefräßige Krabbe: Groenings zweite Serie "Futurama".

Alkoholabhängige Roboter, Aliens und eine gefräßige Krabbe: Groenings zweite Serie "Futurama".

(Foto: AP / Futurama TM / Twentieth Century Fox Film Corp. / Matt Groening)

Sei es Homers Arbeitsplatz im Atomkraftwerk, seien es die liberale Haltung der vegetarischen Tochter Lisa oder die Rüpeleien von Bart - die Figuren der Simpsons formen Archetypen, die in das gesellschaftliche Grundwissen übergegangen sind. Daneben treten etliche Stars in der Show auf, zuletzt inszenierte Regisseur Guillermo del Toro einen besonders aufwendigen Couchgag. Längst sind die Simpsons auch Thema philosophischer, ja sogar mathematischer Analysen. Zuletzt untersuchte Erwin In het Panhuis die Behandlung homosexueller Themen in der Serie und bilanzierte, dass deren positive Darstellung eine Vorreiterrolle im sonst so prüden Amerika einnimmt.

Heute allerdings, mehr als 500 Episoden und einen sehr erfolgreichen Kinofilm später, lockt die gelbe Familie nicht mehr so viele Zuschauer vor den Fernseher. Der gelbe Humor wurde mit der Zeit flacher, braver und gewöhnlicher. Konkurrenten wie "Family Guy" und "American Dad" - wegen derer sich Groening einen Streit mit Seth MacFarlane lieferte - brechen heute mehr Tabus, wirken frischer und bissiger.

Groening selbst hatte sich schon vor der Jahrtausendwende neuen Projekten zugewandt. Mit "Futurama" brachte er 1999 eine weitere Serie ins Fernsehen. Die Trickserie um einen Pizza-Lieferjungen, den es unversehens ins Jahr 3000 verschlägt, wo er auf Roboter und Aliens trifft, fand ebenfalls viele Fans auf der ganzen Welt. Nach einer Pause von mehreren Jahren und einem kurzen Comeback wurde sie mittlerweile aber gänzlich eingestellt. Mittlerweile soll Groening einen neuen Sender für das Projekt suchen.

Daneben widmet er sich immer wieder seiner anderen Leidenschaft, der Musik. Er schreibt für Musikmagazine, beteiligt sich an Festivals und spielt natürlich auch in einer Band - an der Seite von Stephen King. Und er zeichnete weiter seine beliebten "Leben in der Hölle"-Strips. Fast 1700 waren es, als er 2012 die Serie einstellte. Langweilig dürfte Groening aber auch mit 60 Jahren nicht werden. Faul auf der Couch zu liegen und fernzusehen ist seine Sache nicht. Er ist eben weder Homer noch Bart, sondern ganz klar eine Lisa.

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Quelle: ntv.de

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